E-Mail-Bestellungen, die automatisch eingelesen und ausgelöst werden, Kameras zur visuellen Kontrolle in der Produktion und Sprachassistenten, die den Arbeitsrapport auf der Baustelle automatisch ausfüllen – was vor wenigen Jahren noch nach Science-Fiction klang, sind heute konkrete Anwendungsfälle von künstlicher Intelligenz (KI) in der Schweizer Wirtschaft. Die Einsatzmöglichkeiten von KI sind beeindruckend, doch viele Entscheidungsträger tun sich noch schwer, den konkreten Nutzen zu erkennen, und agieren entsprechend zurückhaltend bei ihrer Anwendung. Um Unternehmen den Einstieg zu erleichtern, haben meine Ökonomen eine Studie mit Anwendungsbeispielen erarbeitet. Damit wollen wir die Hemmschwelle senken und einen Beitrag zur kontinuierlichen Weiterentwicklung des Werkplatzes Schweiz leisten.
von Fredy Hasenmaile, Chefökonom Raiffeisen
KI liefert konkreten Nutzen in der Praxis
In den vergangenen Jahren wurden in einem globalen Wettrüsten Milliardenbeträge in die Entwicklung von KI-Modellen investiert. Die Bewertungen grosser Techunternehmen sind nur deshalb so hoch, weil viele Investoren vom konkreten Nutzen dieser bahnbrechenden Technologie überzeugt sind. Noch ist der erwartete Produktivitätsschub in den Zahlen nicht sichtbar – was unter anderem an der zögerlichen Nutzung durch Unternehmen liegt. In der Bevölkerung hingegen ist KI angekommen: Selten wurde eine neue Technologie so schnell so intensiv genutzt. Hinter dem Hype verbirgt sich ein enormes Potenzial – auch für Schweizer Unternehmen. Um in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben, ist es für Unternehmen entscheidend zu wissen, wie sie KI nutzen können, um einen konkreten Mehrwert zu generieren. Dafür müssen Unternehmen ihre Daten aufbereiten und präzise Anwendungsfälle für KI identifizieren. Fehlt intern das Know-how, bieten kompetente Partner Unterstützung.
Prädestinierte KI-Anwendungsfelder
KI kann über fast alle Branchen hinweg transformativ wirken. Schweizer Unternehmen nutzen beispielsweise bereits heute künstlich intelligente Systeme, die in Echtzeit auf Veränderungen reagieren können, um ihren Energieverbrauch zu optimieren. Damit können sie aber nicht nur Energie sparen, sondern ihre Produkte auch ökologischer herstellen und lagern. Energiesparsysteme sind ein idealer Anwendungsfall für KI, insbesondere für maschinelles Lernen, da grosse Datenmengen verarbeitet werden müssen und zudem durch Echtzeitüberwachung beträchtliche Effizienzgewinne erzielt werden können. Gerade im Gebäudebereich ist das Potenzial enorm und Investitionen in solche KIgestützten Energiesparsysteme amortisieren sich meist rasch. Zum Einsatz kommen KI-Technologien auch in der industriellen Qualitätskontrolle. KI lernt aus bestehendem Bildmaterial und kann in Echtzeit Abweichungen erkennen und in Produktionsprozesse eingreifen. Durch kontinuierliches Training lassen sich Fehlerquoten deutlich senken und kostspieliger Ausschuss vermeiden. Visuelle Prüfungen durch Mitarbeitende können durch KI sowohl präziser, konstanter als auch deutlich günstiger übernommen werden.
Beachtlich ist auch, wie gut KI-Software bereits heute in der Lage ist, mit einer breiten Vielfalt von Herausforderungen umzugehen – beispielsweise bei der Automatisierung von Bestellprozessen. Unabhängig davon, auf welchem Kanal Bestellungen eintreffen, können KI-Systeme die Erfassung, die Prüfung und die Weiterleitung von Bestellungen übernehmen. Auf diesem Gebiet zeichnen sich mit der agentenbasierten KI zudem weitere Technologiesprünge ab, sodass menschliches Eingreifen in Zukunft stark minimiert und die Personalkapazitäten auf Tätigkeiten mit höherer Wertschöpfung verlagert werden können.
Selbst in weniger technologieaffinen Branchen wie dem Gastgewerbe kann KI eingesetzt werden, unter anderem für die Reduktion von Lebensmittelabfällen, die heute rund 20% betragen. Durch KI-Bilderkennungssysteme können konkrete Massnahmen zur Reduktion der Abfallmenge definiert und der zukünftige Verbrauch besser eingeschätzt werden. Dadurch werden gleichzeitig Kosten gespart und die Umwelt entlastet.
Fazit
Das Potenzial der KI-Technologie ist gewaltig. Sie hat das Potenzial, die Schweizer Wirtschaft nachhaltig zu verändern. Unternehmen aller Grössen tun gut daran, mit zunächst überschaubaren Pilotprojekten Anwendungsmöglichkeiten auszuloten und im KI-Bereich Kompetenzen aufzubauen. Als Hochlohnland ist die Schweiz gezwungen, auf Automatisierung zu setzen. KI bietet hierfür mächtige Werkzeuge mit realen Einsparpotenzialen. Es ist daher nur eine Frage der Zeit, bis Firmen, die diese Technologie nicht einsetzen, an Wettbewerbsfähigkeit einbüssen.