Fiskalpolitik unter dem Radar: Wie neue Abgaben Chinas Binnenwirtschaft formen

Bo Zhuang, Global Macro Strategist, Asien bei Loomis Sayles. (Bild: Loomis Sayles)

Von Bo Zhuang, Global Macro Strategist, Asien bei Loomis Sayles

In einem Schritt, der ausserhalb Chinas weitgehend unbeachtet geblieben ist, veröffentlichte das Oberste Gericht des Landes am 1. August eine bahnbrechende gerichtliche Auslegung. Das Urteil erklärte jede vertragliche Vereinbarung – unabhängig von einer gegenseitigen „freiwilligen Verzichtserklärung“ (im Austausch für ein höheres Nettogehalt) – für rechtswidrig, wenn sie den Arbeitgeber von der Pflicht zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen befreit. Solche informellen Abmachungen, die insbesondere unter Arbeitern im Blaumann und bei kurzfristigen Anstellungen verbreitet waren, galten jahrelang als gängige Praxis. Nun hat das Gericht klargestellt: Es gibt kein „Opt-out“ aus der Sozialversicherung.

Ein lobenswertes Ziel mit potenziell hoher kurzfristiger Belastung
Während englischsprachige Medien dem Thema nur wenig Aufmerksamkeit schenkten, feierten inländische Medien diesen Schritt als greifbaren Sieg für das Wohlergehen der Arbeitnehmenden. Doch hinter den jubelnden Schlagzeilen verbirgt sich eine komplexere Realität: Die vollständige Durchsetzung der Sozialversicherungsbeiträge könnte die Arbeitskosten für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) um bis zu 30 % erhöhen. Auch die Beschäftigten selbst – deren Löhne bereits unter Druck stehen – dürften durch ihre eigenen verpflichtenden Beiträge ein niedrigeres verfügbares Einkommen haben.

Die KMU geraten dadurch sofort finanziell unter Druck, während die Beschäftigten kurzfristig weniger mit nach Hause nehmen. Langfristig ist das politische Ziel lobenswert: Ausweitung der sozialen Absicherung, Senkung der hohen Vorsorgesparquote Chinas und Ankurbelung des Binnenkonsums. Doch die kurzfristige Belastung könnte erheblich sein – insbesondere für den stets widerstandsfähigen, aber zunehmend unter Druck stehenden Privatsektor.

Wege zur Auffüllung der Staatskassen
Warum also kam dieses Urteil gerade jetzt? Fiskalische Zwänge sind ein entscheidender Treiber. Das Timing ist bemerkenswert. Parallel dazu kündigte China die Wiedereinführung der Mehrwertsteuer (MwSt.) auf Zinserträge aus Staats- und Finanzanleihen an und beendete damit eine jahrzehntelange Steuerbefreiung. Der dritte Pfeil in Chinas fiskalischem Vorstoss ist die strengere Durchsetzung der Besteuerung von Auslandseinkünften unter Nutzung des Common Reporting Standard (CRS). Seit dem Beitritt zum CRS im Jahr 2017 hat China Zugang zu Finanzdaten aus mehr als 100 Jurisdiktionen und kann so die gemeldeten Einkünfte umfassend gegenprüfen. Zahlreiche Festlandchinesen berichten von SMS und Anrufen der Steuerbehörden zu ihren Auslandsinvestitionen – das ist ein klares Zeichen, dass Peking dieses mächtige Instrument aktiv einsetzt. Die verschärfte Kontrolle beschränkt sich längst nicht mehr auf die Superreichen, sondern richtet sich zunehmend auch an die Mittelschicht.

Quelle: CEIC, Stand Juni 2025. Die oben dargestellte Grafik dient lediglich zur Veranschaulichung. Einige oder alle Informationen in dieser Grafik können veraltet sein und sollten daher nicht als Grundlage für den Kauf oder Verkauf von Wertpapieren dienen. Die Informationen stellen kein tatsächliches Portfolio dar. Informationen aus externen Quellen werden als korrekt angesehen, Loomis Sayles kann jedoch keine Gewähr für deren Richtigkeit übernehmen. Dieses Material darf ohne Genehmigung nicht kopiert, reproduziert oder weiterverbreitet werden.

Beobachtung der Auswirkungen auf den Privatsektor
Diese Reihe neuer Massnahmen signalisiert Pekings Absicht: die Einnahmebasis des Staates zu verbreitern, die Einhaltung der Vorschriften zu verschärfen und einen grösseren Teil der Finanzierung der sozialen Sicherung auf die Arbeitgeber – und damit den Privatsektor – zu verlagern. Die kommenden Jahre werden zeigen, wie weit diese Politik reicht und wer letztlich die Kosten trägt. Insgesamt besteht die Möglichkeit, dass Anleger die makroökonomischen Auswirkungen dieser Entwicklungen unterschätzen. KMU im Privatsektor könnten durch steigende Arbeitskosten erheblich unter Druck geraten, während der private Konsum durch ein schwächeres Wachstum des verfügbaren Einkommens gedämpft werden könnte.

Loomis Sayles

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