Grimaldi & Partners: Marktausblick Spätsommer 2022

Silvano Grimaldi, CEO Grimaldi & Partners. (Bild: zvg)

Zürich – Liegen an den Aktienmärkten die Tiefstände nach der kürzlichen Erholung hinter uns? Welche Kursbewegungen sind im Spätsommer 2022 zu erwarten? Können Anleger auf einen versöhnlichen Jahresausgang hoffen? Silvano Grimaldi, CEO der unabhängigen Vermögensverwaltung Grimaldi & Partners AG, gibt Antworten auf diese Fragen.

Nachrichtenfülle, Kapitalmärkte und Reaktionen der Anleger
Erfahrungsgemäss verleiten massive Kursverluste von Aktien und Anleihen viele Anleger zu spontanen Reaktionen in Bezug auf die Zusammensetzung ihrer Portfolios. Aber auch bei einem „Bond-Crash“ oder einem „Aktien-Bärenmarkt“ sollten Anleger vor einer Neustrukturierung ihrer Portfolios versuchen, zunächst einmal eine Reihe von entscheidungsrelevanten Fragen zu klären. Es ist deshalb zu beachten, welche der unaufhörlich eintreffenden und von den Kapitalmärkten laufend eingepreisten Informationen für längerfristig orientierte Anleger auch effektiv entscheidungsrelevant sind.

Geldpolitische Reaktionen auf die gestiegenen Teuerungsraten
Zweifellos gehen die in den vergangenen Monaten verzeichneten Kursrückgänge auf mehrere und sich unterschiedlich auswirkende Faktoren zurück. Neben dem Krieg in der Ukraine und den Auswirkungen der chinesischen Null-Covid-Politik auf das Wachstum der Weltwirtschaft prägen gegenwärtig vor allem die bereits erfolgten und noch zu erwartenden Reaktionen der Notenbanken auf die hohen Teuerungsraten die Entwicklungen auf den Kapitalmärkten. Mit Ausnahme der Bank of Japan haben alle grossen Notenbanken aufgrund der deutlich angestiegenen Teuerungsraten einen restriktiven Kurs eingeschlagen bzw. angekündigt.

Ist eine konjunkturelle Erholung der Weltwirtschaft in Sicht?
Zu den Schlüsselfaktoren für eine nachhaltige Erholung der Aktienkurse gehören mit Sicherheit – neben den Inflationserwartungen der Anleger – vor allem die Einschätzungen der zu erwartenden gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen.

Neben den USA kommen die quantitativ wichtigsten Wachstumsbeiträge für die Weltwirtschaft aus China. Die angekündigten Fiskalimpulse könnten zu einer Rückkehr der chinesischen Volkswirtschaft auf den von der Regierung zu Beginn des Jahres angestrebten Wachstumspfad führen.

In den USA stützen der private Konsum und die privaten Investitionen z.Zt. noch das gesamtwirtschaftliche Wachstum. Eine Rezession ist nicht zu befürchten, zumindest solange die Notenbank die Risiken stark und rasch steigender Leitzinssätze im Auge behält und sich auf ein „Soft Landing“ beschränkt. Die US-Notenbank wird zwar zunächst an weiteren Leitzinserhöhungen festhalten, um ihre Glaubwürdigkeit zu erhalten. Mit Blick auf die dann aktuelle konjunkturelle Entwicklung und insbesondere auf den Arbeitsmarkt wird sie aber spätestens im Herbst dieses Jahres eine Pause einlegen müssen.

Europäische Länder werden die wirtschaftlichen Auswirkungen der Ukrainekrise stärker zu spüren bekommen als die USA. In der Euro-Zone werden die hohen Preise für Energieträgerimporte vor allem den privaten Konsum beeinträchtigen. Die gesamtwirtschaftlichen Wachstumsraten werden deshalb praktisch in allen Ländern der Euro-Zone ebenfalls sukzessive zurückgehen.

Die Schweiz dürfte 2022, trotz der zu erwartenden weiteren Zinsschritte, eine BIP-Wachstumsrate von ca. 1.5 Prozent erreichen. Die Auswirkungen der Zinsschritte auf den späteren Konjunkturverlauf lassen sich noch nicht beziffern.

Anleihekurse: Ist der Tiefpunkt schon erreicht?
Die Kurse von Anleihen und Aktien widerspiegeln die gestiegenen Zinsen. Anleihen sind deshalb wieder etwas interessanter geworden, ohne sich aber wirklich zu lohnen.

Bei den Anleihekursen wird der Tiefpunkt allerdings erst erreicht werden, wenn sukzessiv geringer werdende Teuerungsraten und dadurch wieder sinkende Inflationserwartungen keine Erhöhungen der Leitzinssätze mehr erfordern.

Gewinnerwartungen und Aktienmärkte
Die steigenden Zinssätze und die konjunkturelle Eintrübung haben die Bewertung von Aktien zwar bereits wieder attraktiver gemacht. Nur ein langfristiger Anlagehorizont verspricht auch Erfolg. Geduld ist gefragt. Unternehmen mit starken Marktstellungen müssen keine Margeneinbussen befürchten. Diese Unternehmen werden aufgrund ihrer Produkte, Lieferfähigkeiten usw. weiterhin die für Dividendenzahlungen erforderlichen Gewinne erwirtschaften können und deshalb für Anleger interessant bleiben. Dividendenzahlungen sind und bleiben entscheidend für die Gesamtrendite eines Investments in Aktien. Präferiert werden sollten dabei Aktien aus den Bereichen Pharma, Medizintechnik, Spezialchemie und Luxusgüter. Selektives Investieren wird noch wichtiger werden als schon bisher. Investitionen in Fonds, die breite Aktienindizes abbilden, sollten möglichst nicht getätigt werden.

Fazit
Wie sich die Börsen in den kommenden Wochen entwickeln, hängt davon ab, ob eine starke Rezession ausbleibt, oder die Teuerungsraten schneller zurückgehen, als dies von den Marktteilnehmern gegenwärtig erwartet wird. Erst dann werden sich auch die Aktienkurse rasch und deutlich erholen. Längerfristig setzt sich auf den Aktienmärkten immer der Aufwärtstrend durch. Kursverluste, die ohnehin für die Aktienrenditen weniger entscheidend sind als Dividendenzahlungen, werden aufgeholt und die Anleger für ihre Geduld entschädigt. (Grimaldi & Partners/mc/ps)

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