Bern – Der Eigenmietwert sei eine ungerechte Steuer auf ein fiktives Einkommen. Zudem trage er dazu bei, Hypotheken langsam abzutragen. Ein bürgerliches Komitee wirbt mit dem Slogan «Ja zu fairen Steuern» für ein Ja zur Abschaffung des Eigenmietwerts am 28. September.
Abgestimmt wird allerdings über die Möglichkeit für Kantone, eine Zweitwohnungs-Steuer einzuführen. Der Eigenmietwert – eine Steuer für selbstbewohnte Häuser und Wohnungen – fällt aber nur, wenn diese Zweitwohnungssteuer die Abstimmung übersteht. Ein Komitee von SVP, FDP, Mitte-Partei und GLP wirbt für ein Ja.
«In keinem anderen Land»
Am Montag stellten die Befürworterinnen und Befürworter in Bern den Medien ihre Argumente vor. Die Vorlage gebe eine Zukunftsperspektive, sagte der Zürcher SVP-Nationalrat Gregor Rutz, Präsident des Hauseigentümerverbandes. Zwei von drei Mitgliedern im Verband seien Haus- und Wohnungsbesitzer, aber nicht Vermieter.
Der Eigenmietwert werde in den kommenden Jahren deutlich steigen, warnten Rutz und auch sein Freiburger Fraktionskollege Pierre-André Page. Denn die Kantone entschieden über die Höhe dieser Steuer. Für Häuschen, dessen Wert sich nicht verändere, könnte wegen eines kantonalen Entscheids plötzlich bezahlt werden müssen, sagte Rutz.
Der Eigenmietwert widerspreche dem Verfassungsauftrag, Wohneigentum zu fördern, fügte Daniela Schneeberger (FDP/BL), Nationalrätin und Vizepräsidentin des Schweizerischen Gewerbeverbandes, hinzu. Bei Pensionierten mit tiefem Einkommen, die die Schulden fürs Eigenheim häufig abbezahlt hätten, schlage die Steuer voll durch. «In keinem anderen Land gibt es eine solche Steuer.»
«Schulden tilgen wird heute bestraft»
Um die Belastung durch den Eigenmietwert abzufedern, dürfen Wohneigentümer heute Schuldzinsen und Kosten für Unterhaltsarbeiten von den Steuer abziehen. «Das hat einen paradoxen Effekt. Schulden zu machen, wird belohnt», gab Martin Bäumle (GLP/ZH) zu bedenken. Mit dem Wechsel werde nicht mehr bestraft, wer seine Schulden tilge.
Nicht alle Haus- und Wohnungsbesitzer hätten etwas von der Reform, sagte der Solothurner Ständerat Pirmin Bischof auf eine Journalistenfrage. «Ganz hoch Verschuldete werden nicht profitieren.»
Ohne Eigenmietwert können Schuldzinsen künftig nur noch beschränkt abgezogen werden. Wer das erste Eigenheim kauft, kann während zehn Jahren Schuldzinsen von den Steuern abziehen. «Für mich ist der Ersterwerber-Abzug ein zentrales Argument für ein Ja», sagte die Berner FDP-Stadträtin Simone Richner dazu.
«Gelebter Föderalismus»
Welche finanziellen Folgen der Systemwechsel haben wird, hängt vom Zinsniveau ab. In der aktuellen Situation rechnet der Bund mit 1,8 Milliarden Franken weniger Einnahmen für Bund, Kantone und Gemeinden. Das ändert aber, wenn die Zinsen steigen. Ab einem Hypothekarzinsniveau von etwa drei Prozent werden gemäss den Schätzungen Mehreinnahmen erwartet.
«Die Gegner warnen vor Steuerausfällen und erzählen damit weniger als die halbe Wahrheit», kritisierte Nationalrat Markus Ritter (Mitte/SG). Zunächst berücksichtige der Bund allfällige Erträge aus der neuen Zweitwohnungssteuer nicht. Die Grundstücksgewinnsteuer steige und fast alle Abzüge für Schuldzinsen und Unterhalt entfielen.
Besonders Tourismus-Kantone könnten mit dieser neuen Steuer für von den Eigentümern selbst genutzte Ferienwohnungen Einnahmeverluste wettmachen, sagte Ritter. Jeder Kanton könne über diese Steuer selber entscheiden, fügte Nationalrat Paolo Pamini (SVP/TI) an. «Das ist gelebter Föderalismus.»
Retuschierung der Tatsachen
Der Eigenmietwert wird nach Angaben des Ja-Komitees fälschlicherweise als Ausgleich zwischen Mieterinnen und Mietern – sie können die Mietkosten nicht von den Steuern absetzen – und Hauseigentümern bezeichnet. Was plausibel daherkomme, sei eine Retuschierung der Tatsachen.
Die Besteuerung des Eigenmietwerts begann im Ersten Weltkrieg. Dessen Auswirkungen auf die Bundesfinanzen sollten abgemildert werden. In späteren Krisen- und Kriegszeiten wurde die Steuer erneut erhoben, bevor sie 1958 auf Dauer eingeführt wurde.
Mehrere Anläufe, sie abzuschaffen, scheiterten bisher im Parlament oder an der Urne. Nun liege endlich eine gerechte und ausgewogene Reform auf dem Tisch, die im Interesse der gesamten Bevölkerung sei, sagte Ständerat Bischof. Im Parlament sei die Einsicht gereift, dass mit dem Eigenmietwert die Abzüge für Schulden und Unterhalt fallen müssten. (awp/mc/pg)