OBT: Fehlende Diversität und einseitige Perspektiven im Verwaltungsrat

(Foto: OBT)

St. Gallen – Unterschiedliche Hintergründe, Erfahrungen und Denkweisen ermöglichen fundierte Entscheidungen, fördern Innovation und stärken die strategische Ausrichtung eines Unternehmens. Der zweite von drei Artikeln unserer Miniserie zum Thema Verwaltungsrat (VR) beleuchtet die zentralen Herausforderungen, die durch eine unausgewogene Zusammensetzung im Verwaltungsrat entstehen, und zeigt auf, warum Diversität nicht nur ein gesellschaftliches, sondern vor allem ein wirtschaftliches Erfolgsmodell ist.

Was passieren kann, wenn die Vielfalt in einem Verwaltungsrat über Jahre auf der Strecke bleibt, zeigt das nachfolgende anonymisierte Beispiel exemplarisch: In einem grossen Konferenzraum tagt der Verwaltungsrat eines traditionsreichen Unternehmens. Die Mitglieder sitzen in vertrauter Runde, ihre Meinungen scheinen sich oft ohne viel Diskussion zu decken. Seit Jahren hat sich die Zusammensetzung des Gremiums kaum verändert – man kennt sich, spricht dieselbe Sprache, denkt in denselben Bahnen. Doch genau das ist das Problem.

Gefestigte Muster verhindern Innovation
Innovation? Sie blieb im geschilderten Fall oft auf der Strecke. Wer sollte neue Ideen einbringen, wenn alle ähnliche Hintergründe haben? Kritische Stimmen wurden selten laut, alternative Perspektiven nicht gehört. Es war ein Muster, das sich durch die Jahre gefestigt hatte: Ein Vorschlag wurde gemacht, die Köpfe nickten, die Entscheidung war gefällt. Gruppendenken, wie es im Lehrbuch steht.

Einseitigkeit führt zu Fehlentscheidungen und zu Vertrauensverlust
Mit dieser Einseitigkeit entstand eine weitere Gefahr: Fehlentscheidungen. Ohne konträre Ansichten, ohne unterschiedliche Erfahrungen fehlt der kritische Blick auf Risiken. Wer hätte ahnen können, dass der vermeintlich lukrative Markteintritt in ein neues Land an kulturellen Missverständnissen scheitern würde? Wer hätte gewarnt, dass ein langjähriger Geschäftspartner fragwürdige Praktiken verfolgte? Niemand. Denn die Stimmen, die hätten widersprechen können, waren nicht vertreten.

Doch nicht nur das Unternehmen selbst litt unter der Homogenität des Verwaltungsrats – auch die Kunden wurden nicht mehr wirklich verstanden. Die Bedürfnisse einer diversen, modernen Gesellschaft blieben unberücksichtigt. Entscheidungen wurden aus einer Perspektive getroffen, die nicht mehr repräsentativ war. Die Marke verlor an Relevanz, das Vertrauen schwand.

Fehlende Diversität wirkt verstaubt
Und dann war da noch die Aussenwirkung: Die Zeiten hatten sich geändert, und die Kunden, Mitarbeitenden und Stakeholder beobachteten sehr genau, wie der Verwaltungsrat zusammengesetzt war. Vielfalt auf Führungsebene war nicht nur eine ethische Frage, sondern ein Zeichen der Zeit. Doch während andere Unternehmen mit durchmischten Teams glänzten, galt dieser Verwaltungsrat als veraltet und nicht gewappnet für die aktuellen Herausforderungen.

Auch die Talentgewinnung wurde zur Herausforderung. Junge, qualifizierte Fachkräfte suchten nach Arbeitgebern, die Offenheit und Diversität lebten. Warum sollten sie sich für ein Unternehmen entscheiden, das in seiner Führungsebene aus der Zeit gefallen wirkte? Die besten Köpfe gingen zur Konkurrenz.

Es war eine schleichende Entwicklung, eine Verkettung von Versäumnissen. Doch der Verwaltungsrat erkannte diese – wenn auch spät. Der Wandel begann, als neue Stimmen in die Runde kamen und als Vielfalt nicht mehr als blosse Pflicht, sondern als Chance verstanden wurde. Erst dann konnte das Unternehmen sich neu erfinden, seine Strategie anpassen und sich wirklich für die Zukunft rüsten.

Diese Handlungsempfehlungen lassen sich daraus ableiten
Der Verwaltungsrat muss für sich klare Ziele zur Sicherstellung einer heterogenen Durchmischung (z.B. hinsichtlich Berufserfahrung, Persönlichkeit, Geschlecht, Alter, Erfahrung VR-Tätigkeit etc.) setzen. Bei der Rekrutierung von neuen Verwaltungsratsmitgliedern müssen daher oftmals neue Wege beschritten werden. Das Mindset bei der Suche sollte angepasst und wesentlich offener ausgerichtet werden.

Dazu reichen die traditionellen Netzwerke nicht mehr aus. Die Zusammenarbeit mit Executive-Search-Unternehmen oder digitale Vermittlungsplattformen können dabei unterstützen und wichtige Beiträge liefern. Um auch organisatorisch rollend eine angestrebte Durchmischung im Verwaltungsrat zu unterstützen, ist ein Rotationsprinzip zu überdenken. Damit wäre eine durch eine interne Regelung laufende Veränderung im Gremium sichergestellt.

Fazit
Ein Verwaltungsrat mit zu wenig Diversität oder einseitiger Perspektive läuft Gefahr, sich strategisch zu verzetteln, Marktchancen zu verpassen und schlechtere Entscheidungen zu treffen. Unternehmen profitieren von einer heterogenen Zusammensetzung, da unterschiedliche Sichtweisen, Erfahrungen und Kompetenzen zu fundierteren Entscheidungen und nachhaltigem Erfolg beitragen. Der Verwaltungsrat sollte sich als Vorreiter für Vielfalt und Heterogenität einsetzen. Nicht nur auf Stufe Verwaltungsrat, sondern im ganzen Unternehmen. (OBT/mc/ps)

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