Robert Jakobs Wirtschaftslupe: Am Rande der Schöpfung – KiPPPunkte in Deutschland (Teil 2)

Buchautor und Moneycab-Kolumnist Robert Jakob.

Von Robert Jakob

Vielleicht liegt es ja an der bedenklich nahen Vorweihnachtszeit, dass ich in Endzeitstimmung versinke. Aber geht es Ihnen nicht genauso – haben Sie nicht das Gefühl, das gerade alles auf der Welt aus dem Ruder läuft?

Trumpismus und Putinismus sind dabei nur die Spitze einer Bewegung hin zum Primitiven, zur gnadenlosen Vereinfachung. Alles wird über einen einfachen Kamm gebürstet. Beim Thema Leadership lässt sich das besonders gut verfolgen. Da wird ein so komplexes Zusammenspiel wie Charisma ersetzt durch Vulgarität. Schauen wir uns die Leitwölfe unserer Politbühnen an, so fällt keiner der mächtigsten Männer dieser Erde durch die jene charakterliche Stärke auf, die noch vor wenigen Jahren manche ihrer Vorgänger auszeichnete. Sie sind, gelinde gesagt, fade wie Haferschleim. Auch die Xis bis Erdogans dieser Welt bleiben intellektuelle und emotionale Langeweiler.

Wird man vielleicht woanders nach den wahren Führungsgrössen fündig? Nun, betrachten wie den Mittelbau – respektive die mittlere Etage der Macht – so wird rasch klar, dass auch dort grossartige Versprechen die Realität weit hinter sich lassen. Schlimmer noch: Symbolismus verdrängt Substanz. Das zeigt sich gerade exemplarisch an der neuen deutschen Bundesregierung. Die Wahlversprechen purzeln nun eins ums andere den Abgrund der Tagespolitik hinunter und werden entsorgt, wie die Deadlines der stolzen Bauvorhaben.

Und die Ehrlichkeit, nach der wir uns doch so sehr sehnen, wird mit vulgärem Benehmen verwechselt. Wenn ein Gerhard Schröder mit tiefer Raucherstimme den Altkanzler gibt, ist das für mich als Exildeutschen nur noch peinlich. Was in den politischen Diskussionen in Deutschland nervt, ist das Poltern statt Politisieren. Ein paar markige Worte ins Mikrofon sind den meisten mehr wert als kluge Argumente.

«Eine richtige Reformwut» verlangte Junge Union-Chef von seinem Kanzler Merz. So wuchtigem Sprech folgen dann nie Taten. Die guten deutschen TV-Moderatoren trifft keine Schuld. Sie machen die Politiker dingfest, so gute es geht. In Interviews und Talk-Runden fallen Sie den Schönrednern und Wahrheitsverdrehern aus Politik und Wirtschaft ins Wort und verhindern zumindest die allerschlimmsten Plattitüden.

Klotzen statt Klecken ist jetzt bar allen ökonomischen Verstandes in der deutschen Grossen Koalition angesagt. Der beschlossene Kernhaushalt sieht eine weitere Kreditaufnahme von 98 Milliarden Euro vor – acht Milliarden mehr noch als im ersten Entwurf der Bundesregierung vorgesehen. Hinzu gibt es Kredite aus Sondertöpfen für Infrastruktur und Bundeswehr. Da 58 Milliarden Euro im Rahmen des Artikels 109 als verteidigungs- und sicherheitsbezogene Ausgaben von der Schuldenregel des Grundgesetzes ausgenommen sind, liegt nach Angaben des Bundestags die «massgebliche Kreditaufnahme» nur bei rund 40 Milliarden Euro. Damit sei die Obergrenze der Schuldenregel von 0,35 Prozent des BIP exakt eingehalten werden, heisst es. Rechnet man zu den knapp 100 Milliarden Euro an neuen Krediten aus dem Kernhaushalt jene aus den Sondertöpfen für die Bundeswehr und die Infrastruktur hinzu, beläuft sich die Neuverschuldung im kommenden Jahr insgesamt aber auf mehr als 180 Milliarden. Rechenschieberei hin- oder her hat Deutschland wieder einmal die Verschuldungsregeln der Mastrichtverträge gebrochen. Man steht bei über 2,5 Billionen Euro Schulden und damit über 70 Prozent des seit langem stagnierenden Bruttoinlandprodukts.

Die erneute Absage der «Teileröffnung» des Neubaubahnhofs Stuttgart21 ist vor diesem Hintergrund keine gute Werbung für den deutschen Wirtschaftsstandort. Immer weniger wird für immer mehr Geld erreicht.


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(Bild: Ellert & Richter Verlag)
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