Robert Jakobs Wirtschaftslupe: Energy Stocks – Was für ein dummer Begriff

Buchautor und Moneycab-Kolumnist Robert Jakob.

Von Robert Jakob

Englisch als Sprache ist kurz und prägnant. Manche Begriffe führen aber in die Irre. Der Begriff „Energy“ beispielsweise. Dann nämlich, wenn er für Erdöl gebraucht wird.

BP, Royal Dutch, Exxon und Co. handeln demnach im englischsprachigen Raum mit „Energie“. Nichts könnte blauäugiger sein, denn es legt den Akzent auf einen einseitig verkürzten Teilbereich der grossen Multis, und das bei einer der wichtigsten Branchen der Weltwirtschaft.

Bis 1973 stieg die Fördermenge von Rohöl exponentiell. Dann kam die erste grosse Ölkrise. Der Ölexperte Marion King Hubbert sagte daraufhin das Ende des Erdölzeitalters vorher. Seit Jahrzehnten gingen die Funde von billigem, konventionellem Erdöl zurück. 1995 bereits sollte die Ölförderung daher rückläufig sein. Seit der grossen Ölkrise stieg sie aber weiter an. Zwar nur noch linear, aber das reichte zunächst, um die wachsende Nachfrage zu befriedigen. Hubberts Modellberechnungen hatten ein Quellen-Wachstum nicht mit einbezogen und neue Technologien sowie wirtschaftliche und politische Faktoren kaum berücksichtigt.

Peak Oil im Nimmerlein
Mittlerweile wurde das globale Erdölfördermaximum, der sogenannte „Peak Oil“ auf irgendwann nach hinten verschoben. Tatsache ist, dass die Ölförderung seit 2008 wieder erheblich steigt. Allein in den USA stieg sie seither um das Anderthalbfache. Ausgerechnet der Grossverbraucher Vereinigte Staaten von Amerika, einst mit nur einem Viertel eigener Förderung im Vergleich zum Eigenverbrauch Netto-Ölverbraucher Nummer eins, schaffte durch massives Erschliessen unkonventioneller neuer Erdölquellen die Wende. Aus Schiefern und Sanden wird zwar teureres, aber gewinnbringendes schwarzes Gold gewonnen, wenn der break-even etwa bei 60 USD liegt. Jetzt, da Russland sich am Boykott von Nord Stream 2 durch die USA mit Ölpreisdumping rächt, ist erst einmal Schluss mit der amerikanischen „Fracking“-Herrlichkeit.

Man mag über die Umweltfreundlichkeit neuer Fördertechniken denken, was man mag, Erdöl wird uns, leider zunehmend unter Raubbau an der Umwelt, noch einige Zeit lang erhalten bleiben. Aber auf lange Sicht wird Erdöl nicht die bedeutendste „Energie“-quelle sein. Zwei- und mehrrädrige Elektrofahrzeuge werden Diesel und Benzinern Marktanteile streitig machen, und bei der Gebäudeheizung ist die Substitution bereits in vollem Gange. Der strukturelle Wandel sorgt allmählich für einen veränderten Energiemix. Davon ist auch die Nachfrage nach Rohöl betroffen. Die Preise waren gerade auf das tiefste Niveau seit 18 Jahren gefallen.

Erdöl ist geil
Gut so, denn bei all der Diskussion um Energiewende und Luftverschmutzung geht vergessen, wie wichtig Erdöl als Rohstoff für die chemische Industrie ist. Man kann mit ihm nicht nur Auto fahren und Flugzeug fliegen, sondern auch die dazu passenden Strassen und Rollbahnen bauen. Bitumen ist eines der bedeutendsten Erdölprodukte. Daraus wird der Baustoff Asphalt hergestellt. Aus petrochemischen Substanzen lassen sich auch Plastikeimer, Kunstofffolien und Damenstrümpfe produzieren. Die Kohlenwasserstoffe, die sich in den Erdöllagerstätten in Millionen Jahren gebildet haben, sind viel zu wertvoll, um sie in die Luft zu knallen.

Langfristig orientierte Anleger legen sich daher auch weiterhin Erdölaktien zu. Firmen wie Shell (Royal Dutch), BP (British Petroleum), Total oder Eni werden auch in Zukunft für eine funktionierende Wirtschaft unerlässlich sein. An der Börse gibt es deren Aktien in nächster Zeit weiter zu Schnäppchenpreisen. Der strukturelle Wandel sorgt allmählich für einen veränderten Energiemix. Davon ist auch die Nachfrage nach Rohöl betroffen. Die Preise sind gerade auf das tiefste Niveau seit 18 Jahren gefallen. Das Ende der „Energy Stocks“ ist eingeläutet, aber bei Weitem nicht das Ende der Erdölaktien.


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