Robert Jakobs Wirtschaftslupe: Im Einkauf liegt der Gewinn

Moneycab-Kolumnist Robert Jakob ist in Besitz eines «echten Hodlers», zumindest in philatelistischer Hinsicht.

Von Robert Jakob

Ich hatte einmal das Vergnügen, bei einer sehr edlen alten Dame zur Untermiete zu wohnen. Es gehörte dazu, sich anständig zu benehmen. Einmal pro Woche lud sie mich zum Sherry ein. Als ich so bei ihr auf dem Sofa sass, schwenkte mein Blick auf die gegenüberliegende Wand. Da hing was.

Perplex schoss es mir aus dem vorlauten Mund: «Aber Frau Borst, Sie haben da ja einen echten Hodler!». Sie war mit der Brau-Dynastie Hürlimann verwandt und mochte es nicht, wenn man Sie für wohlhabend hielt. Daher entgegnete die vornehme Frau bescheiden: «Ach wissen Sie. Damals, als ich den gekauft hatte, war er noch erschwinglich». Da ich selbst über vielerlei Ecken mit einer grossen deutschen Brauerfamilie verwandt bin und darum ebenfalls blaues Kaufmannsblut in meinen Adern fliesst, bewunderte ich ihren Weitblick. Im Einkauf liegt bekanntlich der Gewinn. Heute wäre die von Ferdinand Hodler geschaffene Alpenlandschaft unerschwinglich.

Plattgedrückter Papagei als Killer
Als Kind begann ich, wie viele meiner Freunde damals, mit dem Sammeln von Briefmarken. Viel Geld benötigte ich dafür nicht. Mein Hobby finanzierte sich ganz archaisch durch Tauschgeschäfte. Auch das ist eine Form der Wirtschaft. Es gelang mir, die bundesdeutschen Briefmarken bis Anfang der 70er Jahre komplett zusammenzutragen. Als Jugendlicher hörte ich auf, weil die Marken plötzlich anfingen, künstlerisch betrachtet geradezu extrem hässlich zu werden und es ausserdem schönere Dinge auf der Welt in diesem Alter gab. Ein Bekannter Sammler bezeichnete denn auch den Skispringer, der stilisiert auf dem Olympiablock 1972 verewigt wurde, als Bildnis eines plattgedrückten Papageis.

Ein halbes Leben später muss ich mit Schrecken feststellen, dass meine Briefmarkensammlung, wie viele Vermögenswerte, gewaltigen Schwankungen unterworfen war. Noch in den 60er und 70er Jahren galt die Briefmarke als «Aktie des kleinen Mannes». Ja es wurde sogar damit spekuliert. Um die Jahrtausendwende folgte ein umso dramatischerer Absturz. Nicht so schnell, wie gerade beim Bitcoin, aber dafür um so nachhaltiger. Die Briefmarkensammler starben schlicht langsam aus. Und wo kein Käufer, da ist kein guter Preis.

Die Sammlung, die ich ein halbes Jahrhundert nicht mehr angeschaut hatte, war von einem Hoch bei 2000 Euro auf 200 Euro zusammengeschmolzen wie die Gummierung an der Zunge. Ich wollte meine Sammlung eigentlich als kostbares Gut vererben. Kostbar ist jetzt eine Beschönigung. Aber als Contrarian Investor hat mich plötzlich wieder das Sammelfieber gepackt. Briefmarken, vor allem die alten, sind kleine Kunstwerke. Im Buchdruck, Prägedruck, Steindruck, Stichtief- und Offset-Druck wurden wahre Meisterstücke erschaffen, bis hin zu Briefmarken in Schokoladeform, die beim daran reiben einen betörenden Duft entfalten.

Tief gefallen, hoch geboten
Heute kann ich auch problemlos die teureren, ganz seltenen Stücke kaufen. Neulich gelang mir ein extremes Schnäppchen. Da auf Ricardo viele Angebote zu einem Franken beginnen, in der Hoffnung des Anbieters, dass alle hereingestürzt kommen, was dann tatsächlich zu einer Verhundertfachung des Startpreises führen kann, bot ich auf einen besonders schönen und im Katalogwert zu 600 Franken taxierten Briefmarkenbogen.

Ich vergass mein Startgebot für eine Woche. Dann kam die Nachricht. Auktion gewonnen! Bitte bezahle: PRO PATRIA.

Nun gut, für die Heimat tue ich fast alles. Seither bin ich stolzer Besitzer eines echten Hodlers. Über den Preis breite ich den Mantel des Schweigens. Aber wir wissen es ja: Im Einkauf liegt der Gewinn.


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(Bild: Ellert & Richter Verlag)
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