Robert Jakobs Wirtschaftslupe: Lob des Ökihofs

Ort nicht nur für Abfälle, sondern auch für die Kommunikation zwischen Bürgerinnen und Bürgern: Ökihof in der Wohngemeinde unseres Autors, Unterägeri. (Foto: Gemeinde Unterägeri)

Von Robert Jakob

Während in Deutschland Müllentsorgung eine notwendige, aber leider auch aufwendige Verrichtung wurde, entwickelte sie sich in der Schweiz zu einem Bürgertreff. Zu verdanken haben wir es den Ökihöfen.

Diese sind wahre Hochöfen der Kommunikation (zumindest in meiner Heimatgemeinde). Brennende Themen können dort unter Bürgerinnen und Bürgern diskutiert werden. Dafür sorgen ausreichend Parkplätze. Daher wird dort oft mehr als der neuste Tratsch ausgetauscht.

Klöns(ch)nack
Oft ergeben sich tiefgreifende politische und moralische Diskussionen. Ja es driftet sogar ins Literarische ab, denn im Zentrum steht die Büchertonne, zwei riesige Recycling-Becken für gedruckte Werke. Ich wühle gerne darin herum, auf der Suche nach Inspirationen. Peinlich ist es mir nur, wenn ich darin mich selbst wiederfinde, nicht kopfüber in der Tonne wie manche Kinder, sondern in gedruckter Form. Denn auch meine Werke werden nicht nur verkauft, sondern auch «weggerührt». Wenn sie sauber sind (damit meine ich nicht den Inhalt) verkaufe ich sie wieder (das gilt selbstverständlich auch für Bestellungen im Anschluss an diese schöne Kolumne, darauf gebe ich mein Ehrenwort).

Verrückt, was die Leute alles unachtsam wegschmeissen. Ich fand neben Geldscheinen auch schon ein komplettes Jahrbuch mit frankaturgültigen Briefmarken von über sechzig Franken.

Beim Elektroschrott direkt neben der berühmten Büchertonne findet ebenfalls ein reger Austausch statt, und zwar von noch funktionierenden alten Geräten und Ersatzteilen. Oft treffen sich Entsorger und Besorger zufällig gleichzeitig beim Objekt der Handänderung und beraten sich dabei fachtechnisch. In der Schweiz sind Müllsammelstellen also nicht nur fürs Entsorgen von Alteisen, Glas, Bauschutt, Aluminium, Papier und Karton da, sondern auch soziale Treffpunkte.

Die MüllkiPPe
Deutschland kann da noch zulegen. Viele der Sammelstellen sind lieblos hingeklatschte Container-Siedlungen, bei denen es ganz untypisch für Deutschland nicht nur am Aufpasser mangelt, sondern auch an Ordnung. Da liegen teils Massen von Abfall über, ober- oder unterhalb der eigentlichen Zielschlitze oder -löcher herum, als hätte ein Zielwerfen unbegabter Hobbysportler stattgefunden.

Es lässt sich nicht wegdiskutieren, dass die Schweizer disziplinierter beim Mülltrennen sind. Es wird wenig bis gar nichts unachtsam weggeworfen. Entsprechend hoch sind die Sammelquoten. Noch besser sieht es im internationalen Vergleich beim Recycling aus. Denn oft wird in so manchem Land gesammelt, aber dann doch verbrannt oder gar deponiert, weil die technischen Aufbereitungskapazitäten fehlen. Unvergessen ist mir heute noch der Aufschrei in der deutschen Öffentlichkeit als das Trennmüllsystem eingeführt wurde, mit allerlei verschiedenen Abfalltonnen pro Haushalt, und dann peinlicherweise herauskam, dass die getrennten Abfälle wegen logistischer Überlastung doch wieder zusammengerührt wurden.

Die Schweiz hingegen hatte die technischen Möglichkeiten besser durchgeplant und erreicht damit bei einer durchschnittlichen Sammelquote von über 75 Prozent eine Recyclingquote von deutlich über 50% für Siedlungsabfälle. Unterstützt durch die Einführung der Kehrrichtsackgebühr hat sich die getrennte und gesammelte Abfallmenge in der Schweiz in den letzten dreissig Jahren pro Kopf verdoppelt. Dazu hat auch die gute Organisation der Werkhöfe beigetragen.

Kinderlächeln am Altglas-Schredder
Besonders beliebt in meiner Heimatgemeinde Unterägeri sind die niederschwelligen Altglascontainer für Kinder. Darin werden nicht die Kids entsorgt, sondern selbige dürfen die Flaschen auf ihrer eigenen Augenhöhe durch die Rohre jagen, auf dass sie plumpsen und mit lautem Knall zerdeppern mögen. Das macht Spass.

So findet jeder sein Glück und der kurze Familienausflug am Samstagmorgen zum Ökihof wird zum sozialen Anlass, auf dass es die Umwelt uns danke.

Dass man es auch falsch machen kann, bewies mir neulich die Zürcher Gemeinde Adliswil an einem Freitagnachmittag. Dort versehentlich gelandet, wollte ich unterwegs Altkarton umweltbewusst entsorgen. Glücklicherweise fragte ich vorderhand nach den Spielregeln und bekam zur Antwort, dass unabhängig von der entsorgten Siedlungsabfallmenge ein Eintritt von fünf Franken fällig sei. Ich wähnte mich im Vergnügungspark und verlangte eine Erklärung. «Wir sind nicht so reich wie die Zuger und müssen unseren Werkhof irgendwie finanzieren» hiess es. Die Eintrittsgebühr betraf im Übrigen nicht nur «Mülltouristen» wie mich, sondern auch Einheimische. In Abwandlung der Devise «all you can eat» darf man so viel Müll wegrühren, wie auf einmal ins Auto oder aufs Lastenfahrrad passt.

Ich verliess diesen Ort des Grauens, nahm meine 100 Gramm Karton wieder mit nach Hause und freute mich auf den morgigen Samstag, mit Kinderlächeln, Containerbibliothek und Klönsnack (Norddeutsch für zwangloses Geplaudere) im heimischen Werkhof.


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(Bild: Ellert & Richter Verlag)
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