Robert Jakobs Wirtschaftslupe: Mir stinkt’s

Unser Kolumnist Robert Jakob fürchtet sich am Gleitschirm weniger davor, dass ihm der Himmel auf den Kopf fällt, sondern vielmehr in einem von Gülle durchtränkten Feld zu landen.

Von Robert Jakob

Vor zwölf Uhr bin ich im Frühling und Frühsommer nicht in der frischen Luft. Meinem Flughobby gehe ich aus pragmatischen Gründen erst nach, wenn draussen alles trocken ist. Denn seit drei Jahrzehnten sind unsere Flüsse und Seen zwar sauberer geworden, dafür aber müffeln unsere Felder umso mehr. Und nichts ist unangenehmer, als mit einer 25 Quadratmeter grossen fliegenden Matratze in feuchter Sch… zu landen.

Durch die Haltung von Nutztieren entstehen Gülle (österreichisch: die Suppen) und Mist (die Bröckli). Klassischerweise wird diese Form der Biomasse als Dünger auf die Felder ausgebracht, wobei unkontrolliert Sumpfgas (Methan) freigesetzt wird. Das ist nicht gut für die Umwelt, denn Methan ist rund dreissigmal klimaschädlicher als CO2 (siehe Kasten). Daher schreibt der Gesetzgeber ab einer bestimmten Grösse und Flachheit des Ackerlandes die Verwendung von Schleppschläuchen vor, damit das Sumpfgas nicht schon gleich grosswolkig in die Luft geschleudert wird.

Methan versus Kohlendioxid = Birnen gegen Äpfel
Methan hat einen sehr grossen Treibhauseffekt und wirkt kurzfristig klimaschädlicher als CO2. Die negativen Auswirkungen von Kohlendioxid sind aber sehr viel länger wirksam. Während Methan in der Atmosphäre relativ schnell abgebaut wird und die Emissionen schon nach 20 Jahren rasch verschwinden, ist CO2 auch nach weit über 100 Jahren wirksam. Im Moment erfolgt der Vergleich zwischen beiden Gasen meist auf Basis eines 100-Jahreszeitraums. Ergebnis: Die Klimawirksamkeit (GWP – Global Warming Potential) von Methan ist etwa 30x so hoch wie die von Kohlendioxid. Wird eine Tonne Methan freigesetzt, entspricht das also rund 30 Tonnen CO2-Äquivalenten. Würde man einen 20-Jahreszeitraum (GWP20) als Vergleichsmassstab wählen, wäre Methan sogar mehr als 80x so klimaschädlich wie CO2.

In Deutschland gab es bereits Anträge, den Güllegeruch als typische Landluft zum Kulturgut zu erklären. Aber halten wir mal die Nase lieber zu und den Kopf hoch und rechnen:

Ein Fünftel des vom Menschen direkt oder indirekt erzeugten Methans stammt aus Abfall, vor allem durch organische Stoffe auf Müllhalden und ungenügender Abwasser-Behandlung, ein Drittel durch die Förderung fossiler Brennstoffe und mehr als 40 Prozent aus der Landwirtschaft (30 Prozent durch Viehhaltung und knapp 10 Prozent beim Reisanbau).

Klimakiller Kuh?
Zu Recht hebt der Bauernverband hervor, dass die Kuh in der Schweiz kein Klimakiller ist. Trotz höherer Viehbestände und Erträge konnten die Emissionen in den letzten dreissig Jahren sogar gesenkt werden. Futtermittelzusätzen und produktiveren Milchkühen sei’s verdankt. Und natürlich lässt sich auch etwas von dem natürlichen Dünger in Biogasanlagen umnutzen. Allerdings ist die Schweiz mit ihren 1,5 Millionen Rindviechern «erdweit» nicht matchentscheidend.

Indien = Rindien
In Indien kommt nämlich auf knapp vier Einwohner ein Rind. Und Brasilien hat mehr Rindviecher als Einwohner. Diese zusammengezählt halbe Milliarde Boviden (bos, bovis = lat. das Rind) produzieren wiederkäuend und sch… rund 50 Millionen Tonnen Methan pro Jahr. Bei so vielen in beiden Flächenstaaten frei herumrennenden Rindern dürfte es schwierig werden, eine Biogasanlage zu betreiben, um das Methan wieder einzufangen.

Da scheint es mir schon einfacher, bei der Förderung von Kohlenwasserstoffen aufzupassen. Viel zu viel feines brauchbares Methan verpufft ungenutzt in der Atmosphäre beim Buddeln nach Erdöl, Erdgas und Kohle. Hier liesse sich eine Produktionslücke schliessen, die sogar noch durch Rückgewinnung des flüchtigen Gases bares Geld abwirft.

Zu Beginn des Erdölbooms im mittleren Osten wurde das Begleitgas meist gedankenlos abgefackelt, weil sich seine Aufbereitung nicht lohnte. Länder wie Norwegen verdanken dem mittlerweile teuer gewordenen Erdgas ihren Reichtum.

Doch immer noch wird punktuell gesündigt. In den grossen Förderstätten der USA wird weniger hochwertiges Gas weiterhin abgefackelt. Das geschieht manchmal aus Sicherheitsgründen, um drohenden Überdruck in den Förderlöchern zu vermeiden. Aber in Ölfeldern wird das als Beiprodukt auftretende Erdgas oft auch routinemäßig weggebrannt, weil sich Weiterverarbeitung und Abtransport nicht lohnen. Dabei kommt es meist zu unvollständigen Verbrennungsreaktionen und in der Folge wird viel zu viel klimaaktives Methan (Nature, Band 627, S.328–334 (2024)) freigesetzt. Solche Anlagen verbrennen im Schnitt nur 91 Prozent des Methans zu Kohlendioxid und einige setzen das potente Treibhausgas sogar ganz ohne Verbrennung frei. Allein in den USA wird dadurch fünfmal mehr Methan über das Abfackeln freigesetzt als offiziell berechnet, wie das andere weltberühmte Forschungsmagazin, „Science“, berichtet. Global werden nach Angaben der Weltbank pro Jahr mehr als 140 Milliarden Kubikmeter Methan verbrannt, wozu auch Russland im Verborgenen einen erheblichen Anteil beiträgt.

Zur Ehrenrettung der Amerikaner muss gesagt werden, dass deren Fracking-Industrie nicht für den historischen Anstieg von Methan-Emissionen im neuen Jahrtausend verantwortlich ist. Es haben nämlich C13-Isotopen-Messungen der US-Nationalen Atmosphären- und Ozeanbehörde NOAA gezeigt, dass der überwiegende Teil biogenen Ursprungs ist. Der Anteil des rein mikrobiellen Methans in der Atmosphäre hat gemäss einer Publikation in der Zeitschrift «Proceedings of the National Academy of Sciences» auf mehr als 90 Prozent rasant zugenommen.

Global Methan Pledge (GMP)
Um den Anstieg der Methanemissionen zu stoppen, haben sich seit der Glasgower Klimakonferenz rund 150 Staaten dem sogenannten Global Methan Pledge angeschlossen – darunter auch die Vereinigten Staaten, Japan und die EU, nicht aber Russland, Indien oder China (die RICH-Countries).

Ziel der Unterzeichnerstaaten ist es, ihre Methanemissionen bis 2030 um 30 Prozent zu senken, was recht schnell eine Verringerung der globalen Erwärmung um 0,2 Grad Celsius bis zum Jahr 2050 bringen soll. Das wäre immerhin mehr als ein Tropfen auf den heissen Stein. Die Schweiz und selbst Deutschland brauchen dazu nicht einmal ihre Kühe Not zu schlachten.


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(Bild: Ellert & Richter Verlag)
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