SGKB investment views: Die Zentralbanken sind nicht die Geiseln der Finanzminister

Thomas Stucki, Chief Investment Officer bei der St.Galler Kantonalbank. (Foto: SGKB)

Die Fed hat letzte Woche angetönt, dass sie mit Zinserhöhungen früher beginnen könnte als bisher angedacht. Gemäss ihrem Fahrplan werden die ersten Zinsschritte 2023 erfolgen. Seitens der EZB und Nationalbank herrscht bezüglich Zinsen nach wie vor Funkstille. Die EZB sucht immer noch nach Anleihen, die sie kaufen kann und die Händler der SNB sitzen am Devisen-Desk. Seit mehr als zehn Jahren befinden sich die Leitzinsen in den wichtigsten Industrieländern bei Null oder gar im negativen Bereich.

Den Versuch, dem Geld wieder einen positiven Zinswert zu geben, gab es nur in den USA und dieser wurde zu Beginn der Corona-Pandemie abrupt abgebrochen. Gleichzeitig gaben die Finanzminister das Geld, das sie nicht haben, mit vollen Händen aus. Häufig hört man daher die Meinung, dass die Zentralbanken ihre Zinsen gar nicht mehr erhöhen wollen oder können, weil sie dadurch die hoch verschuldeten Staaten in den finanziellen Ruin treiben. Diese Aussage hält dem Realitätscheck nicht stand.

Die Zentralbanken werden nicht zögern, ihre Zinsen anzuheben, wenn sie Gefahr laufen, die Kontrolle über die Inflation und die Inflationserwartungen zu verlieren. Solange sie das Gefühl haben, dass dies nicht der Fall ist, werden sie eher länger warten, bis sie ihre Geldpolitik restriktiver gestalten. Sie wollen aber nicht in die Situation kommen, in der sie die Zinsen schnell und stark erhöhen müssen, um die Inflationsentwicklung wieder in den Griff zu bekommen. Die Fed wird wie üblich mit Zinserhöhungen beginnen. Die EZB und die SNB werden folgen, um nicht wie nach der Finanzkrise 2008 den richtigen Moment im Konjunkturzyklus zu verpassen.

Kaum Staatspleiten wegen Zinserhöhung
Höhere Leitzinsen führen zu höheren Kapitalmarktzinsen und damit zu höheren Zinsausgaben der Staaten. Dennoch ist nicht mit einer Häufung von Staatspleiten zu rechnen. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Zum einen werden sich die höheren Zinsen erst mit einer Verzögerung auf die Zinszahlungen auswirken. Die Finanzminister haben die Gunst der tiefen Zinsen genutzt, eher langlaufende Anleihen zu emittieren und damit die tiefen Zinsen anzubinden. Die Zinsausgaben steigen dadurch erst, wenn diese Anleihen verfallen und durch neue Obligationen mit einem höheren Coupon ersetzt werden müssen. Zum anderen werden die Zentralbanken die Zinsen dann anheben, wenn die Wirtschaft gut läuft oder die Inflationsraten dauerhaft höher sind. In beiden Fällen herrscht ein Umfeld, in dem die Steuererträge der Staaten überproportional zunehmen. Es wird für sie daher nicht so schwierig sein, die höheren Zinsausgaben zu finanzieren.

Das wichtigste Argument ist aber, dass die Leitzinsen für die Zinsbelastung der finanzschwächeren und höher verschuldeten Staaten nicht die entscheidende Grösse sind. Ihre Zinsbelasten wird viel stärker durch das Vertrauen der Anleger und damit verbunden durch die verlangten Kreditrisikoprämien bestimmt. Wenn wie in der Eurokrise die Zinsdifferenz der italienischen Anleihen zu den deutschen Anleihen innert Monaten von 1% auf mehr als 5% ansteigt, ist das für die Zahlungsfähigkeit Italiens viel gefährlicher als wenn die EZB ihren Leitzins um 0.5% oder 1% anhebt.

Wachsamkeit der Zentralbanken
Die Zentralbanken tun gut daran, die Zinsen rechtzeitig anzuheben, wenn das wirtschaftliche Umfeld dies möglich und nötig macht. Damit helfen sie den Finanzministern mehr als wenn sie zu lange zögern. In diesem Fall laufen sie Gefahr, dass die Inflationserwartungen zu stark steigen und dadurch die Zinsen der Anleihen mit längeren Laufzeiten zu stark steigen. Zudem ist es wichtig, dass die Wahrnehmung am Kapitalmarkt, ob sie nun richtig oder falsch ist sei dahingestellt, dass die Zentralbanken den Staaten immer zu Hilfe eilen, verschwindet. Das wird nicht einfach sein. Die Kommunikation und die Umsetzung einer klaren und unabhängigen Geldpolitik ist das beste Mittel dazu. (SGKB/mc)

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