Swissprivate AG: Finanzbranche – EU-Frage als grösste Herausforderung

Jürg Kallay, CEO Swissprivate AG (Bild: Swissprivate)

Von Dr. Jürg Kallay, CEO, Swissprivate AG

Lange Zeit konnte sich die Finanzbranche vom politischen Geschehen in der Schweiz abkoppeln. Spätestens nach der Finanzkrise 2008/09 jedoch begann die eidgenössische Regulierung die Landschaft umzupflügen. Mittlerweile ist jedermann in irgendeiner Weise davon betroffen. Nun kommt aber die grösste Herausforderung auf uns zu: die «EU-Frage» in Form der neuen Rahmenverträge. Und nur wenn die Vorlage an der Urne abgelehnt wird, machen wir uns unseren wichtigsten, europäischen Wettbewerbsvorteil nicht selbst kaputt.

Kennen wir die Ausgangslage präzis?
Niemand wird die fast 2000 Seiten Text selber lesen. Das wage ich zu behaupten, weil selbst Fachleute nur selten einen solch riesengrossen Aufwand betreiben. Also bleibt den Wahlberechtigten nichts anderes übrig, als sich auf diejenigen zu verlassen, denen wir trauen und deren Expertise wir schätzen. Das ist zugegebenermassen eine Schwachstelle, aber damit müssen alle Parteien gleichermassen leben.

Worum es im Wesentlichen geht
Ich beziehe mich nicht auf die vielen Details, welche das eine oder andere Thema regeln. Diese kann man je nach persönlicher – und vor allem beruflicher – Präferenz unterschiedlich sehen. Nein, es geht ums Grundsätzliche in diesen Verträgen. Und das ist nichts weniger als die Aufgabe der politischen Selbständigkeit unseres Landes in einigen wenigen, aber wichtigen Bereichen. Die Fremdbestimmung durch die EU und deren Institutionen bzw. Gerichte steht in diametralem Gegensatz zur DNA unseres Landes. Wir Schweizer sagen selbst, was wir wollen und was nicht. Aus Prinzip und natürlich demokratisch abgestützt.

Die Vorlage schadet
Im Finanzbereich kommen die meisten Kunden aus dem europäischen Ausland deshalb in die Schweiz, weil sie bewusst ihr Geld nicht in der EU lassen wollen. Seit Jahren hat dies nichts mehr mit Steuerflucht zu tun, sondern mit dem verbreiteten Misstrauen in die eigenen Institutionen, die eigene Währung und neuerdings immer mehr auch mit Themen der steigenden Staatsverschuldung, die wohl nie mehr in nachhaltig verkraftbare Bereiche zurückzuführen ist. Wenn diese Kunden nun den Eindruck erhalten, dass die EU bei uns «durchgreifen» kann, werden sie sich vermehrt auch andere Standorte wie Dubai und Singapur anschauen. Wir alle hier im Schweizer Finanzsektor werden garantiert Geschäfte verlieren.

Erste Schäden sind bereits angerichtet
Die Erbschaftssteuer-Initiative, über welche wir Ende November abstimmen, hat im In- und Ausland bereits erste deutliche Spuren hinterlassen. Vermögende EU-Bürger sind kurz nach Zuzug in die Schweiz davon überrascht worden, Neuzuzüger warten verständlicherweise ab. Auf jeden Fall wurde mit dieser Initiative kein Vertrauen aufgebaut, sondern eher zerstört. Die meisten Europäer sehen die Schweiz nämlich immer noch als traditionell zuverlässig in Sachen politischer Stabilität und mit einem akzeptablem Steuersatz für Vermögende. Gerade das Beispiel Norwegens zeigt, wie wahr und aktuell diese Aussage ist.

Fertig lustig
Nach Jahrzehnten des mehr oder weniger sorglosen Geldverdienens mit Vermögensverwaltungs-Dienstleistungen im weitesten Sinne gilt es nun, das nach wie vor vorhandene Privileg dieser spannenden und für die Schweiz wichtigen Tätigkeit zu schützen. Einfach beim Lunch mit Kollegen darüber zu wettern, was hierzulande alles schiefläuft, genügt nicht mehr. Es gibt in der Schweiz leider immer mehr Gegner der Finanzbranche, die nichts lieber sähen als deren Untergang – ohne sich auch nur im Entferntesten über die Konsequenzen für das ganze Land im Klaren zu sein. Nun gilt es wirklich ernst.

Fazit: was tun?
Diskutieren Sie mit Leuten aus Ihrem Umfeld (das beginnt am Familientisch) und erklären Sie Ihnen, warum ein Kunde aus dem Ausland überhaupt in die Schweiz kommt, was er hier sucht, und wie wir alle davon profitieren. Schreiben Sie einmal einen Leserbrief oder einen Gastkommentar in Ihrer Regionalzeitung oder posten Sie etwas auf den Sozialen Netzwerken. Unterstützen Sie Parteien und Vereinigungen, welche sich gegen die Rahmenverträge einsetzen (z.B. Autonomiesuisse). Und last but not least informieren Sie sich kontinuierlich über die Verträge selbst, wenn dazu Gelegenheit besteht. Denn es geht um sehr viel (wenn nicht gar um alles), was wir seit dem zweiten Weltkrieg in der Schweiz aufgebaut haben!

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