Aberdeen: Warum jetzt (wirklich) die Zeit für Schwellenländer und Asien gekommen ist

Alex Smith, Head of Equities Investment Specialists – Asia Pacific, Aberdeen. (Foto: zvg)

Der Dollar ist gefallen, die Investitionsausgaben sind gestiegen und die Binnennachfrage nimmt zu. Warum Schwellenländer und Asien wieder im Fokus stehen – und warum dies erst der Anfang ist.

von Alex Smith, Head of Equities Investment Specialists – Asia Pacific, Aberdeen

Der Marktkonsens wurde in der ersten Hälfte des Jahres 2025 erschüttert. Was mit einer Fortsetzung des US-amerikanischen Exzeptionalismus begann, hat die drei Säulen der systemischen Kapitalüberlegenheit der USA in Frage gestellt: politische und institutionelle Stabilität, Freihandel und die Dominanz des Dollars. Chinas Deepseek-Durchbruch zeigte, dass auch andere Nationen als die USA an der Revolution der künstlichen Intelligenz (KI) teilhaben können.

Es ist 14 Jahre her, dass das Vertrauen in Schwellenländer und Asien so hoch war. Wir haben schon seit langem auf die gesünderen mikro- und makroökonomischen Rahmenbedingungen in den Schwellenländern hingewiesen. Aber Trumps Politik könnte endlich die breitere Anlegergemeinschaft zu dieser Ansicht bewegen. Wir gehen davon aus, dass Anleger beginnen werden, ihre Portfolios neu auszurichten, ihr Engagement in den USA zu reduzieren und zu überdenken, was als „sicherer Hafen” gilt. Wir stehen erst am Anfang. Die Finanzkraft der Schwellenländer und Asiens spiegelt sich noch nicht in den Kundenportfolios wider.

Vom „Tariff Man” zum „Taco Man” zum Mann, der den Dollar getötet hat?
Alles begann mit dem „Befreiungstag” (Liberation Day). Die breit angelegten Zölle von 10 % in Verbindung mit sektorspezifischen Massnahmen verunsicherten zunächst die Märkte. Die Gewohnheit der Regierung, extreme Positionen wieder zurückzunehmen, führte jedoch zum sogenannten „TACO”-Handel –Trump Always Chickens Out (Trump kneift immer).

Jetzt, da Elon Musk das Weisse Haus verlassen hat und kein klarer Plan zur Defizitbekämpfung in Sicht ist, wird der „Big Beautiful Bill“ die Haushaltslücke weiter vergrössern. Das könnte zu verstärkten Absicherungsgeschäften, Kapitalumschichtungen und höheren Finanzierungskosten führen. Das rollierende 12-Monats-Haushaltsdefizit der USA hat mit 1,9 Billionen Dollar einen historischen Höchststand erreicht.

Vor Trumps Ankündigung der Zölle deutete der Konsens auf einen stärkeren Dollar hin. Stattdessen kam es zu einer scharfen Kehrtwende an den Märkten: Aktien, Anleihen und der Greenback fielen – Trumps „Liz Truss”-Moment. Die Dollarschwäche ist nun die vorherrschende Meinung, angetrieben durch innenpolitische Unsicherheit, steigende Schuldenprobleme und überhöhte Aktienbewertungen. Für die Schwellenländer sind das gute Nachrichten.

Da so viele US-Vermögenswerte im Besitz ausländischer Investoren sind, bleibt der Dollar der wichtigste Treiber für die Vermögenspreise in den Schwellenländern. Sein Rückgang könnte das Ende der 14-jährigen Underperformance der Schwellenländer bedeuten, insbesondere in Asien und Lateinamerika. Ein schwächerer Dollar erhöht auch die Kaufkraft der Verbraucher in den Schwellenländern – ein Segen für einheimische Marken in Asien und den Schwellenländern, wo starke Unternehmen von der steigenden Nachfrage profitieren dürften.

Vorwärts segeln
Ein schwächerer Dollar könnte die Reindustrialisierung der USA beschleunigen, wodurch Exporte wettbewerbsfähiger und inländische Investitionen für US-Unternehmen attraktiver würden. Anstatt jedoch einen Exodus von Arbeitsplätzen auszulösen, könnte der Ausbau der industriellen Kapazitäten der USA führenden Industrieunternehmen in Schwellenländern und Asien helfen.

Die USA hinken in Schlüsselbereichen wie Schifffahrt und elektrische Infrastruktur, wo sie stark auf Materialien und Fachwissen aus Schwellenländern angewiesen sind, hinterher. Ein Beispiel dafür ist unser mit hoher Überzeugung getätigtes Investment in HD KSOE, einem koreanischen Schiffbau- und Offshore-Engineering-Unternehmen. Es dürfte von der wachsenden Wettbewerbsfähigkeit koreanischer Schiffe profitieren, insbesondere da die USA finanzielle Beschränkungen für chinesische Schiffe verhängen. Die steigende Nachfrage im Schiffbau – angetrieben durch wachsende Verteidigungsbudgets – sorgt für weiteren Rückenwind für HD KSOE.

Obwohl Trump seine ursprüngliche Haltung zu Zöllen gemildert hat, gehen wir davon aus, dass ein Grundniveau bestehen bleibt. Das jüngste Abkommen mit Vietnam zeigt, dass es Unterschiede geben wird. Höhere Kosten für chinesische Hersteller haben zu höheren Margen und einem grösseren Marktanteil für nicht-chinesische Akteure geführt.

Eine neue Phase im Investitionszyklus
Die politischen Veränderungen in den USA haben weltweit eine neue Welle von Investitionszyklen ausgelöst. In Europa steigen die Verteidigungsbudgets und in Asien sind ähnliche Entwicklungen zu beobachten. Um diese Ausgaben zu finanzieren, verkaufen grosse Exportnationen wie Japan, Taiwan und Deutschland US-Staatsanleihen und repatriieren ihr Kapital. Das Ergebnis? Stärkere lokale Währungen, steigende Renditen für Staatsanleihen und ein schwächerer Dollar.

Aber die Verteidigungsausgaben sind nur ein Teil der Geschichte. Wir befinden uns auch mitten in einem einmaligen Infrastrukturboom, der durch die Notwendigkeit angetrieben wird, die nächste Welle technologischer Durchbrüche zu unterstützen. Historisch gesehen haben sich die Volkswirtschaften der Schwellenländer in Zeiten erhöhter globaler Investitionsausgaben gut entwickelt. Diesmal wird es nicht anders sein. Beispiele hierfür sind:

Diese Veränderungen werden die Nachfrage nach Rohstoffen ankurbeln. Doch die Rohstoffgewinnung leidet seit 14 Jahren unter Investitionsmangel. Wir haben diese Trends schon lange vor dem „Liberation Day“ erkannt und sind zuversichtlich, dass sie sich von hier aus beschleunigen werden. Jetzt sind jahrelange Aufholinvestitionen erforderlich.

Die nachfolgende Abbildung zeigt, dass die weltweiten Investitionen und die Renditen der Schwellenländer tendenziell korrelieren. Bislang hat sich dieser Anstieg noch nicht in einer Outperformance der Schwellenländer niedergeschlagen – aber wenn sich die Geschichte wiederholt, könnte ein starker Anstieg unmittelbar bevorstehen.

Der Technologiezug rollt weiter
Chinas Deepseek-Modell hat die KI-Debatte auf den Kopf gestellt. Es lieferte eine Leistung, die fast mit Marktführern wie OpenAI mithalten konnte, obwohl es weniger Rechenleistung nutzte und keinen Zugang zu den Spitzenchips von Nvidia hatte. Das warf Fragen über die Rentabilität der massiven Investitionen der „Magnificent Seven“ in Rechenzentren und fortschrittliche Halbleiter auf. Doch geringere Rechenanforderungen könnten die Einführung von KI beschleunigen – statt sie zu behindern.

Dieser Wandel schafft bereits jetzt Chancen in den Schwellenländern. In China hat die erneute Unterstützung der Regierung für nationale Technologieführer das Vertrauen der Investoren in Sektoren wie Elektrofahrzeuge, Biomedizin und grüne Technologien wiederbelebt.

Wir sehen investierbare Themen in der gesamten Energie- und Datenwertschöpfungskette sowie im Bereich Software und Hardware. Die Auswirkungen auf den Energiesektor sind besonders tiefgreifend: Eine schnellere Einführung von KI wird die Schwellenländer dazu zwingen, ihre Stromnetzte rascher auszubauen. Dies unterstützt eine starke Projektpipeline für Versorgungsunternehmen und weckt neues Interesse an der Kernenergie als Teil einer umfassenderen Elektrifizierungsagenda.

Wir erleben einen neuen globalen Investitionszyklus, der von Technologie, grüner Infrastruktur und wachsender Binnennachfrage angetrieben wird.

Technologie als Plattform
Wir konzentrieren uns insbesondere auf Technologie-Hardware, vor allem auf Halbleiterhersteller, die die Bausteine der digitalen Wirtschaft bilden. Angesichts des Wirtschaftswachstums und der Modernisierung erwarten wir umfangreiche Investitionen in Telekommunikation und Hochleistungscomputer. Wir haben Titel hinzugefügt, die sowohl von der Infrastruktur- als auch von der Anwendungsebene profitieren. Dazu gehören:

Wir beobachten Chinas Bestrebungen, eine parallele Technologie-Lieferkette aufzubauen, was Service- und Gewinnrisiken für taiwanesische Unternehmen mit sich bringt. Während einige Technologieunternehmen eine Rezession bereits eingepreist haben, sehen wir nun Anzeichen für eine Rückkehr der Preissetzungsmacht, insbesondere bei Unternehmen wie SK Hynix. Unterdessen dürften viele unserer dividendenstarken Technologieunternehmen von der steigenden Nachfrage nach fortschrittlicher Rechenleistung profitieren.

Infrastruktur
Wir sehen starke strukturelle Chancen in der Energie- und Materialinfrastruktur. Die Regierungen haben vor sieben bis acht Jahren mit der Modernisierung der Stromnetze begonnen, aber der Markt unterschätzt nach wie vor das Wachstumspotenzial, das durch KI und Elektrifizierung entsteht.

Im Bereich Rohstoffe bleibt Kupfer ein zentrales Thema. Die weltweite Versorgung ist zwar ausreichend, aber hohe Förderkosten und lange Vorlaufzeiten – oft 12 bis 16 Jahre, bis neue Minen in Betrieb genommen werden können – stützen die robusten Preisaussichten. Unser bevorzugtes Kupferengagement ist Grupo Mexico, das kostengünstige, langlebige Vermögenswerte und eine starke operative Hebelwirkung bietet.

Wir bevorzugen auch Uran über Kazatomprom, da Kernenergie nach wie vor die einzige skalierbare Alternative zu Kohle als Grundlastaltenergiequelle ist.

Im Bereich Elektrowerkzeuge haben wir eine Position in Techtronic aufgebaut, einem Unternehmen mit einer starken US-Marktposition, die auf seiner Premiummarke „Milwaukee“ basiert. Seine Investitionen in Batterieeffizienz und Abwärtskompatibilität schaffen starke Netzwerkeffekte. Dies gibt den Kunden die Gewissheit, dass die heutigen Batterien auch mit den Werkzeugen von morgen funktionieren werden.

Inländische Marken/steigende Nachfrage
Mit der Entwicklung und Modernisierung der Schwellenländer wächst die Mittelschicht aufgrund steigender Einkommen, die durch einen schwächeren Dollar unterstützt werden. Dies führt zu höheren Ansprüchen und einem Anstieg des Konsums und schafft damit einen fruchtbaren Boden für dividendenzahlende Unternehmen, insbesondere für führende inländische Marken mit starkem Marktanteil.

Abschliessende Gedanken…
Nach Jahren der Underperformance treten die Schwellenländer in eine neue Phase ein. Die Fundamentaldaten verbessern sich und viele Volkswirtschaften sind nach wie vor relativ unabhängig von der US-Innenpolitik. Ein schwächerer Dollar dürfte die Verbraucher und einheimischen Marken in den Schwellenländern stützen.

Entscheidend ist, dass wir am Beginn eines neuen Investitionszyklus stehen – von der Energiewende bis zur KI-Revolution –, von dem die Schwellenländer profitieren dürften. Vor diesem Hintergrund konzentrieren wir uns weiterhin auf Unternehmen mit starken Bilanzen, nachhaltigen Cashflows und attraktiven Bewertungen. Marktführer mit einem dominierenden Marktanteil zeichnen sich als Hauptnutznießer aus.

Diese Unternehmen sind bereit, die Zukunft der Schwellenländer und Asiens zu gestalten – indem sie strukturelle Veränderungen in nachhaltige Renditen umwandeln.

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