Banque Heritage: USA – Der kreative Umgang mit der Schuldenlast

Jean-Christophe Rochat, CIO Banque Heritage. (Foto: Banque Heritage)

Defizit, Inflation, Geldschöpfung: Die USA greifen auf bewährte Mittel zurück, um ihre Wirtschaft wieder anzukurbeln.

von Jean-Christophe Rochat, CIO Banque Heritage

Die Wirtschaftsgeschichte zeigt: Ein hoch verschuldeter Staat hat im Grunde nur drei Möglichkeiten, aus der Schuldenfalle herauszukommen: Er kann eingestehen, dass er nicht mehr zahlen kann, seine Schulden neu verhandeln oder die Schulden durch Geldentwertung «auflösen».

Die erste Möglichkeit ist hart und wird nur als letzter Ausweg genutzt: Der Staat erklärt offiziell, dass er seine Schulden nicht mehr zurückzahlen kann, und bittet seine Gläubiger um einen Schuldenerlass. Das ist zwar ehrlich, führt aber sofort zu Vertrauensverlust und Isolation auf den Finanzmärkten. Die zweite Möglichkeit ist geschickter: Man restrukturiert die Schulden, verschiebt Zahlungen, passt die Zinsen an oder ändert sogar den Wert der Anleihen. Die dritte Variante ist am wenigsten sichtbar, aber auch die heimtückischste: Man lässt die Inflation die reale Schuldenlast verringern und schwächt die Währung ab. Die Gläubiger werden zwar zurückbezahlt, aber mit abgewerteter Währung. Egal, was Politiker sagen – diese Situation trifft heute sehr konkret auf die USA zu.

Die Schuldenlast wird wieder erdrückend
Lange Zeit war die US-Staatsschuld im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt (BIP) relativ moderat. Von 1960 bis 2000 lag sie zwischen 30 und 60 Prozent, geschützt durch starkes Wirtschaftswachstum und einen erfolgreichen Kapitalismus. Doch die Geschichte verläuft in Zyklen. Nach dem Zweiten Weltkrieg erreichte die Verschuldung 122 Prozent – ein Zeichen für eine mobilisierte Kriegswirtschaft – bevor die grosse Depression das Verhältnis wieder senkte. Mit den Krisen von 2008 und der Corona-Pandemie stiegen die Schulden durch nie dagewesene Fiskalhilfen erneut über 120 Prozent. Ein Wert, der in Friedenszeiten oder bei normalen Wirtschaftskrisen seit drei Generationen nicht mehr erreicht wurde.

Ähnlich verhielt es sich mit den Zinskosten: Im 20. Jahrhundert machten die Zinszahlungen der USA meist nur einen moderaten Anteil der Staatseinnahmen aus, zwischen 7 und 11 Prozent. In den turbulenten 1980er und 1990er Jahren stiegen sie wegen hoher Zinsen und steigender Schulden auf bis zu 18 Prozent (1991) – ein erstes Warnsignal für die Glaubwürdigkeit der USA. In den 2000er Jahren entspannte sich die Lage kurz, die Zinslast sank auf 11 bis 15 Prozent.

Kritische Höchstwerte
Seit 2020 sieht die Entwicklung jedoch düsterer aus: Die Zinskosten nehmen wieder rund 18 Prozent der Staatseinnahmen ein (2023–2025) und erreichen damit erneut kritische Höchstwerte.
Als Land, das von Natur aus Schuldner ist, haben die USA Inflation und Währungsabwertung zur Tradition gemacht – als stilles Mittel, um Schulden nach grossen Krisen abzubauen. Seit dem Ende des Goldstandards und der Konvertierbarkeit des Dollars kann die US-Notenbank (Fed) bei Schocks einfach Geld drucken. Von den 1970er Jahren bis 2020 funktionierte dieses Rezept immer gleich: Geldmenge erhöhen, Dollar schwächen, Schulden im Verhältnis zum realen BIP verringern. So funktioniert die US-Schuldenmechanik: In Wachstumsphasen werden die Schulden durch Wirtschaftswachstum abgebaut, während in Krisenzeiten die Inflation die Schuldenlast heimlich reduziert.

Damit bestimmen die USA den modernen Schuldenzyklus: Schulden sinken in Boomzeiten und explodieren in Krisen. Andere grosse Länder sind viel vorsichtiger und halten ihre Zinskosten meist unter 8 Prozent. Diese amerikanische Grosszügigkeit macht das Land aber auch sehr verletzlich gegenüber Rezessionen oder stark steigenden Zinsen.

Gleiche Probleme, gleiche Lösungen
Ein Teil der Vereinbarungen von Mar-a-Lago sind von Stephen Miran ausgearbeitet. Sie sehen vor, US-Staatsanleihen, die von grossen Zentralbanken gehalten werden, gegen weniger rentable Schulden zu tauschen. Das klingt technisch, ist aber eine Form eines selektiven Zahlungsausfalls – also eine gezielte Veränderung der Staatsschulden.

Die Ernennung von Stephen Miran zur Fed und der Versuch, einige als zu «restriktiv» geltende Mitglieder des Fed-Führungsgremiums zu entlassen, zeigen den Willen, die Geldpolitik neu auszurichten: Dollarabwertung, Exportförderung, engere Zusammenarbeit mit dem Finanzministerium. Eine offenere Geldschöpfung steht bevor.

Mit dem «Genius Act» fördert die Trump-Administration Stablecoins. Das sind digitale, an den US-Dollar gekoppelte Währungen. Damit soll ausländisches Kapital in US-Staatsanleihen gelenkt werden. Ziel ist es, die Kosten der Staatsschulden zu senken, die Geldschöpfung teilweise zu privatisieren und gleichzeitig den Dollar stabil zu halten. Kurzfristig ist das ein wirksames Mittel, um das US-Defizit zu finanzieren.

Die Trump-Regierung setzt auf Kreativität, Finanztechnik und politischen Mut. Sie will das Wirtschaftswachstum auf über 5 bis 6 Prozent treiben. Inflation wird dabei ein zentraler Faktor sein – ein stilles, aber entscheidendes Instrument in der US-Wirtschaftsstrategie. (pd/mc/pg)

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