BlackRock – Inflation und Covid: Verspäteter Grusel-Cocktail

Dr. Martin Lück, Leiter Kapitalmarktstrategie in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Osteuropa bei BlackRock. (Foto: zvg)

Halloween war schon lange vorbei, als Mitte letzter Woche die US-Inflationszahlen in die ohnehin nebelig-trübe Novemberstimmung platzten. Auf sage und schreibe 6,2% hat sich der Anstieg der Verbraucherpreise im Oktober beschleunigt. Selbst wenn man die schwankungsanfälligsten Komponenten Lebensmittel und Energie herausrechnet, lag die Rate noch bei 4,6%, klar höher als im September (4,0%). Bemerkenswert ist auch, dass nicht nur die Preise für vom postCovid-Neustart begünstigte Güter und Dienstleistungen stiegen, sondern sich die Inflation im gesamten Warenkorb auszubreiten scheint. Es war wohl vor allem letztere Beobachtung, die viele Marktteilnehmer veranlasste, nun an einen dauerhaften Inflationsanstieg zu glauben und sich entsprechend zu positionieren.

Die marktbasierten, also aus den relativen Preisen nominaler und inflationsgeschützter Staatsanleihen abgeleiteten Inflationserwartungen verzeichneten über den Verlauf der Woche einen kräftigen Sprung, im Fünfjahresbereich um 22 Basispunkte auf 3,11%, und für zehn Jahre um 15 Basispunkte auf 2,72%. Die Nachfrage nach inflationsgeschützten Anleihen ist wenig verwunderlich. Der US-Inflationswert für Oktober war der höchste seit über 30 Jahren. Sechs Monate liegen die Zahlen nun schon jenseits von 5%, folgerichtig steigt die Anzahl derjenigen, die hohe Inflation für den neuen Normalzustand halten.

Wichtig ist dennoch, sich nochmals die Mechanik der aktuellen Inflationsdynamik vor Augen zu führen. Denn natürlich sind Basiseffekte am Werk, etwa bei den Energiepreisen, wo etwa zwischen einem sogar negativen Ölpreis an einigen Tagen des März 2020 und den heutigen Preisen von über 80 Dollar pro Barrel Welten liegen. Auch trägt die immer wieder zitierte Knappheit an Rohstoffen und industriellen Bauteilen, vor allem Halbleitern, zum Preisschock bei. Auch dies ist leicht erklärbar, denn die Nachfrage kam nach dem Ende der Lockdowns viel schneller zurück als das Angebot. Und schliesslich trägt die Tatsache zur Inflationsentwicklung bei, dass Lieferketten noch immer nicht wieder so störungsfrei verlaufen wie vor der Pandemie.

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Aber während all diese Faktoren angebotsseitig sind und von den Medien fast täglich grell ausgeleuchtet werden, gerät eine wichtige Tatsache oft in Vergessenheit. Dass Haushalte nämlich erstens auf unerwünscht hohen Ersparnissen sitzen und zweitens nach Monaten des Verzichts bereit sind, hohe Preise zu zahlen, trägt auf der Nachfrageseite ganz erheblich zur Preisdynamik bei. Und dieser Effekt ist mit einiger Sicherheit vorübergehend. Spätestens wenn so etwas wie Gewöhnung an die zurückerlangten Konsumfreiheiten eingekehrt ist und die Sparquoten sich normalisiert haben, dürften Angebotspreise nicht mehr so folgenlos an die Verbraucher weiterzugeben sein. Wenn dann Preiserhöhungen an einer Stelle von Konsumenten hingenommen werden, dürften sie an anderer Stelle Nachfrage verdrängen, mit anderen Worten disinflationär wirken. Dies gilt vor allem dort, wo keine Anzeichen einer Lohn-Preis-Dynamik erkennbar sind, also in Europa eher als in den USA.

Was bedeutet all dies? Erstens, die Inflationszahlen werden länger hoch bleiben als zunächst erwartet, sich aber vor allem in Europa nicht in eine Lohn-Preis-Spirale übersetzen. Zweitens wird der Inflationsabstand zwischen den USA und Europa vermutlich auf Sicht noch grösser ausfallen als vor der Pandemie. Drittens dürfte sowohl diesseits als auch jenseits des Atlantiks die Inflationsdynamik ihren Höhepunkt bald erreicht haben. Und viertens bleibt aus Sicht von Anlegern entscheidend, dass die Zentralbanken weniger stark auf den gegenwärtigen Inflationsbuckel reagieren als in der Vergangenheit, sodass die Realzinsen (also Nominalzinsen abzüglich Inflation) extrem niedrig bleiben. Dies trägt dazu bei, dass der Ausblick für reale Anlageformen, darunter Aktien, Gold oder Immobilien, auch bei zunehmendem Gegenwind positiv bleibt.

Das Covid-Desaster der Politik schwächt DACH-Region auch 2022
Allzu lange begnügte sich die Politik damit, auf die rund 15 Millionen ungeimpften Erwachsenen in Deutschland zu schimpfen. Aber weder sieht man sich in der Lage, konsequent 2G-Regeln zu beschliessen, geschweige denn deren Einhaltung zu kontrollieren, noch ist es möglich, Superspreading in öffentlichen Verkehrsmitteln dadurch zu unterbinden, dass man zumindest 3G-Regeln für Bahn und Bus durchsetzt. Das ganze Ausmass des Versagens wird deutlich bei der panikartigen Wiedereinführung kostenloser «Bürgertests», einem Geschenk für Impfmuffel, und des erneuten Fehlens von Impfstoff. Gerade Letzteres wird angesichts von nur 3,8 Millionen verabreichten Booster-Impfungen in Deutschland und dramatisch gesunkenen Antikörperniveaus, besonders bei früh mit Astra Zeneca geimpften Senioren, vermutlich über den Winter zu Tausenden von schweren Verläufen und Todesfällen führen, die allesamt vermeidbar gewesen wären. Nicht zu sprechen vom Stillstand bei Luftfiltern in Schulen, besser digitalisierten Gesundheitsämtern und sonstigen Lerneffekten aus 20 Monaten Pandemie. Plan- und führungslos schlingert Europas grösste Volkswirtschaft im Covid-Sturm. An vielen Stellen wünscht man sich einen präsenteren Staat, oder zumindest eine handlungsfähige Regierung. Solange diese aber auf sich warten lässt und Zweifel bestehen, ob es mit ihr besser wird, bleibt der Ausblick ernüchternd. Die vierte Welle wird Deutschland im Speziellen, mit Abstrichen wohl aber auch der DACH-Region insgesamt, über den Winter neue und weitere Einschränkungen des gesellschaftlichen Lebens bescheren, mit der Konsequenz, dass das Wachstum in unserer Region auch 2022 im globalen Vergleich zurückfallen dürfte.

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