Gonet: Der europäische Luxusmarkt glänzt bald wieder heller

Tim Safarov

Tim Safarov, Aktienanalyst, Gonet. (Foto: zvg)

Im europäischen Luxusmarkt steht ein zyklischer Aufschwung bevor. Er dürfte durch bessere Jahresvergleiche nach zwei schwachen Jahren unterstützt werden. Treiber ist vor allem der Schmuck.

von Tim Safarov, Aktienanalyst, Gonet

Die Stimmung rund um europäische Luxusgüter-Aktien ist in den letzten Monaten gestiegen. Die neuesten Quartalszahlen wichtiger Marken haben auf eine stärker als erwartete Erholung hingewiesen. Neben günstigeren Vergleichswerten war die Verbesserung vor allem auf mehr Ladenbesuche, höhere Abschlussquoten und steigende Durchschnittspreise pro Produkt zurückzuführen. In den USA blieb das Momentum stabil, und auch in China sind die ersten Zeichen der Erholung sichtbar.

Besonders Schmuck setzte weiterhin die stärksten Wachstumsimpulse – gestützt durch investitionsgetriebene Käufe und Preisanpassungen, welche die gestiegenen Edelmetallpreise ausgleichen konnten. Im Bereich der Luxusuhren scheint die Nachfrage den Tiefpunkt erreicht zu haben, wie die jüngsten Zahlen von Richemont zeigen. Das wichtige Ledertaschengeschäft stand fast zwei Jahre unter Druck, da das Preis-Leistungs-Verhältnis kritischer gesehen wurde. Nun zeigen sich erste Erholungstendenzen über alle Preisklassen, unterstützt durch verbesserte Sortimente, höhere Verarbeitungsqualität bei moderaten Preiserhöhungen und erfolgreiche Produkteinführungen. Die Beautysparte entwickelte sich uneinheitlicher, wobei Parfüm und Haarpflege weiterhin gefragt waren, während die Kosmetik etwas schwächer lief.

Mit Blick nach vorne sind zwar einige Analysten noch vorsichtig. Doch der Konsens erwartet nun ab 2026 eine nachhaltigere Erholung im Luxussegment. Es wird mit einem Wachstum im niedrigen einstelligen Prozentbereich gerechnet. Der Aufschwung dürfte durch bessere Jahresvergleiche nach zwei schwachen Jahren unterstützt werden, von einer stärkeren Vermögens- und Konsumneigung mit abnehmenden geopolitischen Spannungen, neuer Kreativität durch frische Designer und der Rückkehr westlicher sowie chinesischer Luxuskäufer.

Die Bedeutung der „anspruchsvollen Kunden“
Jahrelang wurde empfohlen, sich auf die wenigen, besonders kaufkräftigen Kunden zu konzentrieren, die den grössten Teil des Umsatzes ausmachen. Dazu gehörte die Strategie, immer teurere Produkte für Kunden anzubieten, denen der Preis egal ist, während „anspruchsvolle Kunden“ – Kunden, die sich für ein besonderes Erlebnis finanziell etwas ausstrecken müssen – oft als potenzielle Gefahr für die Marke galten. Solche Empfehlungen halten aus heutiger Sicht aber nicht immer stand. Käufe von „anspruchsvollen Kunden“ führen zu Markenbindung, gerade bei jüngeren Konsumenten – Superreiche sind hingegen weniger loyal.

In den letzten 30 Jahren kam ein grosser Teil des Branchenwachstums durch die erstarkende Mittelschicht, die sich Louis-Vuitton-Taschen oder Rolex-Uhren als Statussymbol leistete. Heute stammen rund 55 Prozent des globalen Luxuskonsums von Kunden, die bis zu 2’300 US-Dollar jährlich für Luxusgüter ausgeben (Schätzung Boston Consulting Group). Das erklärt auch die jüngere Schwäche: Die Ausgaben der Spitzenkunden konnten den Rückgang bei den „anspruchsvollen Kunden“ nicht kompensieren. Laut der letzten Bain & Altagamma Studie ist die Zahl der Luxuskunden von 400 Millionen (2022) auf rund 340 Millionen (2025) gesunken. Zwischen 2024 und 2025 haben die Luxusmarken zudem fünf Prozent weniger neue Kunden gewonnen.

Innerhalb des Luxusmarkts werden die Ausgaben ausserdem fragmentierter: Die Leute kaufen seltener, bevorzugen kleinere Genussartikel oder Rabatte. Das macht es für etablierte Marken schwieriger zu wachsen. Manche kleinere, unabhängige Marken wurden dadurch aber beliebter – kein Wunder, denn kaum jemand hat unbeschränkte Mittel.

Die K-förmige Wirtschaft – ein Erklärungsmodell
Ein Grund, um heute Aktien grosser Luxusfirmen zu halten, ist die sogenannte „K-förmige“ Wirtschaft, die in vielen entwickelten Ländern beobachtet wird. Bildlich sieht es so aus: Die Ausgaben der Wohlhabenden steigen stark (wie der obere Schenkel eines K), während sich die weniger Wohlhabenden mit ihren Ausgaben zurückhalten (unterer Schenkel).

Es stimmt, dass die Reichen immer mehr Vermögen besitzen, vor allem durch ihre Finanzanlagen. In den USA machen Haushalte mit mehr als 250’000 US-Dollar Jahreseinkommen nur neun Prozent aller Haushalte aus, halten aber 68 Prozent der Aktien (Quelle New York University). Nach den Kursanstiegen ist das Aktienvermögen dieses Jahr um etwa 8 Billionen US-Dollar gewachsen. Gleichzeitig besitzen Haushalte mit weniger als 100’000 US-Dollar Jahreseinkommen nur zehn Prozent des Aktienmarkts, obwohl sie zwei Drittel der Bevölkerung ausmachen.

Doch die Reichen geben ihr zusätzliches Vermögen oft nicht direkt aus, sondern investieren weiterhin – viele sprechen von einer „Sparschwemme an der Spitze“. Das treibt die Finanzmärkte weiter an.

Diese Dynamik zeigt sich auch in den US-Ausgabenzahlen: Während 2023 die Ausgaben der Top-20-Prozent stiegen, sanken sie 2024 – trotz erneut steigender Börsenkurse. 2026 könnte den wohlhabenden Konsumenten aber wieder Auftrieb geben: Steuerreformen („One Big Beautiful Bill“ von Präsident Trump) könnten hohe Einkommen deutlich entlasten und die Konsumlust ankurbeln.

Anlagestrategien für 2026
In den letzten Jahren waren Hermès und Ferrari die erfolgreichsten Luxusaktien – dank begrenztem Angebot und grosser Anziehungskraft bei den Superreichen. Ihr Bewertungsspielraum ist aber vor einer Branchenerholung weniger attraktiv, verglichen mit LVMH, das in den nächsten drei Jahren ein stärkeres Wachstum erzielen dürfte. Hier stehen künftig wieder mehr die Absatzmengen im Vordergrund und weniger Preissteigerungen. 2025 sind die Preise bei LVMH nochmals um vier bis sieben Prozent gestiegen (Tarife und Inflation). Die Kunden haben das aber bisher akzeptiert. Die Schmerzgrenze ist jedoch erreicht, weshalb eine Normalisierung der Stückzahlen – besonders in Asien und im Reisegeschäft – zum wichtigsten Wachstumstreiber wird. Bei Louis Vuitton führen die exklusive Distribution, Top-Lagen und die Grösse zu einem besonders starken Hebel: Schon ein leichter Absatzanstieg hebt die Gewinne deutlich. Ausserdem investiert LVMH jährlich rund 10 Milliarden Euro in Marketing – mehr als viele Konkurrenten überhaupt umsetzen. Ein Beispiel dafür ist „The Louis“, das neue, bootsförmige Flagship in Shanghai. Da Preiserhöhungen für die ganze Branche schwächer wirken, werden Markenbekanntheit und Sichtbarkeit zum wichtigsten Erfolgsfaktor für weiteres Wachstum.

Wer stärker vom Vermögenswachstum profitieren – und damit auch Risiken für die Mittelschicht eingehen möchte (z. B. durch Inflation oder Jobverluste wegen KI), findet mit Richemont eine interessante Alternative. Schmuck bleibt das bevorzugte Luxussegment bei den Superreichen – besonders in den USA. Richemont hat in Amerika sieben Quartale in Folge mindestens zehn Prozent mehr Umsatz gemacht, zuletzt sogar fast 20 Prozent. Für 2026 erwartet Richemont immer noch 14 Prozent Wachstum. Achtung: Der US-Schmuckmarkt hängt allerdings stark von der Börse ab – bricht diese ein, bremst das die Nachfrage rasch. Schmuck ist zurzeit aber auch bei „anspruchsvollen Kunden“ besonders beliebt: Er hat emotionalen Wert, enthält echte Rohstoffe wie Gold und Steine und scheint für viele ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis als Taschen zu bieten. Die Preisentwicklung ist im Schmuckbereich zudem moderat: Die Cartier Love-Armbänder kosten seit 2020 etwa vier Prozent mehr pro Jahr, bei der Chanel Classic Flap Bag waren es elf Prozent und bei Lady Dior mehr als 8% (Daten: Bernstein). Langfristig wird das Schmucksegment insgesamt als wachstumsstärker eingeschätzt als „Soft Luxury“: Noch ist der Markt stark in der Hand kleiner, lokaler Anbieter; Marken wie Cartier und Van Cleef & Arpels stehen erst am Anfang ihrer globalen Expansion. Wenn Branding weiter zunimmt, werden Alltagskäufe zu margenstarken Luxusprodukten.

Fazit: 2026 dürfte für die Luxusbranche ein Jahr der Stabilisierung sein – aber nicht alle profitieren gleichermassen. Die Konsumenten sind wählerischer geworden und die Polarisierung zwischen Marken und Segmenten wird wohl anhalten. (pd/mc/pg)

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