Die Wirtschaft der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) hat sowohl Rücken- als auch Gegenwinde. Die Zentralbank der VAE (CBUAE) prognostiziert ein reales BIP-Wachstum von 4,4 % im Jahr 2025 und 5,4 % im Jahr 2026. Das BIP ohne Erdöl- und Erdgasanteil soll in beiden Jahren um rund 4,5 % steigen. Die Aktivitäten im Erdölsektor werden voraussichtlich zunehmen – mit einem Wachstum von 4,1 % im Jahr 2025 und einer weiteren Beschleunigung im Jahr 2026.
von Michael Flynn, Senior Investment Advisor, Reyl Finance (MEA) in Dubai
Die CBUAE hat ihre Inflationsprognose für 2025 auf etwa 1,9 % angepasst, mit einem ähnlichen Ausblick für 2026. Obwohl die Gesamtinflation gedämpft bleibt, verdienen Wohnungswesen, Versorgungsleistungen und andere nicht handelbare Sektoren besondere Aufmerksamkeit. Externe Risiken wie Ölpreisschwankungen, globale Zinstrends und geopolitische Instabilität könnten die Performance beeinflussen. Die Bindung des Dirhams an den US-Dollar sorgt für Währungsstabilität, doch Importkosten, Transportdruck und das globale Handelsumfeld bergen sektorspezifische Risiken.
Dubai International Financial Centre: Vom Torwächter zum Wachstumsmotor
Das DIFC entwickelt sich über ein traditionelles Finanzzentrum hinaus zu einem innovativen Wachstumsökosystem. Die Lizenzvergabe für Fintech und digitale Finanzdienstleistungen nimmt Fahrt auf. Family Offices und Vermögensverwalter kommen mit Anforderungen an thematische Investitionen, stärkere ESG-Kriterien, technologieorientierte Modelle und klare regulatorische Rahmenbedingungen.
Dubai verbindet eine etablierte Finanzdienstleistungsbasis mit dem Vorstoss in zukunftsweisende Sektoren. Dies bietet Vorteile für Erstinvestoren in neuen Segmenten, bringt aber auch Herausforderungen in Bezug auf Regulierung, Bewertung und Kapazitäten – insbesondere bei Talenten, Compliance und Governance.
Dynamik und Trends
Private Investitionen in digitale Plattformen und Fintech nehmen weiter zu, mit grösseren und disziplinierteren Transaktionen. Die Märkte für festverzinsliche Wertpapiere und Sukuk (schariakonforme Instrumente) reifen, da staatliche und halb-staatliche Emissionen zunehmen. Mittelfristige Sukuk mit Laufzeiten von drei bis sieben Jahren sind aufgrund ihres Renditepotenzials besonders gefragt – vor allem, weil die globalen Zinssätze nur langsam sinken dürften.
Mit der zunehmenden Verankerung von Nachhaltigkeit stehen regionale Unternehmen unter Druck, glaubwürdige Klima- und Umweltberichte vorzulegen. Dies fördert die Entwicklung von Green Bonds und nachhaltigen Sukuk-Projekten. Auch die sektorale Dynamik verändert sich: Logistik, erneuerbare Energien, KI und Automatisierung, digitale Gesundheit und Technologien für Lieferketten entwickeln sich zu langfristigen Wachstumstreibern. Diese erfordern längere Vorlaufzeiten, stärkere Regulierung und bergen höhere Umsetzungsrisiken – von Investoren oft unterschätzt.
Internationale Investoren
Mit internationale Investoren steigt das Vertrauen, da sich die regulatorischen Rahmenbedingungen weiterentwickeln und die Marktinfrastruktur sowie der Schutz verbessert werden. Die Liquidität bleibt jedoch uneinheitlich. Nicht alle an den VAE-Börsen gelisteten Aktien oder strukturierten Produkte sind leicht handelbar, weshalb grosse Positionen eine sorgfältige Analyse der Ausstiegskosten und Markttiefe erfordern.
Grenzüberschreitende Steuerfragen sind ein weiterer Faktor. Zwar erhebt die VAE keine persönliche Einkommenssteuer, doch Unternehmenssteuervorschriften, Doppelbesteuerungsabkommen und OECD-Mindeststeuerregelungen können die Rendite beeinflussen und zusätzliche Komplexität schaffen. Und trotz starker inländischer Dynamik bleiben die Sektoren der VAE anfällig für globale Schocks – von Zins- und Energiepreisschwankungen bis hin zu Handelsstörungen.
Ausblick
Eine Beobachtung über 2026 hinaus verdient die mögliche Inflation in nicht handelbaren Sektoren wie Wohnungswesen und Versorgungsleistungen, die eine geldpolitische Straffung erzwingen könnte.
Abzuwarten bleibt, wie effektiv das DIFC seine regulatorischen, Compliance- und Talentstrukturen skalieren kann, um mit der zunehmenden Komplexität durch Fintech, ESG-Anforderungen und grenzüberschreitende Investitionen – einschliesslich potenzieller Doppelnotierungen – umzugehen.
Die Widerstandsfähigkeit der VAE-Sektoren wird auch auf die Probe gestellt, wenn die externe Nachfrage nachlässt – sei es aus Europa, Asien oder anderen wichtigen Partnerregionen, oder wenn sinkende Ölpreise die positiven Impulse aus dem Erdölsektor abschwächen.
Entscheidend wird letztlich die Fähigkeit der Unternehmen sein, Governance, Projektumsetzung und Risikokontrolle konsequent auszuüben, denn davon hängt ab, welche Varianten langfristig Bestand haben. (Reyl/mc)