Berlin – Ein kurzer Blick auf die Finanzmärkte genügt, um einen Moment innezuhalten: Politische Spannungen, Ressourcenknappheit, fragiler Vertrauensverlust in Wirtschaft und Politik, all das lässt Anleger zunehmend auf der Hut sein.
Jens Steinhagen ordnet ein. Der Gründer von Steinhagen Consulting arbeitet seit 15 Jahren ausschliesslich an der Sicherung von Vermögenswerten und blickt auf über 35 Jahre Erfahrung in der Finanzbranche zurück. Sein Credo: Absicherung in Krisenzeiten braucht mehr als Rendite, sie braucht Resilienz. Das Gespräch ist ein journalistischer Einblick in seine Perspektiven, Strategien und Warnfinger in Zeiten, in denen echte Sicherheit mehr mit Präzision als mit Bauchgefühl zu tun hat.
Herr Steinhagen, Sie beobachten seit Jahrzehnten die Finanzmärkte. In letzter Zeit scheint die Nervosität unter Anlegern spürbar gestiegen zu sein. Wie deuten Sie die aktuelle Lage?
Jens Steinhagen: Die Frage bekomme ich derzeit fast täglich gestellt. Und sie ist berechtigt. Schwankungen an den Märkten gab es immer – das ist nichts Neues. Doch was viele beunruhigt, ist nicht das Auf und Ab an sich, sondern die Unsicherheit, ob sich alles wie früher wieder beruhigt. Dieses „meist erholen sie sich“ ist kein Versprechen und genau das macht vielen zu schaffen.
Und das versetzt viele vermögende Anleger etwas in Unruhe. Denn eine alte Regel aus dem Sport besagt:
Umso länger eine Serie hält, umso wahrscheinlicher wird ihr Ende! Wirtschaftlich verhält es sich ähnlich. Wir alle wissen, dass es Konjunkturzyklen gibt, denen die Wirtschaft folgt. Meine Generation gehört zu den ersten Generationen, die in ihrem Leben keine Krisen oder Kriege erleben mussten. Darüber sind wir sehr dankbar, aber gleichzeitig ist im Unterbewusstsein verankert, dass dieser Konjunkturzyklus irgendwann einmal enden wird.
Welche Faktoren tragen Ihrer Meinung nach aktuell besonders zur Verunsicherung bei?
Steinhagen: Ganz klar die geopolitischen Krisen. Der Krieg in der Ukraine, die Spannungen im Nahen Osten, das sind keine temporären Störungen, sondern tiefgreifende Veränderungen der Weltordnung. Auch der zunehmende Kampf um Rohstoffe und der aggressive Protektionismus, wie wir ihn aus den USA kennen, sorgen für Instabilität. Zentralbanken reagieren oft hektisch, ihre Bilanzsummen sind weiterhin aufgebläht, und die Zinspolitik wechselt ständig. Das schafft kein Vertrauen.
Ereignisse wie Krieg erzeugen plötzlich ganz andere Gedanken und Sorgen, als dass nur mal kurz die Börse schwankt. Der andauernde und sich zuspitzende Kampf um die endlichen Rohstoffreserven in unserer Erdkugel bereitet dabei genauso grosse Sorge wie der Kampf um die Handelsmärkte dieser Welt. Da erleben wir die Eskalation gerade in den Zollstreitigkeiten, mit denen sich die USA mit der „Macht des Stärkeren“ und Trumps Slogan „America First!“ eine bessere Marktpositionierung schaffen.
Wie wirken sich die weiterhin hohen Bilanzsummen und die häufigen Wechsel bei den Leitzinsen auf das Sicherheitsgefühl der Investoren aus?
Steinhagen: Die immer noch riesigen, unangemessenen Bilanzsummen der Zentralbanken und deren ständige Leitzinserhöhungen und dann wieder -senkungen schaffen keine glaubhafte und zuverlässige Stabilität bei den Anlegern und sorgten in den letzten zehn Jahren für erhebliche Unsicherheiten. Ein weiterer wesentlicher Faktor für das wachsende Misstrauen ist die anhaltende Inflation.
Was bedeutet die aktuelle Inflationslage für das Vertrauen der Menschen in die Stabilität des Geldes? Zwar sprechen die offiziellen Zahlen von rund zwei Prozent, aber spüren wir im Alltag nicht etwas ganz anderes?
Steinhagen: Die offiziellen Zahlen mögen derzeit bei etwa 2 bis 2,2 Prozent liegen, was auf den ersten Blick beruhigend wirkt. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. In der Realität und über mehrere Jahre betrachtet, da haben Sie Recht, spüren die Menschen etwas ganz anderes. Denn auch wenn die Inflationsrate sinkt, bedeutet das nicht, dass die Preise wieder auf das alte Niveau zurückgehen. Sie bleiben auf einem hohen Plateau und genau das ist das Problem.
Viele vergessen: sinkende Inflation heisst nicht, dass es plötzlich billiger wird, sondern nur, dass es nicht mehr ganz so schnell teurer wird. Die Preissprünge der letzten Jahre, bei Energie, Lebensmitteln und Dienstleistungen, sind nicht verschwunden. Sie sind nur zur neuen Normalität geworden. Für den Grossteil der Bevölkerung bedeutet das einen spürbaren Rückgang der Kaufkraft. Viele Menschen müssen heute 20 bis 30 Prozent mehr für ihren Alltag ausgeben als noch im Jahr 2020. Und das ist kein Gefühl, das ist eine bittere Realität, Monat für Monat spürbar auf jedem Kassenbon.
Wie stark hat die Inflation der letzten Jahre auch Vermögensanlagen getroffen und warum scheint das Vertrauen in klassische Finanzprodukte immer weiter zu bröckeln?
Steinhagen: Die Vermögensanlagen wurden durch die hohen Inflationszahlen der letzten Jahre ebenfalls massiv kaufkraftgeschrumpft! Dazu kommt, dass viele Finanzprodukte sich gut anhören, aber für Laien kaum verständlich sind. In den letzten Jahrzehnten sind Anleger oft enttäuscht worden, haben teilweise hohe Verluste hinnehmen müssen, manchmal sogar den Totalverlust, wodurch das Vertrauen in die Finanzmärkte weiter gesunken ist. Hinzu kommt, dass automatisierte Systeme vorhandene Kursschwankungen noch verstärken können, was zu überproportionalen Kursschwankungen führt und die Angst vor einem massiven Börsencrash bei aufmerksamen Beobachtern deutlich wachsen lässt.
Nicht nur wachsendes Misstrauen in die Finanzmärkte, sondern auch in die Politik
Herr Steinhagen, nicht nur das Vertrauen in die Finanzmärkte scheint zu bröckeln. Auch der Glaube an die Handlungsfähigkeit der Politik nimmt weltweit spürbar ab. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Steinhagen: Das Vertrauen in die politisch Verantwortlichen ist tatsächlich massiv gesunken. Viele Menschen sehen Politiker nicht mehr als Volksvertreter, sondern als Getriebene eines Systems, das mit den tatsächlichen Sorgen der Bevölkerung nicht mehr viel zu tun hat. Es fehlt an überzeugenden Lösungen, an klarer Kommunikation, an Transparenz und oft auch am notwendigen Sachverstand. Die Coronakrise war da ein Wendepunkt. Die Hoffnung, dass man uns mit Augenmass und Kompetenz durch schwierige Zeiten führt, hat sich bei vielen nicht erfüllt. Was passiert also? Die Menschen suchen selbst nach Sicherheit. Genau deshalb rückt das Thema Vermögensschutz wieder stark in den Fokus.
Spüren Sie das auch in Ihrer täglichen Arbeit?
Steinhagen: Absolut. Immer mehr Menschen möchten ihr Geld in reale, greifbare Werte umschichten. Edelmetalle, Kunst, Antiquitäten, Oldtimer, Uhren, all das erfährt aktuell einen spürbaren Aufwind. Ich begleite seit über 15 Jahren ausschliesslich Mandate im Bereich Vermögenssicherung und kann sagen: Die Nachfrage ist nicht nur hoch, sie ist auch emotional aufgeladen. Es geht längst nicht mehr nur um Rendite, sondern um Sicherheit. Oder zumindest das, was man darunter versteht.
Das ist ein interessanter Punkt: Was ist eigentlich heutzutage noch „sicher“?
Steinhagen: Eine gute Frage. Ehrlich gesagt: Es gibt keine eindeutige Definition. Sicherheit bedeutet für jeden etwas anderes. Das hängt von Lebenssituation, Risikobereitschaft, dem Sicherheitsbedürfnis und den ganz persönlichen Erfahrungen ab. Dazu kommt, dass es viele unterschiedliche Arten von Krisen gibt und in den Krisen wiederum verschiedene Phasen, die wir als Eskalationsstufen bezeichnen. Jede dieser Stufen hat eine andere Auswirkung und benötigt ein anderes Sicherheitslevel. Eine Inflation, als sanfte Eskalationsstufe, stellt andere Anforderungen an die Sicherheit von Vermögenswerten als zum Beispiel eine Währungsreform. Und eine Maximal-Eskalationsstufe, beispielsweise, einer aussenpolitischen Krise, also die Verwicklung in einen Krieg, hat noch einmal eine höhere Sicherheitsanforderung an Vermögenswerte. Deshalb gibt es keine pauschale Lösung, bei der man sagen kann: „Das ist jetzt sicher.“
Dennoch hört man oft, dass Gold als der Klassiker unter den sicheren Anlagen gilt. Wie sehen Sie das?
Steinhagen: Gold hat sich über Jahrhunderte bewährt und ist nach wie vor ein wichtiger Baustein im Vermögensschutz. Aber selbst hier gilt: Man muss wissen, was man tut. Nicht jede Goldanlage ist gleich sinnvoll, und auch hier bestehen Risiken. Gold hat einen besonderen Status. Rund ums Gold wurde in all den Jahrhunderten gelogen, betrogen, gefälscht und enteignet. Auch heute kann man in viele Fallen tappen, um eine ganz typische zu nennen: Man vernachlässigt die bereits hunderte Male zum Einsatz gekommenen Goldverbote und Goldhandelsverbote. Was mir besonders wichtig ist: In politisch oder wirtschaftlich unsicheren Zeiten sollte der Anteil an flexiblen Sachwerten im Eigentum steigen. Also Dinge, die man physisch besitzt und im Notfall auch bewegen kann. Gleichzeitig sollte man den Anteil klassischer Bank- oder Versicherungsprodukte überdenken.
Warum?
Steinhagen: Weil genau diese Produkte in Krisen besonders gefährdet sind. Bankenschliessungen, Währungsschnitte, Hyperinflationen, Enteignungen, Reformen, das sind ja keine theoretischen Risiken, sondern historisch belegte Vorgänge. Die meisten dieser klassischen Produkte bieten keinen ausreichenden Schutz. Viele dieser Anlagen gleichen zudem ja nicht einmal in den aktuell etwas turbulenten Zeiten die Inflation und die Abgeltungssteuer aus. Wer langfristig denkt, sollte hier dringend gegensteuern.
Exklusive Sachwerte: eine sichere Geldanlage?
In wirtschaftlich unruhigen Zeiten erleben exklusive Sachwerte offenbar eine Renaissance. Was macht diese Anlageform aus Ihrer Sicht so attraktiv?
Steinhagen: Exklusive Sachwerte bieten einen strategischen Schutz gegen systemische Risiken. Das ist der entscheidende Punkt. Anders als viele klassische Finanzprodukte hängen sie nicht direkt am Bankensystem oder an staatlichen Strukturen. Man kann den Argumenten für diese Anlagen deshalb sehr gut folgen. Sie haben in der Vergangenheit mehrfach ihre Stabilität bewiesen. Ich habe zahlreiche grosse Krisen analysiert und mir genau angesehen, wie sich verschiedene Anlageklassen in diesen Phasen entwickelt haben.
Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?
Steinhagen: Ja, sehr gerne. Ich verweise in dem Zusammenhang häufig auf das Buch „Die Target-Falle“ von Professor Hans-Werner Sinn. Darin beschreibt er im Kapitel über Staatskonkurse und Währungswechsel, dass nach dem 2.Weltkrieg, für uns alle fast unbemerkt, in 95 Ländern insgesamt 186 Schuldenschnitte durchgeführt wurden. Und überall zeigt sich dasselbe Muster: Es waren vor allem die systemisch investierten privaten Anleger, deren Vermögen unterging. Das zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte.
Das heisst, Anlagen, die in stabilen Zeiten sinnvoll erscheinen, können in Krisen sogar zum Risiko werden?
Steinhagen: Genau. Werte, die bei wirtschaftlicher Stabilität Gewinne bringen, können in einer echten Krise schnell zum Problem werden. Der Dow Jones verlor zwischen 1929 und 1933 über 80 Prozent seines Werts. Deutsche Aktien verloren in der Währungsreform 1948 sogar 87 Prozent. Wer da ausschliesslich auf systemische Anlagen gesetzt hatte, war oft existenziell gefährdet, hat aber mindestens den Grossteil seiner aufgebauten Vermögenswerte wieder verloren.
Was folgt daraus für eine moderne Vermögensstrategie?
Steinhagen: Drei wesentliche Dinge.
Erstens, ein zeitgemässer Vermögensschutz muss die Erkenntnisse vergangener Krisen einbeziehen und nutzen.
Zweitens, man muss seine kognitive Dissonanz überwinden, mögliche Krisen analysieren und Krisenauswirkungen bis zu Ende denken. Das ist laut der Psychologie schwierig, denn wir alle wollen ja keine Krise erleben. Wir wollen nicht mal darüber nachdenken und genau deshalb sind in der Vergangenheit Menschen unnötig in Krisennöte geraten.
Drittens, ein wirksames, individuelles, strategisches Vermögensschutz-Konzept erstellen.
Das bedeutet: Mobile Sachwerte gehören zwingend ins Portfolio, etwa Gold, Sammlermünzen oder Kunst. Immobilien sind ebenfalls wichtige Sachwerte, aber sie sollten im Vorfeld einer Krise nicht den Grossteil des Vermögens ausmachen. Ich empfehle hier eine Quote von 30 bis maximal 50 Prozent. Und diese sollte im Idealfall mit flexiblen Sachwerten als „Gegenspieler“ ausgeglichen werden.
Und Kryptowährungen? Viele sehen darin ja eine moderne Form der Krisenabsicherung.
Steinhagen: Kryptowährungen sind „in“, keine Frage. Und sie können in kleinen Anteilen auch sinnvoll in ein Portfolio integriert werden. Aber wir dürfen nicht vergessen: Wir haben keinerlei Erfahrungswerte darüber, wie sich Kryptowährungen in einer echten, umfassenden Wirtschaftskrise verhalten. Ob sie dann tatsächlich als sicherer Hafen taugen, ist völlig offen.
Kommen wir nochmal zurück zu Gold, dem Klassiker unter den Krisenmetallen. Warum halten Sie es für so relevant?
Steinhagen: Gold ist seit Jahrhunderten eine stabile Wertanlage, weltweit anerkannt und unabhängig von Währungen oder Banken. Besonders in Krisenzeiten zeigt es seine Stärken: Es bleibt wertstabil, ist physisch verfügbar, bestenfalls kleingestückelt und nachgefragt. Dasselbe gilt für Silber, das als zweites Währungsmetall ebenfalls sehr gut funktioniert. Lassen Sie mich aber bitte aus dringendem Grund auch an dieser Stelle für Ihre Leser noch einmal auf hunderte Goldverbote und Goldhandelsverbote der Vergangenheit hinweisen. Sie sind auch heute noch ein, aus staatlicher Sicht, legitimes Mittel, das System zu stabilisieren.
Gilt das auch für Kunst und Sammlerstücke?
Steinhagen: Ja und nein und beides ist positiv zu verstehen. „JA“ für den Fakt, dass auch diese Werte in Krisenzeiten eine wichtige Rolle spielen können. Seltene Gemälde, Skulpturen, Sammlermünzen ohne Nennwert, aber auch Vintage-Uhren oder hochwertiger Gold-Schmuck, all das kann durch Herkunft, Material, Verarbeitung, Nachfrage oder Seltenheit stark an Wert gewinnen.
Und „NEIN“ für: All diese Werte nutzen dem Staat in einer Krisenphase wenig bis gar nicht und wurden deshalb auch in der Vergangenheit von Staaten nicht beansprucht, eingezogen oder mit Handelsverboten belegt.
Wichtig ist nur: Man muss die richtige Auswahl treffen. Und auch hier gilt: physisch besitzen, verstehen, was man kauft, durchdenken, warum es sich wie in Krisen verhält, mit vergangenen Krisen abgleichen und nicht blind auf Trends setzen.
Welche unterschätzten Risiken gibt es bei exklusiven Sachwerten?
Viele Anleger betrachten Sachwerte als besonders sicher. Gibt es aus Ihrer Sicht dennoch Risiken, die man nicht unterschätzen sollte?
Steinhagen: Auf jeden Fall. Kein Vermögenswert ist völlig risikofrei, auch nicht Sachwerte. Nehmen wir Immobilien: Sie gelten zwar als wertbeständig, können aber sehr wohl durch staatliche Eingriffe an Wert verlieren. Neue Steuermodelle wie etwa eine mögliche Vermögens-, Kapital- oder Grundsteuer könnten die Attraktivität von Immobilien deutlich schmälern. Und es sind nicht nur Steuern: Auch Gesetze beeinflussen den Wert. Denken Sie etwa an die geplante Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes oder das sogenannte Vergesellschaftungsrahmengesetz, das gerade in Berlin auf den Weg gebracht wird. Oder an das neue Lastenausgleichsgesetz, das 2024 in Kraft getreten ist. Solche Entwicklungen sind klare Warnsignale.
Wie sieht es mit anderen exklusiven Sachwerten wie Diamanten aus?
Steinhagen: Diamanten werden selten nachgefragt und das hat auch gute Gründe. Erstens werden sie inzwischen in grossem Stil synthetisch hergestellt. Und diese künstlichen Steine sind mittlerweile so hochwertig, dass selbst Fachleute sie ohne technische Hilfsmittel kaum noch von natürlichen unterscheiden können. Im August 2023 kostete ein Ein-Karat-Diamant aus natürlicher Quelle rund 5.000 Dollar, ein synthetischer dagegen nur rund 1.500 Dollar. Für den Laien ist das eine unübersichtliche Lage, vor allem, wenn man in Krisenszenarien auf Werthaltigkeit oder Tauschbarkeit angewiesen ist. Und genau da liegt das zweite Problem: Diamanten gelten in Krisen nicht als besonders praktikabel, weder als Zahlungsmittel noch als sicherer Hafen.
Kunst wird oft als inflationsgeschützte Anlage gesehen. Wie bewerten Sie diesen Bereich?
Steinhagen: Wenn das so einfach wäre! Nicht alle Kunstwerke steigen ja automatisch im Wert.
Kunst hat aber einen entscheidenden Vorteil: Sie war bislang bei staatlichen Zugriffen auf private Vermögen praktisch immer aussen vor. Das macht sie interessant. Allerdings gibt es auch klare Nachteile. Anders als Gold oder Sammlermünzen besitzt Kunst keinen intrinsischen Materialwert. Und man braucht viel Fachwissen. Gerade bei Sammlerstücken ist Vorsicht geboten. Es gibt nicht nur Fälschungen, sondern auch einen florierenden Schwarzmarkt mit gestohlenen Objekten. Wer sich hier nicht auskennt, kann schnell teure Fehler machen.
Aber Risiken gibt es doch auch bei Edelmetallen. Welche sind das konkret aus Ihrer Sicht?
Steinhagen: Zwei Punkte stechen besonders hervor: Fälschungen und wie bereits erwähnt die Gefahr staatlicher Verbote. Historisch gesehen gab es weltweit über 400 bekannte Gold- und Silberverbote. In solchen Fällen waren bestimmte Formen von Edelmetallen nicht mehr handelbar oder wurden sogar eingezogen. Das trifft vor allem Barren oder Nennwertmünzen, also jene Formen, die bei vielen im Portfolio Einzug gehalten haben und als Standardgold gelten.
Wie kann man sich davor schützen?
Steinhagen: Das erfordert spezifisches Wissen oder eine gute Beratung. Es gibt viele Möglichkeiten, in Gold zu investieren, aber nicht jede Variante erfüllt denselben Zweck. Viele Anleger sind dem Ruf des „billigen Goldes“ gefolgt und sitzen nun auf Produkten, die in einer Krise nicht funktionieren. Etwa Fonds, bei denen sie gar kein Eigentum am physischen Gold haben. Oder Gold, das nicht physisch hinterlegt ist. Wer echten Vermögensschutz will, sollte auf physisches Eigentum setzen. Aus allen Auswertungen von Krisen und der aktuellen Gesetzeslage schützt man heutzutage Vermögenswerte sehr gut mit einer Mischung aus Kunst, seltenen Sammlermünzen oder nennwertfreie Medaillen in höchster Prägequalität. Diese wurden in der Geschichte bislang von allen Enteignungen ausgenommen. Auch Goldschmuck ist bislang nie von einem Verbot betroffen gewesen. Wer das richtig macht, ist deutlich besser vorbereitet.
Vermögenswerte analysieren und besser schützen, mit dem RüVER®-Stresstest
Auch wenn Sie für exklusive Sachwerte plädieren: Ganz risikofrei sind diese Anlagen ja ebenfalls nicht. Wie gehen Sie in Ihrer Beratung mit dieser Tatsache um?
Steinhagen: Das stimmt. Kein Anlageinstrument ist komplett risikofrei, das gilt auch für Sachwerte. Genau deshalb ist es wichtig, Vermögen nicht einfach nur zu besitzen, sondern es aktiv zu managen. Ich verfolge dabei einen sehr strukturierten Ansatz, der sich aus meiner früheren Tätigkeit als Kampfjetpilot ableitet. Damals wie heute geht es um vier Grundprinzipien: Überblick, Disziplin, Präzision und Entscheidungskraft. Das übertrage ich konsequent auf meine Arbeit in der Vermögenssicherung.
Und wie sieht das konkret in der Praxis aus?
Steinhagen: Herzstück meiner Strategie ist der RüVER®-Stresstest, den ich mitentwickelt habe. Dabei handelt es sich nicht um einen klassischen Finanzcheck, sondern um eine realitätsnahe Krisensimulation. Wir betrachten nicht nur Zahlen und mögliche Renditen, sondern stellen gezielt die Frage: Wie krisenfest ist das bestehende Vermögen wirklich?
Wie läuft so ein Stresstest ab?
Steinhagen: Der Einstieg ist immer ein persönliches Gespräch. Ich möchte zunächst verstehen, ob sich die bestehenden Vermögenswerte überhaupt für eine Krisenprüfung eignen. Dabei geht es nicht um Produkte oder Empfehlungen, sondern um eine ehrliche Einschätzung der aktuellen Lage. Erst wenn das gegeben ist, folgt der zweite Schritt: Wir simulieren konkrete Krisenszenarien, etwa Inflation, Währungsreformen, Kapitalverkehrskontrollen, Goldverbote oder auch staatliche Enteignung.
Und diese Szenarien gelten dann pauschal für alle Kunden?
Steinhagen: Nein, im Gegenteil. Jeder Fall ist anders, deshalb passen wir die Krisensimulation individuell an die jeweilige Vermögensstruktur an. Wir analysieren genau, welche Werte bei welchen Szenarien wie reagieren würden. Der Fokus liegt dabei nicht auf Gewinnchancen, sondern auf Schutzfunktionen. Ziel ist es, Schwachstellen frühzeitig zu erkennen und gezielt zu beheben, bevor es ernst wird.
Herr Steinhagen, was würden Sie abschliessend denjenigen mitgeben, die aktuell unsicher sind, wie sie ihr Vermögen auf die kommenden Jahre ausrichten sollen?
Steinhagen: Ich würde sagen: Wer heute nicht nur Vermögen besitzt, sondern Verantwortung dafür übernehmen will, sollte nicht länger abwarten. Die Zeiten, in denen man sich auf klassische Produkte verlassen konnte, sind vorbei. Es braucht Eigeninitiative, unabhängige Analyse und ein solides Verständnis für Risiken, gerade in wirtschaftlich und politisch angespannten Phasen. Wer dabei auf echte Werte, Klarheit und Flexibilität setzt, ist besser aufgestellt als derjenige, der nur auf Rendite schielt. Es geht nicht darum, Panik zu machen. Aber es geht darum, vorbereitet zu sein, bevor es andere für einen entscheiden. (SC/mc/hfu)