Boeing 737 Max gelingt Testflug nach Startverbot

Eine Boeing 737 MAX beim Abheben zu ihrem ersten Testflug zur Rezertifizierung am 29. Juni 2019 in Renton, Washington.

Seattle – Der Flugzeugbauer Boeing hat nach dem mehr als einjährigen Startverbot für seinen Krisenjet 737 Max eine wichtige Hürde auf dem Weg zur Wiederzulassung genommen. Am Montag (Ortszeit) absolvierte ein Exemplar des Mittelstreckenflugzeugs den ersten Testflug. Gesteuert wurde die Maschine von einem Piloten der US-Luftfahrtbehörde FAA und einem zweiten von Boeing. Zwei weitere Tage mit Testflügen sollen folgen. Dabei will die FAA überprüfen, ob der Flugzeugtyp nach etlichen Verbesserungen wieder für den Flugverkehr freigegeben werden kann.

Nach zwei tödlichen Abstürzen darf die Boeing 737 Max bereits seit März 2019 nicht mehr eingesetzt werden. Für eine erneute Zertifizierung sind allerdings noch einige weitere Hürden zu nehmen. Der Test der verbesserten Steuerungstechnik war seit dem vergangenen Jahr immer weiter verschoben worden, da Ingenieure und Kontrolleure immer neue Sicherheitsbedenken äusserten.

An der Börse kamen die Nachrichten gut an. Die Boeing-Aktie ging am Montag angesichts der Aussicht auf eine baldige Wiederzulassung mit einem Kursplus mehr als 14 Prozent aus dem Handel. Allerdings hat sie seit dem Jahreswechsel im Zuge der Corona-Krise immer noch rund 40 Prozent an Wert eingebüsst.

Auslieferungen seit 15 Monaten gestoppt
Ein Ende der weltweiten Startverbote würde Boeing erlauben, die seit mehr als 15 Monaten gestoppte Auslieferung der Jets wieder aufzunehmen. Das würde auch wieder Geld in die Kasse des kriselnden Konzerns bringen. Der Start- und Auslieferungsstopp hat Boeing bereits rund 20 Milliarden US-Dollar (rund 18 Mrd Euro) gekostet.

Der Einbruch des Flugverkehrs infolge der Coronavirus-Pandemie brachte den Konzern inzwischen zusätzlich in die Bredouille, weil viele Airlines derzeit gar keine neue Maschinen gebrauchen können. Rund 450 bereits fertige Jets der 737-Max-Reihe warten bei Boeing auf ihre Auslieferung. Die FAA will jedes der Exemplare einzeln inspizieren und freigeben.

Norwegian storniert
Viele von dem Flugverbot betroffene Fluggesellschaften fordern von dem Hersteller Schadenersatz. So hat sich der deutsche Reisekonzern Tui mit Boeing auf eine Kompensation geeinigt und wegen der Corona-Krise zudem die Abnahme neuer Maschinen weiter in die Zukunft verschoben. Die norwegische Fluglinie Norwegian hingegen stornierte ihre gesamten Bestellungen von 97 Boeing-Jets und will nun vor Gericht auf Schadenersatz klagen.

Über den Flugzeugtyp 737 Max waren im März 2019 als Konsequenz aus zwei Abstürzen mit insgesamt 346 Toten weltweit Flugverbote verhängt worden. Als Hauptursache der Unglücke gilt ein speziell für das Modell entwickeltes Steuerungsprogramm namens MCAS. Boeing hatte die Probleme mit dieser Software eigentlich schon vor dem zweiten Absturz behoben haben wollen, stattdessen kamen jedoch etliche neue Mängel hinzu. Das Debakel um die 737 Max verursachte enorme Kosten und erschütterte das Vertrauen in den Erzrivalen von Airbus .

Sollte bei der nun gestarteten Testphase alles glattgehen, könnte Boeing sich gute Chancen auf eine Wiederzulassung der 737 Max in den kommenden Monaten ausrechnen. Zum Jahresende hin könnten Fluggesellschaften die Unglücksjets womöglich wieder in Betrieb nehmen. Zum genaueren Zeitplan machten weder die FAA noch Boeing Angaben.

Auch FAA unter Druck
Neben Boeing steht auch die FAA wegen der Abstürze stark unter Druck. Dem Hersteller wird angelastet, die 737 Max im Wettbewerb mit Airbus überstürzt auf den Markt gebracht und dabei die Sicherheit vernachlässigt zu haben. Der Behörde wird vorgeworfen, sie habe bei der ursprünglichen Zertifizierung die Augen zugedrückt und sich vom Hersteller an der Nase herumführen lassen. Heikle Interna von Boeing liessen auch die FAA in sehr schlechtem Licht erscheinen. In brisanten Mitarbeiter-Chats hiess es zur 737 Max etwa: «Dieses Flugzeug ist von Clowns entworfen, die wiederum von Affen beaufsichtigt werden.»

Umso genauer will der erst seit August 2019 amtierende FAA-Leiter Steve Dickson – selbst ein ehemaliger Pilot – die Maschinen prüfen lassen, bevor sie wieder zugelassen werden. Dickson betont stets, dass es beim Verfahren zur Wiederzulassung keine Fristen für seine Mitarbeiter gebe.

Der FAA-Chef hat gute Gründe, penibel zu sein. Denn eine erneute Blamage könnte sich die Behörde kaum leisten. Ob bei der ursprünglichen Zertifizierung der 737 Max alles mit rechten Dingen zuging, ist Gegenstand verschiedener Ermittlungen. Es gibt den Verdacht, dass Boeing wichtige Informationen unterschlagen hat, was sogar strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen könnte. (awp/mc/ps)

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