Kiel – Der Global Jobs Index bietet erstmals eine Berechnung, wo in Zukunft Jobs entstehen. Bis 2030 wird die Zahl der Jobs weltweit um 100 Millionen wachsen, davon über 75 Millionen in Afrika. In Europa hingegen werden die Erwerbsbevölkerung und die Gesamtzahl der Jobs schrumpfen. In Ländern wie Kenia wird die Bevölkerung bis voraussichtlich 2060 nahezu vollbeschäftigt sein.
Bis 2029 werden weltweit voraussichtlich über 100 Millionen neue Jobs entstehen, wobei vor allem in den Ländern Afrikas neue Lohnarbeit geschaffen wird. Das geht aus dem Global Jobs Index hervor, den das Kiel Institut für Weltwirtschaft gemeinsam mit dem Hamburger Startup Impacc erstmals auf Basis von weltweiten Zahlen erstellt hat. Die den Berechnungen zugrunde liegenden Daten stammen unter anderem von der Internationalen Arbeitsorganisation der Vereinten Nationen und von nationalen Statistikämtern. Aus den Berechnungen geht hervor, in welchen Ländern in den nächsten Jahren komplett neue Jobs entstehen werden – nicht durch Nachbesetzungen, sondern zusätzlich.
Dabei zeigt sich, dass Beschäftigung vor allem in Afrika wächst: Auf dem Kontinent werden gegenüber heute bis 2030 über 75 Millionen Menschen zusätzlich in Jobs arbeiten, die mehr als die absolute Armutsgrenze von 2,15 US-Dollar pro Tag zahlen. In Asien wird diese Zahl netto um 21 Millionen steigen, in Südamerika um 9 Millionen und in Nordamerika um 4 Millionen. Ozeanien wird im gleichen Zeitraum 0,4 Millionen neue Jobs über der absoluten Armutsgrenze hervorbringen. Im alternden Europa hingegen fällt die Beschäftigung um 7 Millionen, wenn die Arbeitslosenquoten stabil bleiben.
Afrika profitiert von wachsender Bevölkerung
„Massives Bevölkerungswachstum plus Wirtschaftswachstum – das erklärt, warum Afrika die grösste Dynamik bei der Entstehung zusätzlicher Jobs hat. In Asien und Europa bremst die Alterung das Jobwachstum“, erklärt Forschungsdirektor Tobias Heidland vom Kiel Institut, der sich schwerpunktmässig mit wirtschaftlichen Entwicklungen weltweit beschäftigt und den Global Jobs Index wissenschaftlich verantwortet.
Anders als im globalen Norden bedeutet die Schaffung neuer Arbeitsplätze auf der Südhalbkugel auch einen direkten ersten Schritt aus der Armut. Betrachtet man die Länder des globalen Südens, sind noch rund 320 Millionen potenziell Erwerbstätige nicht in Tätigkeiten über der Armutsgrenze – entweder weil sie in ihren Jobs weniger als 2,15 US-Dollar verdienen oder komplett arbeitslos sind. Diese sogenannte Beschäftigungslücke variiert stark zwischen den Ländern. Beispiel Kenia: Von der dortigen Bevölkerung sind aktuell 22 Prozent nicht beschäftigt oder so prekär, dass sie unter der Armutsgrenze liegen. Im krisengeschüttelten Nachbarland Somalia sind es sogar 75 Prozent.
Hoffnungsträger Kenia, alterndes Europa
Die Projektion zeigt jedoch, dass in Kenia bis 2060 die Beschäftigungslücke nur noch bei rund 2 Prozent liegen wird; in Somalia hingegen immer noch bei rund 63 Prozent. In beiden Ländern ist vor allem mit der Entstehung von Gig-Jobs, also kleineren Tätigkeiten oder Projektarbeit, zu rechnen.
„Jobs, die Menschen zunächst aus der absoluten Armut holen, sind der erste zentrale Schritt wirtschaftlicher Entwicklung. Sie sind oft informell und basieren auf Selbstständigkeit oder wechselnden Jobs. Der nächste Schritt sind dann produktivere, besser bezahlte und stabile Arbeitsplätze, die nachhaltigen Wohlstand und gesellschaftliche Stabilität ermöglichen. Der Schlüssel für mehr Jobs sind junge, wachsende Unternehmen – auf dem gesamten Kontinent“, erklärt Till Wahnbaeck, der Gründer von Impacc. Die gemeinnützige Firma investiert Spenden in afrikanische Startups, um die Selbstständigkeit vor Ort zu fördern.
Shiela Birungi, Head of Ventures bei Impacc, ergänzt: „Kenia ist heute bereits der Dienstleistungs- und Technologieführer Ostafrikas. Das bringt einerseits viele Tätigkeiten des Typs Uber-Fahrer hervor, also selbstständige Service-Leistungen. Andererseits entsteht Innovation durch Startups, die Probleme wie Zugang zu Nahrungsmitteln oder Gesundheitsversorgung lösen. Dadurch ist perspektivisch auch mit mehr Wissensjobs und sogenannten Big Jobs, also Festanstellungen mit mehr finanzieller Sicherheit, zu rechnen.“
Und Europa? Das ist von den afrikanischen Armutssorgen weiterhin weit entfernt. Dennoch nimmt die Anzahl neu entstehender Jobs auf dem alternden Kontinent ab. Gleichzeitig kann auch Europa vom afrikanischen Job-Turbo profitieren: „Es ist denkbar, bestimmte Tätigkeiten stärker zu verlagern, um dem hiesigen Fachkräftemangel zu begegnen. Investitionen in Afrika fördern zugleich die dortige wirtschaftliche Eigenständigkeit und verringern Migrationsdruck“, so Tobias Heidland vom Kiel Institut. (Kiel Institut/mc/pg)
