Christoph Birchler, CEO Maestrani, im Interview

Christoph Birchler

Christoph Birchler, CEO Maestrani: "Eigene Läden sind grundsätzlich ein reizvolles Thema – auch für uns." (Foto: zvg)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Birchler, im April hat Maestrani Chocolat Ammann, bekannt für seine Schokoladenküsse, übernommen – nun kurz darauf den belgischen Pralinenhersteller Delafaille. 2022 haben Sie bereits die Genfer Pralinen-Marke Avelines gekauft. Welches sind die Pfeiler Ihrer Expansionsstrategie?

Christoph Birchler: Auf den ersten Blick mag das wie eine geballte Serie an Übernahmen erscheinen. Tatsächlich arbeiten wir jedoch bereits seit längerem an beiden Projekten. Wann solche Vorhaben konkret Realität werden, lässt sich nicht immer vollständig aussteuern – man muss Opportunitäten nehmen, wenn sie sich bieten und den richtigen Reifegrad zeigen. Der zentrale Pfeiler unserer Strategie bleibt das organische Wachstum. In den letzten Jahren konnten wir hier die stärksten Impulse setzen – durch Innovationskraft, konsequente Markenarbeit und eine enge Verbindung zum Markt. Gezielte Akquisitionen verstehen wir dabei als langfristige Ergänzung: Sie schaffen die Basis für weiteres organisches Wachstum. Mit Chocolat Ammann stärken wir unsere Position im Heimmarkt Schweiz. Mit Delafaille erschliessen wir zusätzliche Potenziale im internationalen Pralinensegment. So verbinden wir bewusst nachhaltiges Wachstum aus eigener Kraft mit strategischen Zukäufen.

Welche Möglichkeiten bieten sich Ihnen mit Delafaille über eine Sortimentserweiterung hinaus?

Mit Delafaille stärken wir unsere Position im internationalen Wettbewerb gleich auf mehreren Ebenen. Neben der Sortimentserweiterung erschliessen wir neue Kunden und Absatzmärkte und bauen gleichzeitig unsere technologische Kompetenz weiter aus. Ein besonderer Mehrwert liegt darin, dass wir nun aus einer Hand zwei international hoch angesehene Herkunftswelten anbieten können: Schweizer Markenprodukte – hergestellt in der Schweiz mit hochwertigen Schweizer Rohstoffen – und belgische Pralinen – gefertigt in Belgien. Beide Herkunftsbezeichnungen geniessen weltweit einen exzellenten Ruf für Qualität, Genuss und Handwerkskunst. Damit sind wir künftig noch besser aufgestellt, um dem internationalen Wettbewerb mit einem glaubwürdigen, differenzierten und hochwertigen Angebot zu begegnen – und unsere Marken in neuen Märkten weiter zu stärken.

«Der zentrale Pfeiler unserer Strategie bleibt das organische Wachstum.»
Christoph Birchler, CEO Maestrani

Belgien und die Schweiz sind weltbekannt für ihre Schokolade. Wie bringen Sie diese zwei «Schokoladen-Welten» zusammen?

Gar nicht – und genau das ist der Punkt. Wir haben hier zwei starke Schokoladenkulturen, beide auf Augenhöhe, beide mit weltweitem Renommee. Unser Ziel ist es nicht, diese Kulturen zu vermischen oder zu vereinheitlichen, sondern sie bewusst nebeneinander zu zelebrieren. Die Schweiz steht für traditionelle Schokoladenkunst, höchste Qualität und fein abgestimmten Geschmack. Belgien für kreative Pralinenkunst und Handwerkscharakter. Beides hat seinen festen Platz – und seine eigene Identität. Aus der Frage, wer die bessere Schokolade macht, entsteht eine gesunde, inspirierende Konkurrenz. Diese Vielfalt bereichert nicht nur unser Portfolio, sondern wird auch für die Zukunft neue Impulse setzen.

Während die Arbeitsplätze von Chocolat Ammann zu Maestrani nach Flawil verlegt werden, wird Delafaille als eigenständiges Unternehmen in Belgien weitergeführt. Wie planen Sie Nachfolge, wenn der bisherige Eigentümer nach einer Übergangszeit von Bord geht?

Delafaille ist ein Familienunternehmen mit starken Werten, grossem handwerklichem Können und einer Unternehmenskultur, die jener von Maestrani in vielerlei Hinsicht entspricht. Die Übernahme erfolgte im Rahmen einer langfristig vorbereiteten Nachfolgelösung – mit dem gemeinsamen Ziel, die Erfolgsgeschichte von Delafaille kontinuierlich weiterzuführen. Der bisherige Eigentümer, Paul Daems, wird den Übergang aktiv begleiten und dem neuen CEO den Start erleichtern. Dieser bringt umfassende Erfahrung als belgischer Schokoladen-Insider mit und übernimmt die Leitung des Transitionsprozesses auf Seiten von Maestrani. Damit stellen wir sicher, dass Kontinuität, Know-how und Unternehmenskultur in bewährter Qualität erhalten bleiben und zugleich neue Impulse Raum finden.

Wie herausfordernd sind die hohen Kakaopreise, die sich in den letzten drei Jahren vervierfacht haben?

Die Situation ist noch immer sehr angespannt. Die Kakaopreise befinden sich nach wie vor auf einem extrem hohen Niveau und vor allem die starke Volatilität macht das Management der Rohstoffbeschaffung anspruchsvoll. Es ist eine echte Belastungsprobe – für die gesamte Branche, aber auch für uns als Unternehmen. Unsere Teams leisten in dieser Krisensituation Grossartiges. Sie schaffen es, trotz des notwendigen Krisenmanagements gleichzeitig auch strategische Wachstumsprojekte voranzutreiben. Das erfordert ein gutes Zusammenspiel zwischen Tagesgeschäft und Zukunftsgestaltung. Aber letztlich sind es genau diese Projekte – wie die Übernahme von Chocolat Ammann oder Delafaille – die Teil der Lösung sind. Sie stärken unsere Widerstandsfähigkeit und schaffen für die Zukunft neue Perspektiven.

«Die Kakaopreise befinden sich nach wie vor auf einem extrem hohen Niveau und vor allem die starke Volatilität macht das Management der Rohstoffbeschaffung anspruchsvoll.»

In welchem Umfang haben Sie die höheren Kakaopreise an die Konsumenten weitergegeben?

Wir haben uns lange dagegen gestemmt, die gestiegenen Kakaopreise an unsere Kundinnen und Kunden weiterzugeben. Stattdessen haben wir intern gespart, weiter rationalisiert und wo immer möglich Effizienzpotenziale genutzt. Aber irgendwann war eine Preisanpassung unvermeidlich. Dennoch agieren wir dabei ganz bewusst mit Zurückhaltung – deutlich moderater als der Markt insgesamt. Uns ist es ein zentrales Anliegen, dass hochwertige Schokolade auch künftig für die breite Öffentlichkeit zugänglich bleibt.

Die hohen Preise sind unter anderem schlechten Wetterbedingungen und Krankheiten geschuldet, die die Kakaobäume befallen. Rohstoffspekulanten dürften auch dazu beigetragen haben. Welche weitere Entwicklung erwarten Sie?

Kurzfristig ist keine Entspannung in Sicht. Der Anbauzyklus von Kakao ist lang – es dauert drei bis fünf Jahre, bis ein neu gepflanzter Kakaobaum erstmals Ertrag bringt. Die aktuell hohen Preise werden zwar mittelfristig zu Investitionen in den Anbau und damit zu einer Ausweitung der Produktion führen. Die grundlegenden strukturellen Herausforderungen bleiben jedoch bestehen: klimatische Risiken und allfällige Pflanzenkrankheiten – und nicht zuletzt die Spekulation auf den Rohstoffmärkten. All das wird auch in Zukunft für Anspannung und hohe Volatilität sorgen: Der Kakaomarkt bleibt also ein sensibles System mit grosser Unsicherheit.

Maestrani macht 10 Prozent des Umsatzes in den USA. Wie belastend ist Donald Trumps Zollpolitik für Ihr Unternehmen?

Die Zollpolitik ist sicherlich ein herausfordernder Faktor – vor allem aufgrund der grossen Unsicherheit, die sie mit sich bringt. Diese wirkt sich auch auf die Konsumentenstimmung aus und damit auch direkt aufs Kaufverhalten der Konsumentinnen und Konsumenten. Noch stärker belastet uns jedoch der starke Schweizer Franken: Die Wechselkursentwicklung trifft nicht nur das US-Geschäft, sondern unser gesamtes Exportportfolio.

Maestrani vertreibt neu auch Schokolade in den USA. Dazu zwei Fragen: Wie ist es dazugekommen und wie ist Maestrani vor Ort aufgestellt?

Maestrani hat Anfang Jahr in den USA ein eigenes Start-up-Joint-Venture gegründet – die Magic Chocolate Inc.. Ziel ist es, unter der Marke Magic Chocolate nachhaltige, hochwertige Schokolade aus regenerativem Anbau mit besonderem Charakter und klarer Wertebasis im US-Markt zu positionieren. Es handelt sich um eine eigenständige Vertriebs- und Marketingorganisation, die den Markteintritt in den USA mit viel Unternehmergeist und Begeisterung vorantreibt. Noch ist es ein echtes Startup – eine kleine, engagierte Einheit von Schokoladenbegeisterten, teils festangestellt, teils freelance.

Nachhaltigkeit, das Interesse der Konsumenten an den Inhaltsstoffen, Genuss und Gesundheit sind nur einige, längerfristige und auch für Maestrani wichtige Trends in der Schokoladenindustrie. Wie aber reagieren Sie auf Hypes wie der Dubai-Schokolade?

Nachhaltigkeit ist für Maestrani kein kurzfristiger Trend, sondern fester Bestandteil unseres Wertesystems und unserer Unternehmensstrategie. Sie prägt unsere Entscheidungen: von fair gehandelten Rohstoffen bis zur klimaneutralen Produktion am Standort Flawil. Nachhaltigkeit bedeutet für uns Verantwortung, aber auch Qualität: Denn nachhaltige Schokolade ist für uns die bessere Schokolade. Daneben verfolgen wir aber solche Hypes wie die Dubai-Schokolade mit grossem Interesse – und auch mit Freude. Es ist spannend zu sehen, wie durch neue Zutaten, Texturen und Inszenierungen frische Impulse in die Schokoladenwelt kommen. Solche Hypes bringen Bewegung in den Markt – und manchmal auch echte Innovation. Auch wir haben in unserer Confiserie mit Dubai-Schokolade experimentiert. Letztlich haben wir aber entschieden, sie nicht in der Breite einzuführen. Gleichzeitig lassen wir uns durchaus inspirieren. Viele dieser Trends fliessen in unsere Produktentwicklung ein – etwa bei der neuen, innovativen Sportsline, die wir exklusiv in Dubai gelauncht haben, bei innovativen Formaten wie der Munz Prügeli-Tafel in drei verschiedenen Geschmacksrichtungen oder bei unserer US-Marke Magic Chocolate.

«Eigene Läden sind grundsätzlich ein reizvolles Thema – auch für uns. Wir haben dazu verschiedene Konzepte bereit und verfolgen den Markt sehr genau.»

Viele Ihrer Konkurrenten wie Lindt & Sprüngli oder Läderach haben ein eigenes Filialnetz. Ist das ein Thema für Maestrani?

Eigene Läden sind grundsätzlich ein reizvolles Thema – auch für uns. Wir haben dazu verschiedene Konzepte bereit und verfolgen den Markt sehr genau. Aktuell sehen wir jedoch in unseren laufenden Projekten – etwa in der Markenentwicklung im Schweizer Markt mit unseren vier Marken Munz, Minor, Avelines und Chocolat Ammann, im Export und internationalen Geschäft sowie in der stetigen Innovationsarbeit – das grössere Potenzial. Dort investieren wir gezielt Zeit und Ressourcen. Für die Zukunft schliessen wir eigene Verkaufskanäle aber keineswegs aus. Es ist eine Option, die wir im richtigen Moment und Kontext wieder aufnehmen könnten.

Seit 2017 empfangen Sie Schoggifans im Chocolarium in Flawil. Wie viele Besuchende verzeichnen Sie jährlich?

Rund 230’000 Menschen besuchen uns jedes Jahr im Chocolarium – und jeder einzelne davon ist für uns wertvoll: Einige besuchen uns als Schoggifans und neugierige Entdecker – mit anderen treten wir vor Ort auch in Kontakt und machen sie zu Schokoladentestern oder kreativen Co-Creators. Das Chocolarium ist somit weit mehr als nur ein Erlebnisort. Es schafft Nähe zur Marke, weckt Begeisterung und liefert uns immer wieder frische Impulse aus erster Hand – direkt von unseren Kundinnen und Kunden.

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