Christoph Borer, CEO Winter & Company, im Interview

Christoph Borer

Christoph Borer, CEO Winter & Company. (Foto: zvg)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Borer, Winter & Company hat in den letzten Jahrzehnten zahlreiche neue Überzugsmaterialien lanciert. Was war der Antrieb für all diese Innovationen?

Christoph Borer: Inspiration und Kreativität ist in der DNA von Winter & Company verankert. Als Unternehmen in der 4. Generation haben wir uns immer wieder neu erfunden. Das Familienunternehmen pflegt auch einen verantwortungsvollen Umgang mit der Umwelt und den Ressourcen, was die Lancierung einer Reihe nachhaltigen Produkten inspiriert hat.

Recycelbare Papiere, Wildlederimitat aus recycelten Baumwoll- und Papierfasern, Plastikflaschen, die zu hochwertigem Samt werden, Nubuk-Kunstleder aus Konsumentenabfall… Ist Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein heute der entscheidende Faktor im Bereich von Bezugsmaterialien?

Nachhaltigkeit ist nicht nur ein entscheidender Faktor im Bereich von Bezugsmaterialien, von der Druck- oder Verpackungsbranche. Es ist ein Trend, der die globale Gesellschaft einschliesst. Es ist wichtig, dass wir verantwortungsbewusster mit unseren Ressourcen umgehen und unseren Fussabdruck verringern.

Mit welchen Materialien werden Buchdeckel und Buchrücken bis heute hauptsächlich bezogen?

Hauptsächlich aus Papier und Karton. Gewebe hat Tradition im höheren Preisbereich.

Mit Toile Ocean bringen Sie nun in Zusammenarbeit mit #tide einen Bucheinband auf den Markt, der aus recyceltem Ozeanplastik gewoben wird. Wie kam es dazu?

Als globales Unternehmen arbeiteten wir aktiv an der Nachhaltigkeit unseres Produktportfolios. Uns ist bewusst, dass die Ansammlung von Plastikmüll in den Ozeanen ein grosses Problem ist und wir waren deshalb auf der Suche nach einem Unternehmen, das sich auf die Sammlung und Verwertung von Ozeanplastik spezialisiert hat. tide ocean sa hat sich genau dieser Problematik angenommen und in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der Schweizerischen Hochschule für Technik in Rapperswil eine Lösung entwickelt, wie aus Ozeanplastik Granulate und Garne hergestellt werden können. Dass das 2019 gegründete Start-up #tide ebenfalls seinen Sitz in Basel hat, war ein glücklicher Zufall. Die kurzen Kommunikationswege haben für sich gesprochen und schnell zu einer Zusammenarbeit geführt.

«Uns ist bewusst, dass die Ansammlung von Plastikmüll in den Ozeanen ein grosses Problem ist.»
Christoph Borer, CEO Winter & Company

Wie kann man sich die Produktion von Toile Ocean vorstellen?

Zuerst sammelt und sortiert unsere Partnerorganisation #tide den Plastikabfall an den Küsten von Thailand, Philippen und Indonesien vor. Dieser Plastik wird dann in der Schweiz mechanisch zu einem Granulat verdichtet und schliesslich zu einem Garn gesponnen. Dieses Ozeangarn dient Toile Ocean als Schussfaden. Der Kettenfaden wird heute aus recyceltem post-Verbraucher-Abfall hergestellt. TOILE OCEAN wird somit zu 74% aus Plastikabfall gewoben.

Was zeichnet das Material aus?

Es ist ein attraktives Bezugsmaterial aus Rohstoffen, die in unserer Branche nicht üblich sind. Gleichzeitig wollten wir ein natürliches Aussehen, Haptik und das Gefühl eines Textils kombinieren, das eine starke Umweltbotschaft vermittelt.

Wo lässt es sich ausser in der Buchbinderei einsetzen?

Durch seine Robustheit eignet sich das aus Ozeanplastik hergestellte Gewebe hervorragend als Bucheinband, weshalb wir es auch so positioniert haben. Man kann das Gewebe auch als Bezugsmaterial verwenden für HangTags, Premium Packaging, Shopping Bags und Schreibwarenartikel. Da es sehr langlebig ist, eignet sich das Material besonders für Menükarten.

«Durch seine Robustheit eignet sich das aus Ozeanplastik hergestellte Gewebe hervorragend als Bucheinband.»

Wie viel Plastikabfall kann für eine durchschnittliche Erstauflage eines Buches im deutschsprachigen Raum genutzt werden?

Der Durchschnitt einer ersten Buchauflage in Deutschland liegt bei ca. 2’000 Exemplaren. Gemessen an einer 0.5 Liter-Flasche von 14 g beinhaltet 1 m2 Toile Ocean 5.2 Flaschen aus dem Ozean. Das ergibt für eine Erstauflage ca. 1400 ozeangebundene PET-Flaschen.

Ermöglicht das Material auch neue Möglichkeiten in Design und Kreativität?

Toile Ocean lässt sich gut im Siebdruck oder Offset bedrucken und mit Heissfolienprägungen veredeln. Es lässt sich auch gut für verschiedene Anwendungen einsetzen und eröffnet somit viele kreative Möglichkeiten.

«Unser Ziel ist, Toile Ocean als neues Gewebe aus Ozeanplastik im Buchbindermarkt langfristig zu etablieren.»

Welches Potenzial sehen Sie in Toile Ocean?

Unser Ziel ist, Toile Ocean als neues Gewebe aus Ozeanplastik im Buchbindermarkt langfristig zu etablieren. Noch lieber wäre uns allerdings, wenn wir das Material nicht mehr produzieren könnten, weil es keinen Ozean-gebundenen Plastik mehr gibt.

Gibt es Kollektionen, an die sich Winter & Company noch nicht herangewagt hat, aber «auf dem Radar hat»?

Alles, was wir uns bisher vorstellen konnten, haben wir auf den Markt gebracht – von daher kann man uns durchaus als mutig bezeichnen. Wir haben natürlich auch weitere Produktideen im Köcher, die sicher einen hohen Anteil an recyceltem Content aufweisen. Welche das letzten Endes sein werden wird sich noch zeigen.

Herr Borer, besten Dank für das Interview.

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