von Patrick Gunti
Moneycab.com: Herr Frei, Ende August haben Sie das «Ur-tibits» im Zürcher Seefeld nach einem Umbau wiedereröffnet – 25 Jahre nach der Eröffnung des damals ersten tibits-Restaurants. Wie erinnern Sie sich an diese Zeit zurück?
Daniel Frei: Das war eine tolle Zeit, alles völlig neu, wir als Startup bis in die Fingerspitzen motiviert und naiv. Die Eröffnung vom ersten tibits hat uns sehr positiv überrascht. Wir wurden buchstäblich überrannt und waren auch ziemlich überfordert. Wir durften innerhalb eines Monats unseren Personalbestand verdoppeln.
Sie und ihre Brüder haben damals einen von der ETH initiierten Businessplan-Wettbewerb gewonnen. Wie sah der Businessplan damals aus?
Wir wurden am Wettbewerb zweimal prämiert und sind mit unserer Idee unter die ersten 10 gekommen. In wenigen Worten erklärt «Schnell, gsund und en Gnuss». Alles vegetarisch, da meine beiden Brüder und ich damals Vegis waren. Eigentlich haben wir ein Restaurant für uns kreiert, da es zur damaligen Zeit echt schwierig war, sich fein vegetarisch zu ernähren. Zudem wurden wir ziemlich komisch angeschaut, wenn wir uns in einem Restaurant nach einer vegetarischen Alternative erkundigten im Sinne von «Hey Jungs, so krank seht ihr nicht aus.» Vegi sein war damals eine Verhaltensauffälligkeit. Dies wollten wir ändern.
«Vegi sein war damals eine Verhaltensauffälligkeit. Dies wollten wir ändern.»
Daniel Frei, CEO tibits
Den Businessplan umgesetzt haben Sie zusammen mit Rolf Hiltl – der gemeinhin als «Vegi-Papst» betitelt wird und auch heute noch Teilhaber ist. Was war damals seine Rolle?
Rolf hatte von unserem Projekt aus der Zeitung erfahren und darin gelesen, dass wir auf der Suche nach einem Partner aus der Gastronomie sind. Er kannte uns vom Gesicht her als Stammgäste vom Hiltl. Er schrieb uns ein Mail und bot seine Zusammenarbeit. Wir haben uns getroffen und schnell gemerkt, dass wir sehr ähnliche Werte teilen und haben uns entschieden diese Partnerschaft einzugehen. Rolf hat mit uns zusammen den Businessplan weiterentwickelt und dabei sein gastronomisches Know-how einfliessen lassen. Wir haben eine gemeinsame Firma zu je 50% / 50% gegründet. Das tibits ist nach wie vor ein Familienbetrieb der beiden Familien.
Heute ist das tibits ein führendes Gastronomieunternehmen in der Schweiz. Sie betreiben mittlerweile 13 Restaurants und beschäftigen 550 Mitarbeitende aus 70 Nationen. Nicht jedes Startup legt so eine Erfolgsgeschichte hin – wie konnte diese geschrieben werden?
Mit viel Arbeit, Herzblut und auch Glück. Unsere Firma ist auf Werten aufgebaut, welchen wir all die Jahre treu geblieben sind: Vertrauen, Fortschrittlichkeit, Lebensfreude und Zeit. Wir hatten effektiv den Zeitgeist getroffen und mit viel Fleiss konnten wir das tibits weiterentwickeln. Dank einem hohen Anteil an Stammgästen haben wir all die Jahre eine treue Community aufgebaut, welche Teil vom tibits ist. Und das Allerwichtigste war und ist, dass wir ein engagiertes Team im tibits beschäftigen dürfen, das mit viel Herzblut und Engagement jeden Tag unsere Gäste begeistert.
Was war Ihre Vision damals – und wie viel davon können Sie heute in den tibits-Restaurants umsetzen?
«Schnell, gsund und en Gnuss» war die Idee für unser Restaurant. Und unsere Vision «Weltweit der Inbegriff für hochstehenden vegetarischen «Fastfood». Wir haben uns als Ziel gesetzt, dass wir in allen grösseren Städten in der Schweiz ein tibits eröffnen, immer unter der Voraussetzung, dass uns die Einwohner der Städte auch wirklich wollen. So haben wir effektiv in den Städten nach Standorten gesucht, von denen wir die meisten Anfragen bekamen. Mit dieser Strategie sind wir gut gefahren und dies verfolgen wir heute noch. Die Expansion ins Ausland haben wir ebenfalls verfolgt und wir waren von 2008 bis 2020 in London mit zwei Restaurants präsent. Leider mussten wir die beiden Lokale während Corona schliessen. Auch haben wir das tibits in Darmstadt dieses Jahr auf Ende Juni geschlossen. Wir sehen leider momentan zu wenig Potential im deutschen Markt.
Dass vegetarisches Essen gesund ist, war damals schon bekannt. Der breite gesellschaftliche Durchbruch und die Debatte über die Nachhaltigkeit von Lebensmitteln, die Einführung von Nachhaltigkeitslabels etc. folgte aber erst später. War Ihnen das Ausmass damals schon bewusst?
Die Idee ist aus einem eigenen Bedürfnis entstanden. Ebenfalls waren wir Brüder der vegetarischen Ernährung zugeneigt, weil wir dies aus ethischen Gründen für uns entschieden hatten. Wir haben von Anfang an daran geglaubt, dass sich die Gesellschaft in Zukunft mehr Gedanken zur Ernährung machen wird. Die ökologischen und gesundheitlichen Aspekte, dass vegetarische und pflanzliche Ernährung auch für diese Aspekte einen positiven Beitrag leistet,sind einige Jahre später dazugekommen.
«Wir haben von Anfang an daran geglaubt, dass die Gesellschaft sich in Zukunft mehr Gedanken zur Ernährung machen wird.»
Inwieweit hat tibits davon profitiert, dass die Ernährung beeinflusst durch Klima, Tierwohl, Umwelt und sozialer Gerechtigkeit zu einem gesellschaftlichen Thema geworden ist?
Einerseits haben wir sicher davon profitiert, andererseits konnten wir viel dazu beitragen, dass sich die Menschen mehr Gedanken zur Ernährung machten und mit tibits aufzeigen, dass weniger Fleisch Essen überhaupt kein Verzicht auf Genuss ist. Zusammen mit Hiltl haben wir einen wichtigen Beitrag geleistet, dass die vegetarische und pflanzliche Ernährung aus der «Körnlipicker» Ecke herausgekommen ist.
Auch vegane Ernährung wurde erst ab ca. 2010 zu einem breiteren gesellschaftlichen Thema. Wie hat sich Ihr Angebot seither verändert?
Wir haben relativ früh, vor 2010, an Rezepten mit pflanzlichen Alternativen für Milchprodukte und Fleisch herumgetüftelt. Dabei ist der Genuss immer im Vordergrund.
«Zusammen mit Hiltl haben wir einen wichtigen Beitrag geleistet, dass die vegetarische und pflanzliche Ernährung aus der «Körnlipicker» Ecke herausgekommen ist.»
Die Restaurants befinden sich in den grossen Schweizer Städten, Zürich, Bern, Basel, Aarau, St. Gallen, Zug, Winterthur, Lausanne, Luzern. In welche Städte könnte es Sie als nächstes ziehen?
Wir sind auf der Suche nach einem zentralen Standort in Genf. Seit Ende 2018 dürfen wir das tibits in Lausanne betreiben und bekommen vielen Anfragen von Gästen aus Genf, die sich ein tibits in ihrer Stadt wünschen. Wer dies liest und einen geeigneten Standort in Genf hat, bitte bei mir melden.
Hat sich das Thema Ausland für Sie erledigt?
Ja, das Thema Ausland-Expansion hat sich vorläufig erledigt, allenfalls macht die nächste Generation nochmals einen Versuch (schmunzelt).
Jubiläen sind immer dafür gut, Bilanz zu ziehen, gleichzeitig aber auch nach vorne zu blicken. Wie geht die tibits-Reise weiter?
Wir werden weiterhin alles daran setzen unsere Gäste mit feinen vegetarischen und pflanzlichen Leckerbissen zu überraschen und begeistern. Wir testen im tibits Seefeld und im tibits Bern Bahnhof «to go» Produkte, welche vorportioniert in einer Kühlvitrine angeboten werden um dem Bedürfnis nach schneller und gesunder Ernährung noch gerechter zu werden. Wir entwickeln laufend neue Rezepte und experimentieren mit spannenden Rohstoffen. Jetzt im Herbst kommen z.B. Gerichte mit Kritamos, dem Meeresfenchel, gerne eingesetzt in der griechischen Küche oder ein Golden Cashew Curry, entwickelt mit einer Stammgästin aus Sri Lanka.