Simon Wiedmer, CEO und Hauptinitiant Milan Aircraft, im Interview

Simon Wiedmer

Simon Wiedmer, CEO und Hauptinitiant Milan Aircraft. (Foto: zvg/mc)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Wiedmer, Sie haben vor zwei Wochen das Projekt für die Entwicklung eines vollelektrischen Schulungsflugzeugs vorgestellt. Was war der Impuls, dieses Projekt in Angriff zu nehmen?

Simon Wiedmer: Ich habe zusammen mit meinem Vater ein Kit-Flugzeug (RV8, HB-YKG) gebaut, welches wir nun seit über 10 Jahren betreiben. Dabei lernte ich, wie viel aufwändige Handarbeit in Bau und Wartung eines Flugzeugs steckt. Und es entstand der Wunsch, einmal ein Flugzeug von Grund auf zu designen und dabei ganz gezielt auf maximal industrielle Herstellung und effiziente Wartung zu achten.

Aber wenn schon Flugzeug entwickeln, dann unbedingt elektrisch, und nur wenn dafür ein attraktiver Markt besteht! Leider war dies wegen der schweren Batterien lange Zeit unrealistisch. Erst als die Energiedichte langsam stieg und Ideen für ein kompromissloses «Design for Electric» dazukamen, schien ein Durchbruch in der physikalischen Machbarkeit greifbar. Aus einfachen Überschlagsrechnungen wurde eine umfangreiche Machbarkeitsstudie. Ich involvierte Ingenieurskollegen im Bekanntenkreis, und so gründeten wir dann 2024 die Milan Flugzeugwerke AG – mit dem ambitionierten Ziel, das erste voll praxistaugliche Elektroflugzeug zu entwickeln.

Und wo steht das Projekt zum aktuellen Zeitpunkt?

Die Konzeptphase zur Abklärung und Minimierung der Projektrisiken konnten wir Anfang 2025 abschliessen. Aktuell läuft die Design-Phase des Proof-Of-Concept-Flugzeugs.

Welche technischen Kernmerkmale zeichnen den «Milan» aus?

Das Flugzeug ist aerodynamisch und strukturell dafür ausgelegt, sehr schwere Batterien (170 kWh) effizient von A nach B zu transportieren. Das Flugzeug hat deshalb mit 12 Metern eine recht grosse Spannweite, weist eine grosse Flügelfläche auf, und erreicht in Cruise-Konfiguration eine hohe Flächenbelastung. So ergibt sich bei einer ansprechenden Reisegeschwindigkeit von 120 kt (220 km/h) eine nutzbare Reichweite von über 400 Kilometern. Start und Landung sind dank sehr grosser Auftriebshilfen auch auf kurzen Pisten möglich. Hinter dem Propeller befinden sich 3 redundante, unabhängige Antriebsstränge, was zu einer extrem hohen Zuverlässigkeit des Antriebs führt. Dieser ist zudem grosszügig dimensioniert und bietet ca. 350 PS Startleistung. Dank 4 Sitzplätzen wird das Flugzeug auch für den Charter-Betrieb sehr attraktiv. Ein ergonomisches Cockpit mit besten Sitzverhältnissen, einer modernen Instrumentierung und einer sehr einfachen Motorenbedienung runden das Produkt ab.

«Das Flugzeug ist aerodynamisch und strukturell dafür ausgelegt, sehr schwere Batterien (170 kWh) effizient von A nach B zu transportieren.»
Simon Wiedmer, CEO und Hauptinitiant Milan Aircraft

Und wann soll das Flugzeug erstmals abheben?

Das Proof-Of-Concept-Flugzeug soll 2027 abheben.

Welche Zwischenschritte sind bis dahin geplant?

Ein wichtiger Meilenstein 2026 wird die Inbetriebnahme der Antriebsstrang-Komponenten sein. Der Antriebsstrang ist eine Eigenentwicklung von Milan zusammen mit spezialisierten Schweizer Partnerfirmen. Diese Eigenentwicklung ist nötig, weil der Markt keine passenden Lösungen für Flugzeuge dieser Grössenordnung bietet. Danach folgt der Aufbau der Zelle und Bodentests.

Es gibt zahlreiche Entwickler von elektrischen Kleinflugzeugen. Wie unterscheidet sich Ihr Projekt von diesen?

Viele Projekte starteten schon vor vielen Jahren und setzten darauf, dass sich die Energiedichte von Batterien rasant weiterentwickelt und vervielfacht. Deshalb wurden nicht neue Flugzeuge für den Transport von schweren Batterien geschaffen, sondern es wurden bestehende Flugzeugtypen elektrifiziert. Die grossen Sprünge in der Energiedichte blieben aber aus, und so fehlt bis heute ein Flugzeug mit wirklich praxistauglicher Reichweite.

Und da liegt der Hauptunterschied zu uns. Wir setzen nicht auf die Batterietechnologie der Zukunft, sondern erreichen dank smartem System-Engineering mit heute verfügbarer Technologie den Durchbruch in der Elektrofliegerei. Ein weiterer Unterschied liegt in den neuartigen Strukturbauweisen, welche bereits beim Bau des Prototyps eine hochgradig industrielle Fertigung ermöglichen und eine wettbewerbsfähige Produktion in der Schweiz und in Europa erlauben.

«Wir setzen nicht auf die Batterietechnologie der Zukunft, sondern erreichen dank smartem System-Engineering mit heute verfügbarer Technologie den Durchbruch in der Elektrofliegerei.»

Welches sind denn die grössten technischen Herausforderungen in der Entwicklung?

Eine der grössten Herausforderungen ist der sehr ausgeprägte Leichtbau, welcher notwendig ist, um den Payload für die schweren Batterien zu schaffen. Dabei kann aus Kostengründen nicht einfach konsequent auf Verbundwerkstoff gesetzt werden. Ein weiterer Knackpunkt ist das zuverlässige Verhindern von Schäden am Flugzeug im Falle von durchgehenden Batteriezellen. Dieses sogenannte «Thermal-Runaway-Problem» ist eine der grössten Herausforderung der elektrischen Fliegerei generell.

Die Zulassung des gesamten elektrischen Antriebes stellt eine weitere grosse Schwierigkeit dar. Es gilt, neuartige Sicherheitsprobleme in den Griff zu bekommen und die entsprechenden Nachweise zu liefern, während die entsprechenden Regulatorien den Entwicklungen hinterherhinken und sich nach wie vor in Evolution befinden.

Wie wird ein Elektroflugzeug die Ausbildung in Bezug auf Handling, Wartung und Kosten verändern?

Das Handling wird einfacher, sowohl während des Fluges wie auch am Boden. Die Wartung wird massiv einfacher und damit günstiger. Zusammen mit den tieferen Energiekosten erwarten wir eine Betriebskostensenkung um ca. 65 % bei typischer Flugschulnutzung.

Wie gross ist der Markt für Ihr elektrisches Schulflugzeug?

Allein in Europa werden um die 5000 Flugzeuge für die Grundschulung eingesetzt. Die Flotten sind bei einem Durchschnittsalter von über 37 Jahren massiv überaltert. Dies, weil Neuanschaffungen nicht zu massgeblichen Verbesserungen von Kosten und Emissionen führen. Wir wollen einen Grossteil dieser Flotte in Europa und später auch ausserhalb schrittweise ersetzen.

«Allein in Europa werden um die 5000 Flugzeuge für die Grundschulung eingesetzt. (…) Wir wollen einen Grossteil dieser Flotte in Europa und später auch ausserhalb schrittweise ersetzen.»

Wie schätzen Sie den wirtschaftlichen Nutzen für Flugschulen ein – sowohl in Anschaffung als auch Betrieb?

Wir wollen den Flugschulen das Flugzeug im Dry-Leasing anbieten. Damit entfällt die Anschaffungshürde, was bereits ein riesiger wirtschaftlicher Nutzen bedeutet. Auch verschwinden sämtliche Risiken bezüglich unerwarteter Wartungen, und wir können die Downtime für Wartungsarbeiten auf nahezu Null reduzieren. Die tieferen Emissionen, insbesondere was den Lärm betrifft, wird der sinkenden Akzeptanz in der flugplatznahen Bevölkerung entgegenwirken und Flugbewegungseinschränkungen verhindern. In zahlreich geführten Kundeninterviews zeigte sich ein sehr grosses Interesse an Flugzeugen dieser Art.

Wie ist das Projekt bisher finanziert, welche Investoren stehen dahinter – und wie stellen Sie die weitere Finanzierung sicher?

Bisher finanzierte sich das Projekt mit Eigeninvestitionen des grossen Gründerteams, einem Frühinvestorenprogramm auf Wandeldarlehensbasis sowie mit Fördergeldern des Kantons Bern. Für Anfang 2026 ist nun eine erste Kapitalerhöhung in der Grössenordnung von 1.5 Millionen Franken geplant. Erste Investoren konnten wir bereits gewinnen, aber es gibt noch Platz für Investoren, welche mit uns Luftfahrtgeschichte schreiben wollen.

Milan Aircraft

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