Ex-Wirecard-Chef Braun kommt gegen Millionenkaution auf freien Fuss

Markus Braun, ehemaliger Wirecard-Konzernchef.

München / Frankfurt – Der milliardenschwere Bilanzskandal bei Wirecard hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Ex-Chef Markus Braun wurde am Montagabend von Ermittlern in München wegen des Verdachts auf Bilanzfälschung und Marktmanipulation verhaftet.

Gegen Zahlung einer Kaution von 5 Millionen Euro darf er allerdings wieder auf freien Fuss. Der Österreicher mit Wohnsitz in Wien habe sich selbst gestellt, teilte die Staatsanwaltschaft am Dienstag mit. In der Bilanz des Zahlungsabwicklers sind 1,9 Milliarden Euro nicht mehr auffindbar. Verhandlungen mit Banken zur Rettung des Konzerns laufen nach wie vor auf Hochtouren.

Die Ermittler legen Braun zur Last, allein oder mit weiteren Tätern die Bilanzsumme und den Umsatz durch vorgetäuschte Einnahmen aufgebläht zu haben. Die Gesellschaft habe dadurch finanzkräftiger und für Anleger und Kunden attraktiver dargestellt werden sollen, erklärte die Staatsanwaltschaft.

Die zuständige Ermittlungsrichterin setzte den Haftbefehl gegen Auflagen wie die Zahlung einer Kaution und einer wöchentlichen Meldung bei der Polizei aus. Er sei damit aber nicht aufgehoben. Brauns Anwalt war für einen Kommentar zunächst nicht erreichbar. Wirecard lehnte eine Stellungnahme ab.

1,9 Milliarden nicht existent
Der in den vergangenen Jahren stark gewachsene Zahlungsdienstleister hat Anfang der Woche eingeräumt, dass ein bilanziertes Vermögen von 1,9 Milliarden Euro auf Konten in Asien aller Wahrscheinlichkeit nach gar nicht existiert. Braun trat zurück, der für das Asiengeschäft zuständige Vorstand Jan Marsalek wurde fristlos entlassen.

Berichte und Spekulationen darüber, dass bei Wirecard Bilanzen manipuliert worden seien, gab es immer wieder. Doch konkrete Anhaltspunkte für Straftaten fanden die Staatsanwälte bislang nicht. Ein Wendepunkt war nach Angaben von Beteiligten erreicht, als Wirecard unter dem neuen Chef James Freis am Wochenende die Staatsanwaltschaft und die Öffentlichkeit über die fehlenden Milliarden informierte.

Zeit drängt
Insidern zufolge versuchen derzeit die Gläubigerbanken, sich einen Überblick zu verschaffen über die finanzielle Situation von Wirecard. Ende des Monats müssten die Gehälter für die rund 5500 Mitarbeiter des Konzerns gezahlt werden und man versuche schnellstmöglichst, eine Entscheidung zu treffen, sagte ein Insider.

Eine Verlängerung werde es – wenn überhaupt – nur unter sehr harten Bedingungen geben, sagte eine andere mit der Sache vertraute Person. Wirecard hatte am Montag erklärt, man sei in konstruktiven Gesprächen mit den Gläubigerbanken.

Finanzminister Olaf Scholz räumte mögliche Versäumnisse bei der Aufsicht über Wirecard ein. «Der Fall Wirecard ist in höchstem Masse besorgniserregend», sagte er zu Reuters. «Kritische Fragen stellen sich auch der Aufsicht über das Unternehmen, insbesondere mit Blick auf die Rechnungslegung und die Bilanzkontrolle.» Hier schienen Wirtschaftsprüfer und Aufsichtsbehörden nicht effektiv genug gewesen zu sein.

Der Chef der Finanzaufsicht BaFin, Felix Hufeld, hatte am Montag Fehler eingeräumt. Was mit Wirecard passiere, sei ein «Desaster».

Braun fast zwei Jahrzehnte an der Spitze
Braun stand fast zwei Jahrzehnte an der Spitze des Konzerns, den er vom Zahlungsanbieter auf Glückspiel- und Porno-Websiten zum globalen Finanzdienstleistungskonzern ausgebaut hat. 2018 verdrängte das ehemalige Startup die Commerzbank aus dem Dax und Braun wurde als Visionär gefeiert, der den Banken das Fürchten lehren würde. Wirecard wickelt Zahlungen zwischen Händlern und Kunden ab und gibt auch Kreditkarten heraus.

Die Aktien schnellten nach den heftigen Kursverlusten der vergangenen Tage um gut 30 Prozent hoch – Händler machten aber Leerverkäufer dafür verantwortlich, die sich nun mit den Papieren eindecken müssten. (awp/mc/ps)

Wirecard
Aktienkurs bei Google

Exit mobile version