Reaktionen zwischen Wut und Verständnis zu neuen Bundesregeln

Gerhard Pfister

Mitte-Präsident Gerhard Pfister. (Foto: gpfister.ch)

Bern – Die Gesundheitsdirektoren räumen ein schlechtes Zusammenspiel zwischen Bund und Kantonen in den letzten Tagen ein. Die SP stellt sich hinter die neuen Corona-Massnahmen des Bundesrates. Gastrosuisse schäumt.

Es brauche vor den Festtagen wieder eine gemeinsame Kraftanstrengung von Bund, Kantonen und der Bevölkerung, hielt die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) am Freitag in einer Mitteilung fest. Das Zusammenspiel zwischen Bund und Kantonen habe in den letzten Tagen nicht optimal funktioniert.

Dass der Bundesrat nun weniger stark betroffenen Kantonen die Möglichkeit gibt, die Öffnungszeiten in Gastrobetrieben auszuweiten, kommentierte die GDK nicht weiter. Sie hielt lediglich fest, die Landesregierung habe auf einen der zahlreichen Anpassungseinträge der Kantone reagiert.

Gastrosuisse will 600 bis 800 Millionen
Erzürnt reagierte der Branchenverband Gastrosuisse auf die neusten Beschlüsse aus dem Bundesrat. Der Bundesrat würge der Gastrobranche die Luft ab. Der Beizenschluss um 19 Uhr komme einem generellen Lockdown gleich und sei ein «Tod auf Raten» für viele Betriebe, sagte Präsident Casimir Platzer am Freitag vor den Medien.

Der Bundesrat würdige in keiner Weise die grossen Bemühungen der Branche, einen sicheren Betrieb zu gewährleisten. Das Vorgehen sei planlos und unglaubwürdig. Es gebe keinerlei Beweise, dass es in Gastrobetrieben überhaupt zu Ansteckungen komme, so Platzer weiter. Die Gastrobranche müsse einfach für die Symbolpolitik des Bundesrats herhalten, der seine Hausaufgaben zwischen erster und zweiter Welle nicht gemacht habe.

Angesichts des neusten Tiefschlags forderte Gastrosuisse deshalb sofortige finanzielle Entschädigung. Laut Direktor Daniel Berner braucht es monatlich 600 bis 800 Millionen Franken à-fonds-perdu, und das sehr rasch, sonst sei es zu spät.

Barbetreiber: Angst vor klarer Ansage
Die Politik verpasse es, eine klare Ansage zu machen, Barbetriebe zu schliessen und sie dafür wie in Deutschland zu entschädigen, monierte die Bar & Club Kommission Zürich (BCK) am Freitag in einer Reaktion auf die neuen Massnahmen des Bundesrates im Kampf gegen die Corona-Pandemie.

Bei allem Verständnis für den Bund löse das «Hickhack zwischen dem Bund und den Kantonen» aber zunehmend Befremden aus. Hier werde ein politischer Machtkampf auf dem Rücken der Unternehmen ausgetragen.

SP: Schutz der Gesundheit hat Priorität
Die SP stellte sich hinter die Massnahmen des Bundesrates. Sie entsprächen der Forderung der SP, das Heft wieder in die Hand zu nehmen, jedoch weiter eine Türe für regionale Unterschiede offen zu lassen.

Die Gesundheit zu schützen sei das beste Mittel, um eine langanhaltende soziale und wirtschaftliche Krise zu verhindern. Bevölkerung und Wirtschaft würden die neuen Massnahmen aber nur akzeptieren, wenn sie von schneller, unbürokratischer und grosszügiger wirtschaftlicher Unterstützung begleitet werden.

Man müsse auch wegkommen, von Härtefällen zu sprechen. Die Schweiz brauche ein System zur Kompensation von Einkommensausfällen, lässt sich Co-Präsident Cédric Wermuth in der Mitteilung zitieren.

CVP: Unwürdige Debatte und Tiefpunkt
Die Massnahmen des Bundesrates seien notwendig, um das Gesundheitswesen, die Wirtschaft und die Gesellschaft zu befähigen, die Krise zu bewältigen, erklärte die CVP. Sie begrüsse, dass die zusätzlichen Massnahmen die unterschiedlichen Ausgangslagen in den Kantonen berücksichtigten.

Die im Laufe der Woche entbrannte Debatte sei der Schweiz unwürdig: «Alle gegen alle und jeder nur für sich», kritisierte die CVP die Akteure. Laut Parteipräsident Gerhard Pfister hat man damit einen Tiefpunkt in der Bewältigung der Krise erreicht, den man nun gemeinsam überwinden müsse. Nur gemeinsam gelinge es, die Krise zu meistern.

SVP spricht von «Todesstoss»
Die SVP bezeichnete die Corona-Politik des Bundesrates als «wirr, hilflos, nicht faktenbasiert und gegen die Mehrheit der Kantone». Mit den «inakzeptablen» Massnahmen versetze der Bundesrat vielen Gewerbetreibenden in Gastronomie und Detailhandel «den Todesstoss».

Dank dem Druck der SVP sei für die Weihnachtszeit wenigstens die zwei-Haushalte-Regel bei privaten Zusammenkünften gestrichen worden, hiess es weiter. Ausserdem dürften die Skigebiete und die Hotels offen bleiben und die Gastronomiebetriebe könnten an Sonn- und Feiertagen öffnen. Das seien jedoch die einzigen positiven Punkte im neuen Massnahmenplan.

SGB: Härtefallfonds nicht ausreichend
Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) kritisierte, die vom Bundesrat beschlossene Aufstockung des Härtefallfonds reiche bei weitem nicht aus, um die Massnahmen abzufedern. Vom Parlament erwartet der SGB, dass es Bestimmungen in das Covid-19-Gesetz einbaut, die einen hundertprozentigen Lohnersatz für Geringverdienende in Kurzarbeit vorsieht.

Begrüsst wird vom SGB, dass die Kulturschaffenden wieder Ausfallentschädigungen beantragen können. Um die Aussteuerungen von älteren Arbeitslosen zu verhindern, müssten die Rahmenfristen verlängert und die Zahl der Taggelder erhöht werden.

Travailsuisse: Föderales Vertrauen stärken
Um einen harten Lockdown zu verhindern, brauche es jetzt den Einsatz aller, erklärte die Gewerkschaftsdachverband Travailsuisse. Und für die betroffenen Branchen seien schnell weitere Unterstützungsmassnahmen nötig, namentlich eine Reaktivierung der Corona-Kredite. Dass der Bundesrat jenen Kantonen entgegenkomme, die mit harten Massnahmen eine deutliche Senkung der Fallzahlen erreicht haben, sei für das föderale Vertrauen wichtig. (awp/mc/pg)

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