Zeitungen halten Ausweitung der Zertifikatspflicht für angemessen

Covid-Zertifikat

Schweizer Covid-Zertifikat. (Abb: BIT)

Bern – Schweizer Zeitungskommentatoren halten die vom Bundesrat notfalls geplante Ausweitung des Covid-Zertifikats unisono für vertretbar. Das sei besser als erneute flächendeckende Schliessungen etwa von Restaurants, Fitnesszentren und Kulturbetrieben, lautete der Tenor.

Eine ausgeweitete Zertifikatspflicht sei «höchste Zeit», fand etwa die Kommentatorin im «Blick» (Donnerstagausgabe). Die Schweiz stecke in der vierten Corona-Welle, den Spitälern drohe erneut eine Überlastung. «Angesichts dessen ist es kaum zu viel verlangt, den Corona-Pass zu zeigen, wenn man auswärts essen oder ins Kino will.» Für die Hälfte der Menschen im Land sei das ohnehin kein Problem, sie seien geimpft und könnten das Zertifikat einfach vorzeigen.

Ähnlich tönte es in der «Südostschweiz». «Endlich!», begrüsste das Blatt den Vorschlag des Bundesrats. Für den Kommentatoren kommt die mögliche Massnahme im direkten Vergleich zu den Nachbarländern zwar spät, aber für ihn gibt es keine Alternative. «Wer sich noch immer dagegen wehrt und der Pandemie weiterhin Raum und Zeit gewährt, steuert erst recht auf ein Impfobligatorium zu.»

«Was soll man denn sonst tun?»
«Was soll man denn sonst tun?», fragte auch der Kommentator im «Bieler Tagblatt». Es zeige sich, dass es mit dem blossen Verweis auf die Eigenverantwortung schlicht nicht klappe, dass die Schweiz die Corona-Situation in den Griff bekomme. Die neuen Massnahmen sollten erst in einigen Wochen in Kraft treten – der jüngste Auftritt des Bundesrats sei also «ein letzter Schuss vor den Bug».

Der Kommentator von CH-Media begrüsste die Ankündigung des Bundesrats, warf dem Bund aber vor, die Vorbereitungen verschlafen zu haben. «Warum erst jetzt?» Viele Experten hätten vor einem Anstieg der Fallzahlen gewarnt. «Es gehört zum Wesen der Vorbereitung, dass man sie frühzeitig anpackt.» Weiter wies er auf die Spaltung der Gesellschaft hin: Mit einer Zertifikatspflicht und kostenpflichtigen Tests würden die wenig betuchten Impfskeptiker vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen.

«‹Zweiklassengesellschaft› besser als Shutdown»
Die «Neue Zürcher Zeitung» zieht eine «Zweiklassengesellschaft» einem erneuten Shutdown vor. Die Regierung solle einzelne Bürger nicht gegen ihren Willen vor einer Infektion mit dem Coronavirus schützen, sobald eine Überlastung des Gesundheitswesens drohe, müsse sie aber handeln. Es gehe nicht mehr darum, die Ungeimpften zu schützen, sondern darum, den Zugang zu den Spitälern für alle offen zu halten.

Der Impfentscheid sei eine persönliche Angelegenheit, die den Staat eigentlich nichts angehe, hiess es im Kommentar weiter. Das heisse allerdings nicht, dass ein Entscheid gegen eine Impfung oder einen Covid-Test keine negativen Konsequenzen haben dürfe. Geimpfte, Genesene oder negativ Getestete wiesen ein deutlich geringeres Risiko auf, sich oder andere anzustecken.

Mehr Aufklärungsarbeit
Den Zugang zu Restaurants und Kinos einzuschränken, belaste die Gesellschaft, räumte auch der Kommentar im «Tages-Anzeiger» ein. Aber die Alternativen wären noch düsterer, schrieb das Blatt. Die Stabilität der Gesundheitsversorgung stehe auf dem Spiel.

Der «Tagi»-Kommentator monierte gleichzeitig eine «ungenügende Öffentlichkeitsarbeit». Diese sei ein wichtiger Grund dafür, dass die Schweiz mit 56 Prozent eine tiefe Corona-Impfquote aufweise. «Viele Ungeimpfte sind keine Dogmatiker. Also muss man aktiv auf sie zugehen, mit Fakten und Argumenten.»

Der Bundesrat hatte am Mittwoch angekündigt, im Kampf gegen die Pandemie zu prüfen, ob das Covid-Zertifikat schweizweit bei fast allen Kultur- und Freizeitaktivitäten eingesetzt werden soll. Zugang etwa zu Restaurants, Fitnesszentren und Schwimmhallen hätten dann nur noch Geimpfte, Genesene oder negativ Getestete. Ob und allenfalls wann die neuen Regeln in Kraft gesetzt werden sollen, will der Bundesrat nach der bis am Montag dauernden Konsultation bei den Kantonen und Sozialpartnern entscheiden. (awp/mc/ps)

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