Gesundheitsdaten zu Herzfehler jederzeit im Griff

Entwickelt für Menschen mit angeborenem Herzfehler: Die HeartApp ermöglicht den Betroffenen, wichtige medizinische Informationen immer bei sich zu haben. (Bild: Universität Basel, New Media Center)

Baeel – Die HeartApp ermöglicht Menschen mit angeborenem Herzfehler, alle krankheitsrelevanten Daten auf dem Smartphone zu speichern und jederzeit abzurufen. Hinter der Entwicklung steht eine Zusammenarbeit zwischen dem New Media Center der Universität Basel und dem Inselspital Bern.

Am Zoll war erst mal Endstation, als Ueli Zbinden mit seiner Frau in die Sommerferien fliegen wollte. Wozu er all die Medikamente brauche, wurde er mit einem kritischen Blick ins Handgepäck gefragt. Die Medikamentenliste hatte er mit dem Koffer aufgegeben. Zum Glück hatte er die HeartApp auf seinem Handy. Hier speichert Zbinden, der mit einem Herzfehler geboren wurde, seine Gesundheitsdaten. Dabei kommt eine ganze Menge zusammen: Neben den Medikamenten auch alle Informationen zu seiner Diagnose, Operation, Einschränkungen und den medizinischen Ansprechpartnern.

Prof. Dr. Markus Schwerzmann kennt Geschichten wie jene von Ueli Zbinden. Er ist Kardiologe und leitender Arzt am Berner Inselspital und betreut viele junge Patienten mit einem angeborenen Herzfehler. Schwerzmann erläutert: «Aus Erfahrung wissen wir, dass wir heute Herzfehler gut korrigieren können und die Patienten ein weitgehend beschwerdefreies Leben haben.» Und trotzdem hätten die meisten irgendwann Komplikationen, schränkt er ein. «Dann fragen sich viele Patienten, welche Diagnose sie eigentlich haben und wie sie operiert wurden.» Diese Unsicherheit ist für manche Patienten eine grosse psychische Belastung. Deshalb hat Schwerzmanns Herzzentrum schon mehrere erfolglose Versuche unternommen, seine Patienten aufzuklären: Mündliche Informationen gehen vergessen und gedruckte Broschüren oder Büchlein verloren.

Digitalisierung zum Patientenwohl nutzen
Für sie bietet die Digitalisierung grosse Chancen. Die meisten jungen Patienten oder ihre Angehörigen nutzen ein Smartphone. Damit haben sie das perfekte Medium immer dabei, um multimediale Inhalte zu speichern und verwalten. Zum Beispiel auch ein persönliches, elektronisches Patientendossier. Das Herzzentrum am Inselspital hatte mit einem Vorläufer der HeartApp schon erste Gehversuche im Bereich eHealth unternommen. Damit versuchen Krankenhäuser, Versicherungen und Ärzte, die Möglichkeiten der ICT zu nutzen, um Abläufe zu verbessern und die Arbeit zu erleichtern.

Vom Lehrmittel zur App
Für die Weiterentwicklung der HeartApp entschied sich das Zentrum, mit dem New Media Center der Universität Basel NMC zusammenzuarbeiten. Dieses unterstützt als Kompetenzzentrum für neue Medien mit Videos, Animationen, Games und anderen multimedialen Lösungen die Lehre in Basel.

PD Dr. Daniel Tobler ist ebenfalls Herzspezialist, allerdings am Universitätsspital Basel. Hier unterrichtet er als Privatdozent Medizinstudierende. Er hatte für seinen Unterricht beim NMC Illustrationen in Auftrag gegeben, die die verschiedenen Herzfehler und unterschiedlichen Operationsmethoden veranschaulichen. Das Projekt fand international grosse Beachtung: Nicht nur werden die Illustrationen in der Lehre an verschiedenen Universitäten genutzt. Auch in der HeartApp kommen sie zum Einsatz. Kostenlos. Denn die Grafiken stehen mit einer sogenannten Creative Commons-Lizenz allen Interessierten zur Verfügung, sofern die Quelle genannt wird.

Auch die Herzspezialisten aus Bern nutzten diese Illustrationen für ihre eigene Lehre. So fanden sie den Weg zum New Media Center. Und schon bald hatte dieses den Auftrag für eine Nachfolgeapp. In einem iterativen Prozess wurden zunächst die Anforderungen an die App in Form von Customer Stories definiert und danach umgesetzt. Ziel war eine möglichst anwenderfreundliche Benutzeroberfläche, auf der Patienten und medizinisches Personal die Gesundheitsdaten selbstständig erfassen können.

Alles für den Datenschutz
Das Resultat ist eine Web-App, die plattformunabhängig auf allen Geräten funktioniert. Besonders bei Gesundheitsdaten hat deren Schutz oberste Priorität. Die Programmierer legten bei der Entwicklung ein besonderes Augenmerk auf sensible Prozesse wie die Vergabe des Passworts für den Login oder die Zugriffsberechtigungen. Das Passwort wird deshalb vom Nutzer selbst erfasst. Und er allein hat auch Zugriff auf die Daten und kann entscheiden, ob er diese auch für Angehörige oder medizinisches Personal freigeben möchte.

Der Kardiologe Markus Schwerzmann erklärt die Vorteile dieses Vorgehens: «Die Patienten können selbstständig ihre Daten erfassen und dann ihrem Herzzentrum zum Verifizieren geben. So sind sie sicher, dass auch alle erfassten Informationen stimmen.» Und trotzdem haben sie wieder die Hoheit über die für sie lebensentscheidenden Daten. «Das Empowerment unserer Patienten ist für uns ein grosses Ziel. Viele Informationen waren bislang verstreut und teilweise nicht richtig greifbar. Mit der HeartApp ist das anders», betont Schwerzmann den Nutzen der Anwendung: «Sie schafft Klarheit und vermittelt Sicherheit und Souveränität.»

Alle Informationen, immer dabei
Das bestätigt auch Kathrin Lappert. Wie Ueli Zbinden wurde sie mit einem Herzfehler geboren. Seit einem Jahr nutzt sie die App wie bereits ihre Vorgängerversion. «So habe ich alle Informationen zur Hand, egal wann und wo ich sie brauche.» Vor allem, wenn sie in die Ferien fahre, vermittle ihr das ein starkes Sicherheitsgefühl. «Sollte ich Komplikationen haben, kann ich den Ärzten vor Ort alle Informationen weitergeben, die sie für meine Behandlung brauchen. Weil es die App auch auf Französisch und Englisch gibt, fällt sogar die Sprachbarriere weg.» Vor ihrer Abreise prüft sie jeweils, ob die Daten aktuell sind und lädt andernfalls ein Update runter. So hat sie auch offline immer die aktuellste Version ihrer Dokumentation bei sich.

Das hilft ihr auch beim Hausarztbesuch. Denn wenn schon sie als Direktbetroffene sich nicht alle Informationen merken kann, ist es für den Hausarzt noch schwieriger, den Überblick zu behalten. Dank der App fällt ihm das nun deutlich leichter. Trotzdem hat Lappert noch zwei Wünsche an die Entwickler: Sie möchte den letzten Arztbericht herunterladen können und wünscht sich einen Direktwahlknopf, mit dem sie ihre medizinischen Ansprechpartner erreichen kann. Ansonsten hält sie es wie Ueli Zbinden: Sie empfiehlt die App uneingeschränkt weiter. Sobald die erste Startphase abgeschlossen ist und eine Dokumentation vorliegt, hat der Herzspezialist Schwerzmann auch vor, die Anwendung an die übrigen Zentren in der ganzen Schweiz zu verteilen. (Universität Basel/mc/ps)

Universität Basel

 

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