Zürich – Die neu angekündigte Zolldrohung von 39% der Trump-Administration ist eine klare Eskalation des Handelskonflikts mit der Schweiz und ein harter Versuch, den Preis für den Markzutritt in die USA für die Schweiz durch Zölle und andere Forderungen, wie Investitionen in den USA oder tiefere Preise für Pharmaprodukte, massiv zu erhöhen. Sie ist deshalb zuerst als eine noch härtere Drohkulisse zu verstehen als am sogenannten «Liberation Day» am 2. April 2025. Rein ökonomisch machen die Zollberechnungen der Trump-Administration keinen Sinn. Man kommt jedoch auf ähnliche Grössenordnung des Zolls, wenn man die Formel vom «Liberation Day» verwendet und im Warenhandel die Wertsachen (v.a. Gold) herausrechnet. Aber es kann auch aufgrund der Handelszahlen im ersten Halbjahr 2025 zu diesem Zollsatz gekommen sein.
von Prof. Dr. Hans Gersbach, Co-Direktor der KOF Konjunkturforschungsstelle
Würde die Zolldrohung allerdings in sieben Tagen umgesetzt werden und bliebe lange Zeit in Kraft, hätte es erhebliche negative Auswirkungen auf die Schweizer Volkswirtschaft. In einem solchen Fall hängen die Auswirkungen massgeblich davon ab, ob die Pharmaindustrie, welche den weitaus grössten Anteil an Exporten in die USA ausmacht, ebenfalls von Zöllen in ähnlicher Grössenordnung getroffen wird oder nicht.
Mit sogenannten reziproken Zöllen von 39% auf Schweizer Warenexporte in die USA (ohne Pharma) und 15% gegenüber Exporten aus der Europäischen Union (EU) sowie einem 10%-Zoll auf Pharmaprodukte aus der Schweiz, muss eine deutliche Verringerung des Bruttoinlandprodukts (BIP) erwartet werden. Diese würden je nach Möglichkeit von Handelsumlenkungen und Zeithorizont im Bereich von 0.3% des BIPs bis 0.6% des BIPs pro Jahr liegen. Es sind deshalb mindestens 0.3% Rückgang des BIPs zu erwarten, was jeden Schweizer und jede Schweizerin im Durchschnitt fast 300 CHF. pro Jahr kosten würden. Betroffen wären vor allem die Uhrenindustrie, Präzisionsinstrumente und die Maschinenbranche. In diesen Sektoren müssten ein beträchtlicher Anteil an Firmen, die keine sehr hohe Marktmacht haben, ihre Exporte in die USA massiv reduzieren oder sogar einstellen oder sogar Marktaustritte wären möglich.
Dass die Schweiz viel härter mit Zöllen getroffen würde als die EU, trägt zu den Kosten bei. Zudem wären weitere negative Auswirkungen zu erwarten: Die internationalen Lieferketten in den genannten Industrien würden in einem grösseren Ausmass gestört, neue Lieferketten müssten konzipiert werden und die sogenannten «Second-Layer Effekte» erhöhen die Verluste deutlich und deshalb können die BIP Verluste bis 0.6% ansteigen.
Das Risiko bei der Pharmaindustrie
Ein erhebliches Risiko ergibt sich aus den von der US-Administration angedrohten hohen Zöllen auf Pharmaprodukte und daraus, ob der Zoll von 39% auch über eine längere Zeit für die Pharmaindustrie gelten würde. Die US-Regierung hat generell deutlich höhere Zollsätze für Pharmaprodukte ins Spiel gebracht. Die im April 2025 eingeleitete Section‑232‑Untersuchung umfasst pharmazeutische Erzeugnisse, Wirkstoffe sowie abgeleitete Produkte, – grundsätzlich unabhängig vom Herkunftsland. Es ist derzeit noch offen, welcher Zollsatz für die Pharmaindustrie gelten soll. Zudem stehen die Drohungen im Raum, dass die Preise für Pharmaprodukte in den USA auch von Schweizer Herstellern gesenkt werden sollten.
Sollte auch die Pharmaindustrie, welche mehr als die Hälfte der Exporte in die USA ausmacht, ebenfalls mit einem Zoll von 39% belegt werden, würde sich die Wirtschaftsleistung in der Schweiz erheblich abkühlen und die Verluste des BIPs würden sich mehr als verdoppeln. Dann müsste mit einem scharfen Rückgang des BIPs von mindestens 0.7% gerechnet werden und damit Einkommensverluste im Durchschnitt von gegen 700 CHF pro Person und Jahr. Betroffen wären dann vor allem die Uhrenindustrie, Präzisionsinstrumente, die Maschinenbranche und die Pharmaindustrie.
Der Rückgang der Wirtschaftsleistung könnte je nach Zeitdauer und Verwerfungen bei den Lieferketten und aufgrund von Verstärkungen des Abschwungs in diesem Szenario auch 1% des BIPs übersteigen. Falls Handelsumlenkungen schwierig wären, was zu erwarten ist, ergäbe sich die Gefahr einer Rezession. Sollten zusätzlich noch Preisreduktionen für Pharmaprodukte in den USA erzwungen werden, verstärken sich die Verluste der Wirtschaftsleistung weiter.
Scharfe Zäsur für die Schweiz
Das Zollprogramm der US-Administration markiert eine noch schärfere Zäsur für die Schweiz als der «Liberation Day». Nicht nur wird die harte Abkehr von Regeln, die den multilateralen Ansatz des internationalen Handels wie die Nicht-Diskriminierung und Reziprozität bei Zollabbaumassnahmen geprägt haben, weiter verschärft, sondern weil gegen die Schweiz eine maximale Drohkulisse etabliert wird.
Selbstverständlich muss jetzt alles darangesetzt werden, einen «Deal» mit der Trump-Administration zu erreichen, um die extreme Zolldrohung abzuwenden und das Risiko für die Pharmaindustrie zu limitieren. Gegenmassnahmen sind dabei nicht sinnvoll, da die Schweiz völlig isoliert mit solchen Massnahmen operieren würde und angesichts der ökonomischen und technologischen Machtverhältnisse nur verlieren würde.
Trotzdem wird eine intensive Reflexion nach der Lösung dieses Handelskonflikts nötig sein, wie sich die Schweiz in einer Welt, in der ökonomische und technologische Machtverhältnisse so stark im internationalen Handel von Gütern und Dienstleistungen und in den Finanzmärkten genutzt werden, besser aufstellen kann. (KOF/mc/pg)