US-Zölle belasten Schweizer Wirtschaft – EY erwartet deutliche Wachstumseinbussen im Jahr 2026

Daniel Gentsch, Verwaltungsratspräsident von EY in der Schweiz. (Foto: EY)

Zürich – Der neue Global Economic Outlook des Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen EY zeigt, dass die Schweizer Wirtschaft im Verlauf des Jahres 2025 deutlich an Schwung verloren hat. Nach einem starken ersten Quartal mit einem Wachstum von 2,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr, das hauptsächlich durch vorgezogene Exporte in die USA zustande kam, fiel die Dynamik im zweiten Quartal auf 1,5 Prozent und im dritten Quartal weiter auf 0,6 Prozent zurück. Diese deutliche Abschwächung ist auf das Auslaufen des Frontloadings, ungünstige Basiseffekte aufgrund der grossen Sportereignisse des Vorjahres sowie die erhöhten US-Zölle zurückzuführen.

Zollbelastung bleibt auch nach neuem Handelsdeal schwerwiegend
Die USA hatten auf ausgewählte Schweizer Exportgüter einen nominalen Zollsatz von 39 Prozent erhoben. Aufgrund sektorspezifischer Ausnahmen lag der effektive Zollsatz für Exporte in die USA jedoch bei rund 13 Prozent. Gemäss der Absichtserklärung der Schweiz mit den USA vom 14. November 2025 gilt seither eine Zollobergrenze von 15 Prozent, die für die meisten Exportkategorien Anwendung findet. Da jedoch nur rund 30 Prozent der Schweizer Ausfuhren von den nominalen 39 Prozent betroffen waren, fällt der direkte Entlastungseffekt begrenzt aus. Für die betroffenen Industrien ist diese Entlastung für Exporte in die USA dennoch von existentieller Bedeutung.

Weiterhin besteht jedoch erhebliche Unsicherheit bezüglich sektoraler US-Zölle. Insbesondere die mögliche Einführung von Zöllen auf Pharmazeutika ab dem ersten Quartal 2026 stellt ein zentrales Risiko dar, da diese rund die Hälfte der Schweizer Exporte in die USA ausmachen.

Insgesamt reduziert das neue Handelsabkommen die wirtschaftliche Belastung durch Zölle nur teilweise. EY erwartet, dass das BIP-Wachstum im Jahr 2026 trotz des Abkommens um rund 0,9 Prozentpunkte niedriger ausfällt als in einem Szenario ohne zusätzliche Zölle. Ohne ein Handelsabkommen wäre die prognostizierte Auswirkung mit 1,2 Prozentpunkten rund ein Viertel höher ausgefallen.

In der Folge rechnet EY für das Jahr 2026 mit einem gedämpften BIP-Wachstum von rund 0,6 Prozent, nach einem erwarteten Wachstum von 1,2 Prozent im Jahr 2025. Ab 2027 dürfte sich die wirtschaftliche Entwicklung wieder beleben, mit einem prognostizierten Wachstum von rund 1,5 Prozent, getragen von einer Erholung der Eurozone, einer Stabilisierung der globalen Nachfrage und günstigeren Finanzierungsbedingungen.

«Die aktuellen Prognosen zeigen ein deutlich verändertes Konjunkturbild. Die Schwankungen im Jahresverlauf verdeutlichen, wie rasch sich äussere Impulse im Schweizer BIP niederschlagen», sagt Daniel Gentsch, Verwaltungsratspräsident von EY Schweiz. «Für 2026 rechnen wir mit einer Phase, in der die Zolleffekte klar sichtbar werden, bevor sich die Entwicklung allmählich stabilisieren kann.»

Schwacher Arbeitsmarkt und tiefe Inflation
Der Schweizer Arbeitsmarkt zeigt bereits Anzeichen einer Abschwächung. So lag das Beschäftigungswachstum im ersten Halbjahr 2025 bei 0,6 bis 0,7 Prozent, während die registrierte Arbeitslosigkeit seit Ende 2023 leicht zunimmt. Unternehmensumfragen deuten auf eine weitere Eintrübung der Beschäftigungsdynamik hin. Die Lohnentwicklung bleibt ebenfalls moderat. Die Löhne steigen derzeit unter 1 Prozent. Für 2026 wird ein Anstieg auf rund 1,4 Prozent erwartet, sobald sich die wirtschaftliche Lage stabilisiert hat.

Die Verbraucherpreisinflation liegt aktuell bei 0 Prozent, dem unteren Rand des Zielbandes der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Sinkende Energiepreise, ein starker Franken und schwache Nachfrage dämpfen die Preisentwicklung deutlich.

Die SNB hat den Leitzins im Juni 2025 auf 0 Prozent gesenkt und seither unverändert belassen. Wenn sich der Franken weiter aufwertet oder die Inflationsrate erneut sinkt, schliesst EY auch kurzfristig negative Zinsen nicht aus. Eine Zinserhöhung wird erst in den Jahren 2027 oder 2028 erwartet, sobald die Inflation wieder über 1 Prozent steigt und die konjunkturelle Erholung greift.

Ausblick: Belastung erreicht 2026 ihren Höhepunkt – danach Erholung erwartet
EY geht davon aus, dass die wirtschaftliche Belastung durch die US-Zölle im Jahr 2026 ihren Höhepunkt erreicht. Insbesondere mögliche zusätzliche sektorale Zölle auf Pharmazeutika dürften das Wachstum weiter dämpfen. Ab 2027 wird eine schrittweise Erholung erwartet, unterstützt durch eine festere Konjunktur in der Eurozone, stabilere globale Nachfrage und ein günstigeres Zinsumfeld. Trotz der aktuellen Unsicherheiten bleiben die strukturellen Voraussetzungen der Schweizer Wirtschaft solide. Entscheidend für den weiteren Verlauf wird die effektive Zollbelastung sein – nicht die nominal festgelegten Zollsätze. (EY/mc/ps)

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