Von Thomas Stucki, CIO der St.Galler Kantonalbank
St. Gallen – Die Nervosität an den Finanzmärkten steigt. Die hochgelobten Tech-Aktien sind neu auf der Verliererseite, wobei diese Aussage zu relativieren ist. Die Aktie von Nvidia hat 12% verloren, ist aber immer noch 84% teurer als Mitte April. Diejenige von Palantir verlor 19%, wird aber immer noch zum 10fachen im Vergleich zu Anfang 2024 gehandelt. Der Volatilitätsindex VIX ist innert kurzer Zeit auf 22% gestiegen. Im mittelfristigen Chart ist das ein Erdbeben mit Stärke 3 und fällt nicht besonders auf. Die Unsicherheit schwappt wie üblich auf andere Märkte über. Der Bitcoin verliert 25%. Die Kryptowährungen handeln trotz des Rückschlags immer noch auf einem hohen Niveau. Im Gold werden auch Gewinne mitgenommen. Einzig der sichere Hafen Franken lockt mit seinen Leuchttürmen. Dass es an den Finanzmärkten zu solchen Gegenbewegungen kommt, ist nach dem Rally der letzten Monate normal und gut so. Dass die Crash-Propheten aus der Versenkung auftauchen und sich ins Szene setzen, gehört ebenfalls dazu.
Dass die amerikanische Bundesverwaltung mehr als einen Monat geschlossen war, interessierte die Märkte nicht. Dabei ist ein Shutdown dieser Länge nicht nur für die betroffenen Angestellten eine schwere Belastung, sondern auch für die US-Wirtschaft. Die Ankündigungen der grossen Investitionsvorhaben in KI wurden bejubelt, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, ob sich diese Investitionen je auszahlen. Dass die Fed und Jerome Powell sich bezüglich Zinssenkungen immer vorsichtig geäussert haben, wurde in der Euphorie überhört. An die US-Zölle hat man sich auch gewöhnt. Wer nicht als Unternehmer direkt betroffen ist, für den wurden sie je länger, je mehr zu einer Zahl, die sich zwischendurch halt ändert. Das schnelle Geld wollte nicht abseitsstehen und sprang auf den fahrenden Zug auf.
Nicht alles ist schlecht
Ob die gigantischen Investitionen in KI die gewünschten Effekte zeigen werden, wird man erst in ein paar Jahren sehen. Vorderhand gehen sie weiter. Die KIUnternehmen werden weiterhin viel Geld verdienen und die US-Wirtschaft wird von den Investitionen in Rechenzentren und ähnlichem profitieren. Neben den KIInvestitionen bleibt der Konsum in den USA eine verlässliche Stütze. Die Arbeitslosigkeit nimmt zwar zu und die Jobsicherheit ab, aber vor allem bei den jüngeren Leuten und den Minderheiten. Die für den Konsum wichtigste Bevölkerungsgruppe der Leute im mittleren Alter ist bisher nur wenig betroffen. Auch wenn die Fed im Dezember den Zins nicht senken sollte, sprechen die Zinsen für die Aktien. Die Fed hat noch viel Potenzial, bei Bedarf die Zinsen zu senken. Das alles zeigt sich auch an den Finanzmärkten. Bei Kursrückschlägen, praktisch egal wo, finden sich rasch wieder Käufer, die die tieferen Preise als Kaufgelegenheit sehen.
Sich von den Aktien zu verabschieden, ist nicht opportun
Die grösseren Kursschwankungen tun dem Aktienmarkt gut. Die Trittbrettfahrer und Momentum-Trader lösen ihre Positionen auf. Eine wenig loyale Investorengruppe verliert dadurch an Bedeutung. Die US-Wirtschaft, die entscheidende Stütze des Aktienmarktes, steht nicht vor dem Fall in eine Rezession. Klar sind die Bewertungen teilweise hoch, insbesondere bei den USTiteln und den Rüstungsaktien. Die Schweizer Aktien sind dagegen nicht teuer bewertet. Die Unternehmen trotzen der Unsicherheit und zeigen mehrheitlich gute Zahlen. Die Gewinnerwartungen der Analysten für das nächste Jahr werden nach oben revidiert. Man darf die Augen vor den Gefahren der aktuellen KI-BlasenDiskussion nicht verschliessen. Aufgelaufene Gewinne in diesen Titeln abzuschöpfen, ist daher keine schlechte Idee. Wenn man an den Finanzmärkten in nächster Zeit etwas verdienen will, muss man jedoch weiter auf die Aktien setzen.
