Windisch – Ein Innovationsprojekt der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW und der OST – Ostschweizer Fachhochschule zeigt erstmals, wie Carsharing-Flotten als flexible Energiespeicher zur Netzstabilisierung beitragen können. Gemeinsam mit den Energieversorgern AEM, ewz und Primeo Energie sowie der Mobility Genossenschaft wurde untersucht, wie sich bidirektionales Laden technisch und wirtschaftlich sinnvoll in bestehende Stromnetze integrieren lässt.
Das Fazit: Bidirektional ladende Elektroautos sind ein praktikabler und lohnenswerter Baustein für die Energiewende – sowohl für Netzbetreiber als auch für die Betreiber von Fahrzeugflotten.
Vom Auto zum aktiven Netzteilnehmer
Kernfrage des Projekts war: Können Elektrofahrzeuge nicht nur Strom aus dem Netz beziehen, sondern diesen auch gezielt zurückspeisen – und damit das Stromnetz entlasten? Die Antwort lautet: Ja – und das nicht nur in der Theorie. In mehreren realen Feldversuchen wurden Mobility-Fahrzeuge so gesteuert, dass sie zu bestimmten Zeiten ihre Ladevorgänge verschoben, um gezielt Strom ins lokale Verteilnetz zurückzuspeisen. Ergebnis: In bis zu 60 % der Fälle konnten Netzbelastungen erfolgreich reduziert werden. Besonders in Zeiten hoher Nachfrage oder hohen PV-Überschusses erweist sich die flexible Steuerung als wertvoller Hebel.
Intelligente Prognosen mit Machine Learning
Intelligente Prognosemodelle sagen voraus, wann und wie lange ein Fahrzeug verfügbar ist – basierend auf Millionen realer Buchungsdaten aus dem Carsharing-System. Zusätzlich wurden die Ladezustände (State of Charge) der Fahrzeugbatterien analysiert, um herauszufinden, wie viel Energie überhaupt gespeichert oder zurückgespeist werden kann.
Pro Fahrzeug standen im Mittel rund 9 bis 12 kWh nutzbare Flexibilität zur Verfügung – genug, um in Summe mit mehreren Fahrzeugen relevante Netzlasten zu puffern oder PV-Strom sinnvoll zwischenzuspeichern.
Einfache Integration ins Stromnetz möglich
Ein besonders praxisnaher Erfolg des Projekts ist das entwickelte Produktmodell zur Vermarktung von Ladeflexibilität: Es lässt sich einfach in bestehende Systeme der Verteilnetzbetreiber integrieren, ist schweizweit standardisierbar und konzentriert sich auf zwei Anwendungen:
«Laden bei Stromüberschuss» (etwa bei hoher PV-Erzeugung)
«Rückspeisung bei Netzlastspitzen»
Für die Aktivierung der flexiblen Leistung können Verteilnetzbetreiber verschiedene Arten von Steuerungen einsetzen – von bestehenden Rundsteuerungen bis hin zu modernen Laststeuersystemen.
Das Modell sieht eine Vergütung sowohl für die Bereitstellung als auch für die tatsächliche Nutzung der Flexibilität vor und funktioniert im Viertelstundenraster – angepasst an den Netzbedarf. Damit ist ein entscheidender Schritt in Richtung marktgerechte Integration von E-Mobilität und Stromversorgung gelungen.
Mehrwert für alle: Umwelt, Netzbetreiber und Nutzende
Das Projekt zeigt klar: Dezentrale E-Fahrzeuge sind mehr als nur Verkehrsmittel. Sie sind mobile, steuerbare Energiespeicher – und damit ein Schlüssel zur erfolgreichen Sektorkopplung von Mobilität und Energie.
Für Netzbetreiber bedeutet das geringere Kosten durch Lastspitzenreduktion und Netzstabilisierung. Für die Gesellschaft bedeutet es Fortschritt in Richtung klimafreundliche, dezentrale Energielandschaft. Und für Carsharing-Anbieter wie Mobility eröffnet es neue Geschäftsmodelle im Bereich netzdienlicher Dienstleistungen. (pd/mc/pg)