Meret Schneider: Kein Schwein hat, wer Schweine hat

Meret Schneider, Nationalrätin von 2019 bis 2023, Grüne Schweiz. (Bild: zVg)

Preisgestaltung, Absatzmärkte und Überschüsse: solche Themen prägen die Landwirtschaft in fast allen Sektoren. Um Milchpreise wird gestritten, um Exportförderung gerungen und über Importkontingente geflucht, im Milch-, Eier- und Käsesektor sind die Schlagworte und die damit einhergehenden Diskussionen Dauerbrenner, mal mit mehr, mal mit weniger Sachverstand oder Populismus geführt. Ein Bereich, der nun schon seit Längerem von Krisen geschüttelt wird, ist die Schweinemast. Eine Konsequenz aus der Krise und der daraus resultierenden Dumpingpreise ist, dass kleinere Schweinebauern vermehrt aufgeben müssen und jüngere Bauern die Höfe nicht übernehmen, wodurch eine Konzentration und ein Strukturwandel hin zu immer weniger Betrieben resultiert, die immer grössere Mengen produzieren.

Ein Blick auf die aktuelle Situation zeigt jedoch: es wird mehr produziert, als nachgefragt wird. Die Reaktion darauf scheint aber wenig zielführend – zumindest erschliesst sich mir keineswegs, wie die getroffenen Massnahmen zu einer nachhaltigen Verbesserung der Situation führen könnten.

Derzeit sind Überhänge von rund 50’000 Schlachtschweinen auf dem Markt zu beklagen – Tendenz steigend – ohne Aussicht auf Besserung. Der Verwaltungsrat von Proviande hat als Reaktion in seiner Sitzung Mitte November die Bildung eines Krisenstabs Schweinemarkt gebildet, der schnellstmöglich Vergünstigungsaktionen durch den Bund sowie Exportmassnahmen durch die Branche prüfen soll.

Suisseporcs fordert diesbezüglich eine ausserordentliche, branchenweite und befristete Finanzierungslösung. Der entsprechenden Medienmitteilung ist zu entnehmen,  dass Suisseporcs unter der Voraussetzung, dass sich der Handel mit 0.05 Fr./kg Schlachtgewicht und auch die Abnehmer beteiligen, einen Beitrag durch die Schweineproduzenten mit 0.15 Fr./kg Schlachtgewicht unterstützt. Während dieser Zeitspanne können die rund 50’000 Schlachtschweine aus dem Schweizer Schweinefleisch-Markt herausgenommen werden. Damit sorgen die Schweinehaltenden aktiv für die Verhinderung einer dramatischen Marktlage während den Festtagen und bekämpfen die Gefahr von tierschutzrelevanten Vorkommnissen aufgrund überbelegter Schweineställe.

Ein Fakt, der auch ausserhalb dramatischer Marktsituationen zu denken geben sollte: sobald die Schweine wenige Wochen länger als geplant in den Ställen verbleiben, drohen tierschutzrelevante Situationen, da der Platz so begrenzt ist, dass schon wenige Kilo mehr dazu führen, dass sich die sprichwörtlich armen Schweine kaum mehr bewegen können. Und dies ist nicht die erste prekäre Lage auf dem Schweinemarkt, wie ein Blick nur wenige Monate zurück zeigt:

Bereits im Sommer 2022 wurden aufgrund der vollen Ställe Ferkel nach Deutschland exportiert. Dies sei die am wenigsten schlechte von schlechten Varianten, äusserte sich damals Suisseporcs. Das Schlachten von tragenden Muttersauen wollte die Branche mit allen Mitteln verhindern. Auch das Ausmästen der Jager in den überfüllten Zuchtbetrieben ist wie erwähnt keine Alternative, da dies unweigerlich zu Tierschutzproblemen führt.

Es scheint also, als ob sich die Marktlage zumindest über die Festtage entschärft habe – doch wird sich das Problem der zunehmenden Überhänge durch wiederkehrende Marktentlastungsmassnahmen lösen lassen? Da der Konsum von Schweinefleisch in seiner Tendenz rückläufig ist, kann davon nicht ausgegangen werden und auch ein Blick ins benachbarte Ausland zeigt: auch in Deutschland kämpfen Schweinebauern mit vergleichbaren Problemen und befinden sich in teilweise noch prekäreren Situationen.

2021 klagte der Präsident des Deutschen Bauernverbandes bereits, dass Schweinebauern mit jedem verkauften Schwein Verluste einfahren. Die katastrophale Marktlage war und ist für viele Betriebe existenzbedrohend und auch der Geschäftsführer der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands bezeichnete die Lage als tiefgreifende, strukturelle Krise, die nun bereits seit 1.5 Jahren andauere. Kurzfristig forderte die Interessengemeinschaft in der Folge Überbrückungshilfen vom Staat – doch auch Überbrückungshilfen sind nur zielführend, wenn auf der anderen Seite der Brücke wieder Festland in Sicht ist, und genau dies scheint hier nicht der Fall zu sein.

Seit Jahren wird auch in Deutschland über eine nachhaltigere Tierhaltung diskutiert, doch steht noch nicht fest, ob die Bauern beim Umbau ihrer Ställe stärker unterstützt werden sollen und wenn ja, wie genau. «Bis heute fehlt ein tragfähiges Finanzierungskonzept», heisst es aus dem Deutschen Bauernverband. Vielen Schweinehalterinnen und -haltern erscheint die Perspektive derzeit so aussichtslos, dass inzwischen sogar öffentlich über eine Ausstiegsprämie diskutiert wird, also über Geld vom Staat, das den Abschied von der Tierhaltung erleichtern soll. Bisher wurde darüber eher hinter vorgehaltener Hand gesprochen, doch nun kommt der Vorschlag offiziell von der eigenen Interessenvertretung.

«Wir schlagen eine sogenannte Zukunftsprämie vor», erklärt Torsten Staack von der ISN. Diese soll sowohl Geld für eine Abwrackprämie, mit der Landwirte ihre alten Ställe abreißen oder umbauen könnten, als auch eine Ausstiegsprämie für diejenigen Berufskollegen enthalten, die mit der Tierhaltung aufhören möchten.

Diese sehr unkonventionell anmutende Lösung wirkt nur auf den ersten Blick absurd: Geld dafür, weniger Schweine zu halten und Ställe zu verkleinern? In meinen Augen auch für die Schweiz absolut sinnvoll, schliesslich sind Investitionen in tierfreundlichere Ställe, eine Umstellung auf vermehrt pflanzliche Nahrungsmittel oder Nischenprodukte wie Weidesäuli kostenintensiv, aber wünschenswert. Dass die Investitionskosten nicht von den gebeutelten Schweinebauern getragen werden können, versteht sich von selbst und wenn Steuergelder in die Situation auf dem Schweinemarkt fliessen, dann lieber in nachhaltige Lösungen, statt in Marktentlastungsmassnahmen – letztere werden uns nämlich immer wieder teuer zu stehen kommen. Es gilt, sich nun in die Umsetzung und Entwicklung in Deutschland einzuarbeiten und  – keine Angst – bevor ich politisch aktiv werde, diese Idee intensiv mit Suisseporcs zu besprechen.


Meret Schneider, Eintrag bei Wikipedia
Meret Schneider, Eintrag auf der Parlamentsseite


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