Meret Schneider: Froschschenkel mit Folgen

Meret Schneider: Froschschenkel mit Folgen
Meret Schneider, Nationalrätin von 2019 bis 2023, Grüne Schweiz. (Bild: parlament.ch)

Mit dem November rollt nicht nur der erste Zimtsterntsunami über die Regale hinweg, gefolgt von der alljährlichen “Dafür ist es zu früh”-Empörungswelle in den Sozialen Medien – nein, es ist auch die Zeit der fragwürdigen Delikatessen.

In Delikatessgeschäften und nicht wenigen Restaurants feiern Stopfleber und Froschschenkel zur Weihnachtszeit ihre traurige Hochkonjunktur. Doch während ich den Absatz von Stopfleber immer mit Optimismus verfolge und im zwar geringen, aber doch stabilen Rückgang des Konsums den Siegeszug der moralischen Verantwortung und Empathie feiere, hat mich der Blick auf die Statistik zum Import von Froschschenkeln geschockt. Während in Umfragen nach mehr Tierwohl verlangt wird, in Restaurants Herkunftsbezeichnungen von Tierprodukten salonfähig geworden sind und sich die hiesigen Grossverteiler in ihren Angeboten von pflanzlichem Fondue, Raclette und vermutlich demnächst ganzen Gänsebraten überbieten, steigt im Schatten der gehissten Flagge für mehr Tierschutz der Konsum eines der tierquälerischsten Produkte überhaupt: der Froschschenkel.

Im Jahr 2020 hat die Schweiz 65 Tonnen Froschschenkel importiert, im Jahre 2019 waren es noch ca. 56 Tonnen. Damit importiert die Schweiz gut 1% der Weltmarktproduktion an Froschschenkeln, was ich kaum glauben konnte. Die Praxis, lebenden Fröschen ihre Beine auszureissen um sie dann zu essen, siedelte ich irgendwo zwischen Mittelalter und Katzenverbrennungen zu Unterhaltungszwecken an (das war lange Zeit eine Attraktion). Naiv ging ich davon aus, dass dieses Phänomen eine nur mehr marginale Rolle in der Schweiz spielt und in Kürze verschwunden sein wird. Mein Irrtum könnte nicht grösser sein.

Die in die Schweiz importierten Froschschenkel stammen grösstenteils aus Indonesien, wobei weder die Schlachtbetriebe noch die Art der Herstellung bekannt sind; auch über die Tötungsmethode wollen die Importeure keine Auskunft geben und internationale Standards fehlen vollends. Wichtig ist dabei zu wissen, dass es sich bei sämtlichen Fröschen um Wildfänge handelt und ihnen bei lebendigem Leib der einzig konsumierbare Teil, also die Beine, ausgerissen werden. Dies ist eine Praxis, die ganz klar der schweizerischen Tierschutzgesetzgebung widerspricht, was auch der Bundesrat erkannt hat und sich zu Froschschenkeln in seinem Bericht zur Deklaration von in der Schweiz verbotenen Produktionsmethoden wie folgt äussert:

“(…) Daraus lässt sich ein gewisses öffentliches Interesse am Tierwohl ableiten und dass die KonsumentInnen bei importierten Erzeugnissen über die Produktions- und Tötungsmethoden informiert sein sollten. Bei allen drei Produkten fehlt heute eine solche Kennzeichnung. Die KonsumentInnen sind damit nur ungenügend über problematische Produktionsmethoden bei der Herstellung von Stopfleber, Froschschenkeln und Reptilienlederprodukte informiert und können keinen vollständig informierten Kaufentscheid fällen.”

Der Bund will entsprechend eine Deklarationspflicht für Froschschenkel einführen, die aus tierquälerischer Produktion stammen. Grundsätzlich ein guter Gedanke, problematisch ist jedoch, dass bei Froschschenkeln im Unterschied zu Stopfleberprodukten keine Standards existieren und es keine “tierschonende” Art der Froschschenkelproduktion gibt. Aktuell ist nicht einmal nachverfolgbar, woher die Froschschenkel stammen, was an sich bereits einigermassen skandalös ist. Neben der Tierschutzproblematik bestehen ausserdem auch massive Risiken in den Bereichen Arten- und Naturschutz. Die Entnahme insektenvertilgender Frösche in Indonesien führt zur unkontrollierten Zunahme von Landwirtschaftsschädlingen, was folglich den Einsatz giftiger Pestizide nötig macht, mit schädlichen Folgen für Mensch, Tier und Umwelt.

Wäre es in Anbetracht dieser Sachlage nicht ehrlicher, den Import von Froschschenkeln gänzlich zu verbieten, bis zumindest Standards und andere Produktionsmethoden existieren? Bei fehlender Rückverfolgbarkeit und ohne internationale Standards ist die Deklarationspflicht nicht mehr als ein Feigenblatt für eine Art der Tiermisshandlung, die wir schnellstmöglich hinter uns lassen sollten. Ich habe daher eine breit abgestützte Motion eingereicht, die ein Importverbot fordert und bin sehr gespannt, wie der Bundesrat darauf antwortet. Was wir in der Schweiz verbieten, sollte auch nicht aus dem Ausland importiert werden – die Konsequenzen für Frosch und Flora sind dort nicht weniger dramatisch.

https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20094290

https://www.presseportal.ch/de/pm/100019041/100895832

https://www.infras.ch/de/projekte/regulierungsfolgenabschatzung-herstellungsmethode-von-froschschenkeln-stopfleber-und-reptilienleder-deklarieren


Meret Schneider, Eintrag bei Wikipedia
Meret Schneider, Eintrag auf der Parlamentsseite


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One thought on “Meret Schneider: Froschschenkel mit Folgen

  1. Liebe Meret, eine Statistik über den Konsum von Froschschenkeln südlich und nördlich des Röstigrabens gibt es wohl nicht. Vor Jahren erklärte mir ein Genfer Bürger, dass man sich von den nordisch germanisch verquasten
    Tierschützern die Essgewohnheiten nicht vorschreiben lasse. «Genuss» aus Trotz?

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