Milo Stössel, CEO MS Direct, im Interview

Milo Stössel, CEO MS Direct, im Interview
Milo Stössel, VR-Präsident der MS Direct AG. (Foto: pd)

Von Helmuh Fuchs

Moneycab: Herr Stössel, Sie haben als 29-Jähriger vor fast 10 Jahren die Führung der MS Direct AG übernommen, die 2018 das 40-jährige Bestehen feiert. Was waren in dieser Zeit die bedeutendsten Entwicklungen in Ihrer Branche und welche Neuerungen werden die kommenden Jahre prägen?

Milo Stössel: Gerade im Onlinebereich und in Bezug auf die Dynamik des Marktes, sprich E-Commerce, haben wir wertvolle Entwicklungen vorantreiben können. Mit neuen Service-Dienstleistungen wie zum Beispiel der «Same Day Delivery»-Zustellung bei Kunde Manor – also der Auslieferung einer Bestellung am selben Tag – konnten wir wichtige Meilensteine setzen. Auch mit dem innovativen Angebot vom privaten Briefzusteller und unserem Tochterunternehmen Quickmail haben wir einen zünftigen Schritt vorwärts gemacht. Anstelle einer «Entweder-oder»- ist in Zukunft eine «Sowohl-als-auch»-Denkweise gefragt, denn heute gibt es beispielsweise längst nicht mehr nur bloss den klassischen E-Commerce, sondern einen Multichannel Commerce.

Dabei haben wir die technologieunterstützte Customer Experience im Fokus. Mit unserem neuen Multichannel Tool befähigen wir Multichannel Händler, ihre Lagerbestände über die Funktion Stock@Retail zu optimieren und doppelte Lagerführungen zu vermeiden. Über die gleiche Plattform können deren Kunden die Dienstleistungen Pickup@Retail, Return2Retail und Click&Reserve nutzen. Gerade in diesem Bereich gilt es, omnichannelgerichtet Innovationen hervorzubringen. Daher denken wir auch über die Integration von Big Data nach, um Prozesse und Forecasts noch besser gestalten zu können. Die Strategie dabei lautet: Im Kerngeschäft organisch wachsen und über Weiterentwicklungen und Zukäufe neue Technologien einbinden/nutzen. Weiter werden wir die nicht deutschsprachigen Regionen in Europa verstärkt bearbeiten.

Sie haben in den letzten drei Jahren die Anzahl der Mitarbeitenden verdoppelt. Wie kam dieses Wachstum zustande und wie hat es sich auf die bestehende Firmenkultur ausgewirkt?

Aufgrund der Fusion der ehemals MS Mail Service und der rbc Solutions im Juni 2015 hat sich die Anzahl Mitarbeitenden innert kurzer Zeit verdoppelt und zog grundlegende Veränderungen in der Firmenorganisation und -struktur mit sich. Parallel dazu verzeichnet Quickmail ein rasantes Wachstum. So konnten wir bereits acht Jahre nach der Gründung den dreitausendsten Zusteller einstellen und die Zustellgebiete nahezu auf die gesamte Schweiz ausweiten. Gerade die Tatsache, dass unsere Mitarbeitenden an sieben Standorten in der Schweiz und Österreich verteilt sind, erwies sich bei der Schaffung einer gemeinsamen Firmenkultur als herausfordernd.

«Ich versuche, meinen Mitarbeitenden vorzuleben, dass wir aus den Kundenbedürfnissen Inspiration und Orientierung schöpfen können und sollen.» Milo Stössel, CEO MS Direct

Ich freue mich, dass wir trotz und auch gerade dank vieler Veränderungen in den letzten Jahren eine passende, ambitioniert-agile Kultur geschaffen haben. Unsere Mitarbeitenden bringen das Know-how, die Leidenschaft und das Verantwortungsbewusstsein mit, damit wir dynamisch und kundenorientiert auftreten können. Bei uns wird ein guter Arbeitsplatz in erster Linie definiert durch tolle und erstaunliche Arbeitskollegen, echte Verantwortung, die Möglichkeit zur Mitgestaltung und dem Moto „Vertrauen ist besser als Kontrolle“. Sehr wichtig ist dabei: Alleine geht es nicht. Die Geschäftsleitung und der Verwaltungsrat erarbeiten Zielvorgaben. Diese Ziele können aber nur unter Mitarbeit jedes Einzelnen im Unternehmen erreicht werden.

Meine Co-Geschäftsführer sind diejenigen, die mit ihren Teams unsere Kultur fördern. Ich versuche, meinen Mitarbeitenden vorzuleben, dass wir aus den Kundenbedürfnissen Inspiration und Orientierung schöpfen können und sollen. Wir sind Dienstleister aus Leidenschaft. Dies braucht persönlichen Biss und Leistungsbereitschaft. Unsere Mission heisst «Best Service Company» und diese fängt bei jedem einzelnen Mitarbeiter an. Darin steckt vor allem auch der Gedanke der Lösungsorientierung.

Sie bieten mit MS Direct vom Adressmanagement zu Call-Center-Diensten bis zur Zustellung alles an. Welche Bereiche werden in Zukunft die grösste Bedeutung haben, wo sehen Sie Potential, neue Dienste anzubieten?

Wir wollen weiterwachsen und gerade die Digitalisierung nutzen, um sowohl die Prozesse zu optimieren als auch unser Angebot zu ergänzen. Gerade an immer bedeutsamer werdenden Themen wie Artificial Intelligence, Machine Learning und Big Data werden wir nicht vorbeikommen. Unsere Systeme lernen. Tag für Tag. In den kommenden drei bis fünf Jahren werden wir dieses Wissen nutzen, um unsere Supply Chain und den direkten Kundenkontakt zu verbessern. Einfache und unnötige Arbeiten werden immer mehr wegfallen, und unsere Mitarbeiter werden wieder mehr Zeit haben, sich qualitativ um unsere Kunden zu kümmern. Zudem haben unsere Mitarbeitenden bessere Informationen zur Verfügung, mit welchen sie im besten Fall beim ersten Kundenkontakt eine Lösung bieten können.

Mit Quickmail betreiben Sie den einzigen privaten Briefdienstleister der Schweiz. Welche Zukunftsperspektiven hat dieser Bereich im Zeitalter der zunehmenden Digitalisierung der Kommunikation und Rücksendung unerwünschter Briefpost?

Wir glauben nach wie vor an den Briefkasten. Er ist das einzige verbliebene Medium, wo man sich immer noch auf Werbung freut und am Samstag enttäuscht ist, wenn nichts im Kasten ist. Heutzutage werden Konsumenten mit Newslettern und E-Mails überflutet. Deshalb wollen die Menschen durchaus mal etwas Physisches in der Hand halten. Noch immer kann man ganz bestimmte Zielgruppen erfolgsversprechender damit erreichen. Ein Beispiel ist der Shopping-Club für Wohnaccessoires und Möbel «Westwing»: Angefangen nur mit dem Onlinegeschäft und Social Media, hat der Konzern erkannt, dass ihm zur vollständigen Abdeckung der Zielgruppe ein Magazin fehlt. Deshalb bin ich überzeugt: Ein physisches Mailing funktioniert heute nach wie vor, sofern es gut gemacht ist und die Verbindung mit dem Internet herstellt. Das Stichwort lautet auch hier: Multichannel.

«Ein physisches Mailing funktioniert heute nach wie vor, sofern es gut gemacht ist und die Verbindung mit dem Internet herstellt.»

Versandhändler müssen immer schneller (“Lieferung am gleichen Tag”) und spezifischer (“Lieferung zu einer gewünschten Zeit”) agieren. Was bedeutet das für Ihr Unternehmen und welche nächsten Entwicklungen zeichnen sich hier ab?

Die grössten Herausforderungen sind in der Tat die Geschwindigkeit der Auftragsabwicklung und die dynamische Zustellung: höchste Flexibilität und transparente Serviceorientierung bis die Kunden ihre Bestellung tatsächlich in den Händen halten. Für uns als Dienstleister bedeutet dies, dass wir die Datenanalyse ausbauen müssen und direkte Schnittstellen benötigen. Die Volatilität der Branche erfordert höchste Flexibilität, damit die qualitativen und quantitativen Service-Levels auf Tagesbasis eingehalten werden können. Zudem gewinnt die Dezentralität wieder verstärkt an Bedeutung: Man will die Waren nicht mehr unnötig von A nach B transportieren. Unser neues eigenentwickeltes Multichannel Modul digitalisiert alle Datenpunkte und macht kanalübergreifende Prozessketten effizient.

Die Schweiz ist politisch (als Nicht-EU-Land) eine Insel mitten in Europa mit hohen Kosten, hohen Löhnen, einer hohen Kaufkraft, speziellen Zöllen und Steuern. Was heisst das für die Abwicklung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs, welche speziellen Chancen und Risiken ergeben sich hier für Ihr Unternehmen?

Die Schweiz ist mit ihrer hohen Kaufkraft ein äusserst attraktiver Markt und der starke Franken hat uns hier sogar etwas in die Karten gespielt. MS Direct bietet als Full Service Provider gerade ausländischen Kunden ideale Bedingungen für eine erfolgreiche und schnelle Marktbearbeitung in der Schweiz. Services wie die Retourenverarbeitung in der Schweiz, die gesamte Koordinationsübernahme des Carrier-Managements, der Kundendienst sowie die Verzollung sind gefragt, skalier- und kombinierbar. Zusätzlich können wir mit Erkenntnissen der Verhaltenspsychologie helfen, Retourenquoten signifikant zu senken.

Ein Dienstleister wie MS Direct fungiert für ausländische Kunden oftmals als einziger Hub in der Schweiz, da der hiesige Markt relativ klein ist und sich der Aufbau von eigenen Teams vor Ort oft nicht lohnt. Das Cross-Border-Geschäft ist wichtig, hier besteht ein grosses Potenzial, zumal die Nachfrage für Waren von ausländischen E-Commerce-Händlern entsprechend gross ist (AliExpress, Amazon, Zalando etc.). Immer häufiger suchen zudem Produktionsfirmen über E-Commerce-Projekte den direkten Weg zum Endkunden und verzichten so auf Absatzmittler.

«Das Cross-Border-Geschäft ist wichtig, hier besteht ein grosses Potenzial, zumal der Bedarf an Waren von ausländischen E-Commerce-Händlern entsprechend gross ist.»

Call Center sind bei Konsumentenschützern ein Dauerbrenner und sorgen bei den Angerufenen in den seltensten Fällen für ein positives Erlebnis. Wie sehen Sie die Zukunft von Call Centern im Hochlohnland Schweiz, welche Dienste machen über diesen Kanal Sinn, welche nicht?

Auch im Call Center Bereich zeichnen sich Veränderungen ab. Auch hier gilt: ausprobieren, ausprobieren, ausprobieren. Schon früh haben wir zum Beispiel mit dem Chatten in unseren Call Centern begonnen. Damals sagten viele, dass sich das nie durchsetzen würde und heute ist es gang und gäbe. Das Kundenverhalten und die Kundenbedürfnisse verändern sich im Laufe der Zeit. Dennoch ist der persönliche Kontakt gerade in der Beratungsfunktion unserer Call Center Mitarbeitenden oder in der Kundenakquise nach wie vor sehr gefragt und lässt sich nicht durch Maschinen ersetzen.

Die aktuelle Welle der Digitalisierung betrifft auch eigentlich junge Bereiche wie den e-Commerce. Roboter, Internet der Dinge oder Drohnen eröffnen neue Chancen, bedrohen aber auch Bestehendes. Wo sehen Sie die grössten Chancen und Risiken für Ihr Geschäft?

Wir müssen und möchten uns am Kundenbedürfnis orientieren. In unserem Dienstleistungssegment müssen wir genaugenommen die Kunden unserer Kunden zufriedenstellen. Wir haben super Kunden, die uns fordern und fördern. Wenn wir mit Computern das Kundenbedürfnis besser bedienen können, so müssen wir entsprechend reagieren. Der Mensch wird aber trotz dieser höchst spannenden Entwicklungen für gewisse, vor allem komplexere Aufgaben unentbehrlich bleiben. Wir nehmen, wo immer möglich, unsere Mitarbeiter auf diese Reise mit und werden für ihre Weiterentwicklung sorgen.

Die Kommunikation zwischen Kunden und Anbieter findet immer öfter direkt und über neue Medien (Soziale Medien, Chats, Roboter mit künstlicher Intelligenz) statt, ohne Vermittler oder Agenturen. Wie verändert das die Rolle eines Anbieters wie MS Direct?

Zentral ist, dass wir jeweils auf denjenigen Kanälen mit dem Kunden kommunizieren, die er gerade gerne hätte. So kommen wir immer näher, authentischer und direkter an die Kunden und ihre Bedürfnisse heran. Durch die Digitalisierung all dieser Kanäle generieren diese Kontakte gleichzeitig stets auch Daten. Wir müssen es schaffen, uns durch die nahtlose Integration von sozialen Medien in die Kundendatensysteme einen umfassenden Überblick über Kunden zu verschaffen. Die zuständigen Service-Mitarbeitenden können so in Echtzeit – und in dem vom Kunden tatsächlich genutzten Kanal – mit dem Kunden interagieren.

Nach Jahren des starken Wachstums, wie soll es weitergehen mit MS Direct, was sind die wichtigsten Ziele für die kommenden zwei Jahre?

In naher Zukunft möchten wir die Mitarbeiterentwicklung sowie die Kundenentwicklung weiter vorantreiben. Neue geographische Märkte sollen erschlossen werden und eine auf Kundenbedürfnisse ausgerichtete Branchenerweiterung soll stattfinden.

Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei, wie sehen die aus?

Glückliche und zufriedene Kunden – denn wenn es unseren Kunden gut geht, sind auch wir als Dienstleister und unsere Mitarbeitenden glücklich. Und wieso nicht eine bahnbrechende neue Innovation von MS Direct?

Der Gesprächspartner:
Milo Stössel ist seit 2013 CEO der MS Direct. Sein Profil auf Linkedin…

Das Unternehmen:
MS Direct AG ist ein innovatives Schweizer Familienunternehmen mit rund 900 Mitarbeitenden in St. Gallen (Hauptsitz), Meilen, Muttenz, Wittenbach, Otelfingen, Arbon und Lauterach (Österreich). MS Direct ist schweizweit führender Full-Service-Anbieter für massgeschneiderte Lösungen und ganzheitlichen Services für Kundenbeziehungsmanagement und E-Commerce. Die MS Direct AG gehört zusammen mit der MS Direct Austria GmbH, der Quickmail AG und der swiss fulfillment gmbh zur MS Direct Group AG. www.ms-direct.ch

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