Hängepartie um Athens Schuldenschnitt

Hängepartie um Athens Schuldenschnitt

Athen – Die Griechen blicken gespannt nach Brüssel. Dort soll am Montagnachmittag der griechische Finanzminister Evangelos Venizelos seinen Amtskollegen der Eurogruppe den bisherigen Werdegang der zähen Verhandlungen um einen freiwilligen Schuldenschnitt griechischer Staatsanleihen präsentieren.

Seit vergangenem Mittwoch verhandelten in Athen der Chef des Internationalen Bankenverbandes IIF, Charles Dallara, mit dem griechischen Ministerpräsidenten Lucas Papademos und Finanzminister Evangelos Venizelos. Konkrete Ergebnisse gab es bislang nicht. Dallara war am Samstag aus Athen nach Paris abgereist. Die Gespräche könnten aber telefonisch fortgesetzt werden, hiess es.

Entschlossenes Handeln verlangt
Vor der Abreise Dallaras hatte es optimistische Erklärungen seitens des Bankenverbandes gegeben: Elemente eines «noch nie dagewesenen freiwilligen Schuldenschnitts» würden in die Tat umgesetzt, hiess es. Es müsse jetzt entschlossen gehandelt werden, um diesen «historischen Deal» zu einem Ende zu bringen und Griechenland, den Euroraum und die Weltwirtschaft zu stabilisieren.

Unsicher aber ist, ob die angestrebte Absichtserklärung an diesem Montag fertig sein kann. Dem Vernehmen nach hatte die griechische Seite am Freitag eine Vereinbarung mit dem Bankenverband erreicht. Die neuen griechischen Staatsanleihen, die die alten nach dem Schuldenschnitt ersetzen sollen, sollten demnach einen Zinssatz von im Durchschnitt vier Prozent haben.

IWF fordert niedrigeren Zinssatz
Dann aber sollen sich Vertreter des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der EU indirekt in die Gespräche eingeschaltet haben. Sie hätten darauf bestanden, dass der Zinssatz auf weniger als drei Prozent fallen sollte. Anderenfalls bestehe vor allem nach Ansicht des IWF keine Möglichkeit, dass Griechenland wieder auf eigenen Beinen stehen kann, berichteten griechische Medien übereinstimmend unter Berufung auf Regierungskreise. «Beinahe-Infarkt nach der Intervention des Internationalen Währungsfonds», schrieb am Montag die Athener Zeitung «Ta Nea». Den «Gordischen Knoten» müsse nun die Eurogruppe in Brüssel zerschlagen, hiess es im griechischen Radio.

100 Milliarden Euro angestrebt
Selbst wenn eine Absichtserklärung vorliegt, würde das jedoch noch nicht bedeuten, dass der Schuldenschnitt damit perfekt ist. Ein Erfolg hängt am Ende davon ab, wie viele Banken und andere Besitzer griechischer Staatsanleihen mitmachen und auf Geld verzichten. Angepeilt ist die Summe von 100 Milliarden Euro.

Griechenland sitzt derzeit auf einem Schuldenberg von rund 352 Milliarden Euro. Das entspricht 161 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Erlaubt sind nach den EU-Spielregeln eigentlich allenfalls 60 Prozent. 206 Milliarden Euro an Forderungen befinden sich in den Händen von Privatleuten, Banken, Versicherungen und Hedge Fonds.

Schuldenstand könnte auf 152 Prozent fallen
Sollte der Schuldenschnitt wie erhofft gelingen, köntnen die Schulden nach Schätzungen der EU und des Internationalen Währungsfonds IWF zunächst auf 152 Prozent fallen. Bis 2020 sollen sie auf 120 Prozent sinken – allerdings unter der Voraussetzung, dass die Wirtschaft nach mehrjähriger Rezession ab 2013 wieder deutlich wächst. Dies jedoch ist bislang nicht in Sicht.

Aus diesem Grund äusserte der IWF Bedenken über den Zinssatz. Die Banken dagegen meinen, ein Zinssatz von drei Prozent würde niemanden locken, am Schuldenschnitt teizunehmen.

Private Gläubiger sollen Schuldenerlass freiwillig schultern
Den teilweisen Schuldenerlass für Athen sollen die privaten Gläubiger freiwillig schultern. Ihr Engagement ist ein entscheidender Baustein für das zweite, 130 Milliarden Euro schwere Hilfsprogramm für Griechenland. Die privaten Gläubiger, darunter Banken und Hedge-Fonds, sollen bestehende Anleihen in neue tauschen, dabei auf Teile ihrer Forderungen verzichten und auch niedrigere Zinsen in Kauf nehmen. (awp/mc/upd/ps)

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