Zuger Gericht lässt Klimaklage von indonesischen Fischern gegen Holcim zu
Zug – Vier Fischerinnen und Fischer einer indonesischen Insel können vor der Zuger Justiz wegen des Klimawandels zivilrechtlich Schadenersatz vom Zementhersteller Holcim fordern. Das Kantonsgericht ist auf die Klage eingetreten. Holcim akzeptiert diesen Vorentscheid nicht.
Das Hilfswerk der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (Heks), das die Fischer der Insel Pari unterstützt, hat am Montag das Urteil publik gemacht.
Die Zivilklage gegen Holcim sei eine Premiere für die Schweizer Rechtsprechung, sagte Heks-Sprecher Lorenz Kummer auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Zuvor sei noch nie eine Schweizer Firma wegen ihrer mutmasslichen Verantwortung für derartige Klimaschäden verklagt worden.
«Internationale Signalwirkung»
«Es handelt sich um einen wichtigen und folgerichtigen Entscheid mit internationaler Signalwirkung», sagte Kummer. Das Gericht habe die Argumente der vier indonesischen Fischerinnen und Fischer als «stichhaltig» beurteilt.
Die Erfolgsaussichten der Klage schätzt das Hilfswerk als gut ein. Wichtig sei zudem, dass die Klägerinnen und Kläger vom Gericht angehört worden seien, auch wenn in der Sache selbst noch kein Entscheid gefallen sei, sagte Kummer.
Holcim legt Berufung ein
Holcim will Berufung einlegen, wie das Unternehmen mitteilte. Es lehnte die Forderungen der Klägerinnen und Kläger schon im September bei der Anhörung ab und argumentierte, diese seien vom Klimawandel ebenso betroffen wie die gesamte Weltbevölkerung. Wer wie viel CO2 ausstossen dürfe, sei eine «Kompetenz des Gesetzgebers» und «keine Frage für ein Zivilgericht».
Das im Kanton Zug für zivilrechtliche Angelegenheiten zuständige Kantonsgericht kommt in seinem 52-seitigen Urteil aber zum Schluss, dass es für diese internationale Streitigkeit zuständig sei. Es gehe um die privaten und individuellen Rechte der Fischer, welche diese geschützt haben wollen, stellte es fest.
Das Kantonsgericht folgte damit der Argumentation von Holcim nicht, dass es bei dem Fall nicht um die Beilegung eines einzelnen Streitfalls gehe, sondern um das komplexe und globale Problem des Treibhausgasausstosses. In den Augen des Zementherstellers ist das Zivilgericht auch nicht zuständig, weil die Kläger und das Heks eine «politische Entscheidung» anstrebten.
Es geht um Pari, nicht um die Welt
Es gehe «nicht um die globalen Auswirkungen des Klimawandels für die Menschheit, sondern um seine lokalen, direkt spürbaren negativen Erscheinungsformen auf der Insel Pari für die direkt betroffenen klägerischen Parteien», heisst es im Urteil.
Im Gegensatz zu Holcim kam das Kantonsgericht auch zum Schluss, dass die Fischer einen hinreichenden Grund für eine Klage hätten. Es gehe nicht nur um den CO2-Ausstoss in der Vergangenheit, sondern auch den in der Zukunft. Es sei «eine ernsthafte Gefahr für eine erneute Rechtsverletzung nicht nur zu befürchten, sondern als sicher anzusehen», heisst es in dem Urteil.
Genugtuung und Schadenersatz gefordert
Die vom Heks vertretenen Fischer werfen dem Holcim-Konzern vor, dass er als weltweit grösster Zementhersteller zu viel CO2 ausstosse und ihnen schade. Er trage zum Klimawandel und dem Anstieg des Meeresspiegels sowie Überflutungen bei. Sie fordern Schadenersatz und Genugtuung, eine Flutschutzmassnahme sowie eine Reduktion des CO2-Ausstosses.
Zu diesen Forderungen hat das Kantonsgericht noch keinen Entscheid getroffen. Ein Gericht, das das Interesse des Klägers als schutzwürdig anerkenne, bejahe damit nicht bereits die materielle Argumentation der Klage, heisst es dazu im Urteil. (awp/mc/pg)