Arnd Kaldowski, CEO Sonova, im Interview

Arnd Kaldowski, CEO Sonova, im Interview
Sonova-CEO Arnd Kaldowski. (Foto: Sonova/Flickr)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Kaldowski, Sonova hat in Ihrem ersten Jahr als CEO überzeugende Resultate vorgelegt. Welche persönliche Bilanz Ihres ersten Amtsjahres ziehen Sie?

Arnd Kaldowski: Ich bin sehr zufrieden mit dem was das Team in den letzten 12 Monaten erreicht hat. Wir konnten einige wichtige Projekte abschliessen, dazu gehören zum Beispiel die Neuausrichtung unseres Retail-Geschäfts in den USA, wo wir mittlerweile wieder zweistelliges Wachstum – auf die jeweiligen Shops bezogen – generieren und die vollständige Integration unserer Audionova-Akquisition. Wir konnten zudem nachhaltige Struktur- und Prozessveränderungen in allen Bereichen herbeiführen und sehen bereits erste positive Effekte. Und nicht zuletzt freue ich mich natürlich über die starke Beschleunigung unseres Geschäfts im zweiten Halbjahr. Mit Wachstum über dem Markt konnten wir klar zeigen, dass wir in der Lage sind, als Innovationsführer Marktanteile zu gewinnen.

Im Herbst letzten Jahres wurde mit Marvel die neuste Technologie-Plattform von Sonova lanciert. War diese hauptsächlich für das Umsatzwachstum von 4,4 % verantwortlich?

Phonak Marvel mit seiner hervorragenden Hörleistung und seinen vielen Möglichkeiten, sich mit allen Bluetooth-fähigen Produkten zu verbinden, hat sicherlich gut zum Wachstum beigetragen. Aber auch der Verkauf über unser eigenes Fachhandels-Netzwerk sowie die erfreuliche Resonanz des Marktes auf weitere Innovationen wie z.B. dem Cochlea-Implantate-Geschäft hatten ihren Anteil. Alle Geschäftsbereiche haben also zum guten Ergebnis beigetragen.

«Audéo Marvel ist das weltweit erste Hörgerät, das universelle Bluetooth-Konnektivität, branchenführende Akku-Technologie und intelligente Apps für ein verbessertes Nutzererlebnis kombiniert.»

Arnd Kaldowski, CEO Sonova

Was unterscheidet Marvel von der letzten Plattform Belong?

Phonak hat mit dem Launch der Marvel Plattform neue Massstäbe in der Hörtechnologie gesetzt. Audéo Marvel ist das weltweit erste Hörgerät, das universelle Bluetooth-Konnektivität, branchenführende Akku-Technologie und intelligente Apps für ein verbessertes Nutzererlebnis kombiniert. Zum Beispiel kann man mit der myPhonak-App Hörgeräte in Echtzeit über Distanz individuell anpassen.

Heute ist Phonak Audéo Marvel das weltweit erste und einzige Hörgerät, das direktes Streaming von Audioinhalten von unzähligen Bluetooth- fähigen Multimedia-Geräten wie PCs , Apple Mac’s , Tablets und vieles mehr in Stereoqualität ermöglicht. Darüber hinaus verbinden sich die Marvel Hörgeräte nicht nur drahtlos mit dem Apple iPhone, sondern auch mit Android-Smartphones, die 86% aller Smartphones weltweit ausmachen. Wir waren auch die ersten, die konsequent auf Lithium-Inonen-Technologie bei unseren wiederaufladbaren Produkten gesetzt haben und sehen nun, dass dieser Markttrend von allen Mitbewerbern aufgegriffen wird.

Das Department of Veteran Affairs (VA) in den USA ist ein wichtiger Kunde von Sonova. Was braucht es, bis das VA ein Produkt wie Marvel aufnimmt?

Grundsätzlich haben alle Hersteller Interesse daran, die neueste Technologie in diesem Kanal anzubieten. Das VA spezifiziert dazu sowohl die technischen Notwendigkeiten als auch den Preis über eine Vertragslaufzeit, so dass es dort einen Wettbewerb ausschliesslich über die Funktionalitäten gibt. Das VA ist natürlich daran interessiert, ihren Veteranen und deren Angehörigen die beste und neueste Technologie anzubieten. Da wir seit Jahren vertrauensvoll mit dem VA zusammen arbeiten, war es im vorliegenden Fall eher eine Frage, wann und nicht ob wir Marvel anbieten können. Das tun wir nun seit etwa einem Monat mit erfreulichen Ergebnissen.

Sie haben es aufgezählt – aus dem Hörgerät wird immer mehr ein Multimedia-Device. In welche Richtung gehen künftige Entwicklungen?

Hier können wir uns noch sehr viel vorstellen: Wir glauben, dass Hörgeräte in der Zukunft neben den bereits heute möglichen Anwendungen in Verbindung mit dem Smartphone und der Nutzung aller Apps zu erweiterten medizinischen Analyse- und Monitoring-Tools werden können und nicht nur lediglich zu Fitness-Trackern. Wir glauben auch, dass das Hörgerät prädestiniert ist, im Rahmen eines teleaudiologischen Ansatzes das Beratungsangebot des Audiologen zu verbessern und Kunden zu erreichen, die nicht spontan für eine Anpassung zu ihm in sein Fachgeschäft kommen können.

Sonova hat im vergangenen Geschäftsjahr knapp 150 Mio. Franken in Forschung und Entwicklung investiert. Wo lagen die Schwerpunkte?

Wir konzentrieren uns wesentlich auf die Weiterentwicklung der audiologischen Leistung unserer Lösungen, also das immer besser Hören. Gleichzeitig konnten wir mit unserem SWORD-Chip aber auch zeigen, dass wir in der Lage sind, verschiedene Wireless-Protokolle zu bedienen und den Stromverbrauch gleichzeitig niedrig zu halten. Eine wahre Innovation über die Branche hinaus. Daneben legen wir verstärkt ein Augenmerk auf die Möglichkeiten der Digitalisierung wie zum Beispiel Fernanpassungen und der Auswertung von Performance-Daten neuer und bestehender Produktkategorien.

Wir konzentrieren uns wesentlich auf die Weiterentwicklung der audiologischen Leistung unserer Lösungen, also das immer besser Hören.

Pro Jahr werden weltweit rund 15 Millionen Hörgeräte verkauft. Wie viele Cochlea-Implantate werden implantiert?

Nach unseren Schätzungen wurden im Jahr 2018 ca. 65.000 Implantate eingesetzt. Mittelfristig liegt die Wachstumsprognose bei 5 bis 10 Prozent. Bis heute sind weit mehr als 600.000 Produkte weltweit implantiert worden.

Wie hoch ist der Sonova-Marktanteil mit der Marke Advanced Bionics?

Die exakten Marktanteile kommunizieren wir nicht. Im Cochlea-Segment konkurrieren derzeit drei grosse Anbieter um die grössten Anteile und wir sind einer der führenden Anbieter.

Was kennzeichnete das Geschäftsjahr im Segment der Cochlea Implantate?

Wir haben eine Reihe wichtiger Innovationen in den Markt eingeführt, das hat zu einem soliden Wachstum von 6,3% im vergangenen Geschäftsjahr geführt. Vor allem die USA und die europäischen Märkte sind dabei sehr gut gelaufen. Ich freue mich besonders darüber, dass die Kollaboration mit unserer Hörgerätemarke Phonak so gut funktioniert und wir auch hier unsere SWORD-Technologie bei unseren CIs einführen konnten. Der Implantateträger kommt jetzt also auch in den Genuss universeller direkter Konnektivität.

Gibt es eigentlich Gemeinsamkeiten zwischen der Technik von Hörgeräten und Cochlea-Implantaten?

Ja, die gibt es. Cochlea-Implantate brauchen wie Hörgeräte Mikrophone um Klang aufzunehmen, einen Chip für Signalverarbeitung, sowie eine Batterie für die Stromversorgung. Deshalb koppelt man jedes CI mit einem externen Prozessor der einem Hörgerät sehr ähnlich ist. Der Advanced Bionics Naída CI Soundprozessor läuft beispielsweise auf einem Sonova Chip und teilt deshalb viele Eigenschaften mit einem Phonak-Hörgerät wie zum Beispiel die Front End-Signalverarbeitung wie Richtmikrofone und die Programmstruktur für anspruchsvolle Hörsituationen wie Hören mit viel Hintergrundlärm. Zudem ist es unser Bestreben, die technische Kommunikation zwischen den beiden Geräten so gut wie möglich zu synchronisieren. Die Geräte, die jeweils am linken und rechten Ohr getragen werden, das könnte ein Implantat-Soundprozessor und auf der anderen Seite ein Phonak-Hörgerät wie das Naída Link CROS sein, kommunizieren also mit einander.

Für das laufende Geschäftsjahr 2019/20 erwarten Sie beim Gesamtumsatz ein Wachstum von 6-8% und beim bereinigten EBITA einen Anstieg um 9%-13% in Lokalwährungen. Woher rührt neben dem Marvel-Erfolg der Optimismus?

Der globale Markt für Hörlösungen bietet viele Chancen auf Wachstum für ein forschendes und innovatives Unternehmen wie das unsere. Wir sind davon überzeugt, dass wir aufgrund von Prozessverbesserungen und in der kommerziellen Umsetzung noch mehr beschleunigen können. Wir erwarten zudem, dass sich der positive Trend in unseren Geschäftsfeldern fortsetzt und zusätzlich durch den Beitrag von Audéo Marvel verstärkt wird. Daneben werden wir auch in den kommenden Jahren in dreistelliger Millionenhöhe in Forschung und Entwicklung investieren, auch um das Potenzial unseres SWORD-Chip noch breiter auszuschöpfen. Sonova ist bereits heute ausgesprochen fit für die Zukunft. Ich bin mir aber sicher, dass wir noch weitere Akzente setzen und unsere Innovationsleistung steigern können.

«Unsere Kundenumfragen belegen, dass 90% der Marvel Kunden die Technologie weiter empfehlen würden.»

Sie wollen die Markennamen Phonak und Marvel stärker in der Öffentlichkeit platzieren. Mit welcher Kernbotschaft?

Phonak Marvel-Hörgeräte passen sich an jegliche Hörsituationen automatisch an, bieten bessere Sprachverständlichkeit in geräuschvollen Umgebungen und eine geringere Höranstrengung im Alltag. Daneben bieten die Produkte unserer Marke Phonak mit der Konnektivität und Wiederaufladbarkeit deutliche Zusatznutzen verglichen mit Geräten vor 5 Jahren.

Die Marvel Plattform ist das Ergebnis der jahrelangen Erfahrung sowie des Engagements von Phonak, das Leben und Wohlbefinden von Millionen Menschen weltweit zu verbessern. Und unsere Kundenumfragen belegen, dass 90% der Marvel Kunden die Technologie weiter empfehlen würden. Die Käufer sind sehr zufrieden mit der erstklassigen Klangqualität und verstehen schlichtweg Gespräche in geräuschvollen Umgebungen besser. Es handelt sich um das hochwertigste Hörgerät, bei dem man keine Kompromisse eingehen muss.

Herr Kaldowki, besten Dank für das Interview.

Zur Person:

Arnd Kaldowski (geboren 1967, deutscher Staatsangehöriger) war seit Oktober 2017 Chief Operating Officer und ist per 1. April 2018 CEO der Sonova Gruppe. Zuvor war er für die Danaher Corporation in verschiedenen Führungsfunktionen seit 2008 tätig, zuletzt als Group Executive Diagnostics Platform und President Beckman Coulter Diagnostics. Arnd Kaldowski hat wichtige Initiativen in Bezug auf Umsatzwachstum, Innovation und Produktivität erfolgreich vorangetrieben. Er verfügt zudem über eine grosse Erfahrung und Erfolgsbilanz in den Bereichen M&A, Commercial Excellence und bei Produkteinführungen, die er im Laufe seiner Karriere bei Danaher, als Senior Vice President Point-of-Care Solutions bei Siemens Medical, als Investment Director bei Atila Ventures und als Manager bei der Boston Consulting Group sammeln konnte. Arnd Kaldowski hat einen Master of Science in Physik an der Technischen Universität Darmstadt, Deutschland und einen MBA von INSEAD in Fontainebleau, Frankreich, erworben.

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