Brainloop: Wie Aufsichtsräte jetzt mehr Zeit gewinnen können

Brainloop: Wie Aufsichtsräte jetzt mehr Zeit gewinnen können

Unternehmenskultur und -ethik gewinnen weiter an Bedeutung. Das macht intensive Debatten erforderlich. Aber woher sollen vielbeschäftigte Gremien die Zeit dafür nehmen?

Überlegtes Handeln
Viele diskussionswürdige Themen, wenig Zeit: Diese Herausforderung betrifft Aufsichtsräte derzeit in besonderem Masse. Denn die Zeiten sind alles andere als alltäglich: Unternehmer und Manager müssen sich neben der grünen und digitalen Transformation auch mit massiven geopolitischen Spannungen auseinandersetzen. Wie wichtig das ist, hat die laufende Hauptversammlungssaison eindrucksvoll untermauert. Nach lautstarker Kritik dürfte allen Entscheidern klar sein: Nicht nur Russland-Aktivitäten stehen unter verschärfter Beobachtung. Aktionäre und andere Stakeholder beäugen auch das China-Geschäft, das vielerorts lange als Wachstumsgarant galt, mit wachsender Skepsis.

Die Befürchtung: Infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine könnte auch der Konflikt westlicher Demokratien mit dem autokratischen China eskalieren. Und dann drohen Unternehmen, die in Fernost hohe Umsätze und Gewinne erzielen, bittere Einbussen.

Hohe Erwartungen an Unternehmen
Diese Sorgen gehen einher mit gesellschaftlichen Erwartungen an Unternehmen, die zunehmend klar artikuliert werden: Entscheider sollen sich im verschärften geopolitischen Systemwettbewerb zu ihren Heimatmärkten und den Werten der liberalen Demokratie bekennen.

The business of business is business? Das Leitbild des Nobelpreisträgers Milton Friedmann, das dem teils enthemmten Kapitalismus der Achtziger- und Neunzigerjahre den Weg bereitete, ist damit endgültig keine Option mehr. Im Konflikt zwischen Demokratien und Autokratien wird es noch wichtiger, Entscheidungen im Einklang mit den Werten und Erwartungen in der Heimat zu treffen.

Das Problem: Was richtig ist und was falsch, liegt im unternehmerischen Alltag häufig nicht auf der Hand. Ethische Entscheidungen zu fällen, erfordert intensive Debatten, auch und gerade im Aufsichtsrat. Das beste Beispiel für die schwierige Abwägungen: Einerseits wird mit guten Gründen gefordert, dass sich Unternehmen aus Russland zurückziehen. Aber was ist andererseits mit der Verantwortung für dortige Mitarbeiter?

Auch bei weiteren Herausforderungen, allen voran dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz, stellen sich Fragen, für die es keine Pauschalantworten und Patentlösungen gibt.

Drei-Punkte-Plan für Zeitgewinne
Die einzig sinnvolle Pauschalempfehlung lautet deshalb: Gremien sollten alles daran setzen, Zeit für Reflexionen und Diskussionen zu gewinnen.

  1. Dazu bieten sich mehrere Hebel an, zum Beispiel eine effizientere Kommunikation und Kollaboration: Moderne Softwarelösungen erleichtern und beschleunigen den Austausch von Informationen und die Zusammenarbeit – sei es intern oder mit externen Partnern. Auch sind Informationen in einem digitalen Datenraum von überall aus zugänglich, sodass Sie ihre Zeit effektiv nutzen und Verzögerungen vermeiden können.
  2. Zudem sollten Aufsichtsratschefs verstärkt auf virtuelle Treffen setzen. Sicher: Persönliche Treffen sind und bleiben wichtig, gerade für fruchtbare Debatten. Aber in schnelllebigen Zeiten reicht es ohnehin nicht mehr, sich viermal im Jahr für ein paar Stunden zusammensetzen. Eine denkbare Strategie: Auf ein bis zwei Präsenztreffen pro Jahr verzichten, An- und Abreisezeiten sparen und stattdessen regelmässig online zusammenkommen – bei Bedarf auch spontan.
  3. In einigen Fällen dürfte es allerdings nicht reichen, wenn Aufsichtsräte lediglich ihr verfügbares Zeitbudget effizienter nutzen. Gerade vielbeschäftigte Kontrolleure müssen bisweilen den Kuchen vergrössern und mehr Zeit für einzelne Mandate zu gewinnen – also die Zahl der Aufsichtsratsposten reduzieren. Denn einige Multi-Aufsichtsräte haben seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine bereits gemerkt, wie schwierig es in solch turbulenten Zeiten ist, auf vier, fünf oder sogar mehr Hochzeiten zu tanzen. Sie sollten daraus die richtige Schlussfolgerung ziehen. Ein Aufsichtsratsmandat ist schlicht zu wichtig, um sich die erforderliche Zeit dafür immer wieder notdürftig freizuschaufeln. (Brainloop/mc)

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