Goodbye Britain: May startet den Brexit

Goodbye Britain: May startet den Brexit
Grossbritanniens Premierministerin Theresa May.

London / Brüssel – Als erstes Mitglied in der Geschichte der Europäischen Union hat Grossbritannien offiziell den Austritt aus der Gemeinschaft erklärt. Neun Monate nach dem Brexit-Votum übergab der britische Botschafter Tim Barrow am Mittwoch in Brüssel das sechsseitige Austrittgesuch persönlich an EU-Ratspräsident Donald Tusk. Nur Minuten später betonte Premierministerin Theresa May vor dem Parlament in London, ihr Land wolle auch künftig eine «besondere Partnerschaft» mit der EU. Sie sagte aber auch: «Das ist ein historischer Moment, von dem es kein Zurück geben kann.»

Mit der Übergabe der Austritterklärung beginnen nun zweijährige Trennungsverhandlungen, in denen die tiefgreifenden Verflechtungen zwischen Grossbritannien und der EU gelöst werden müssen. Mehr als 20’000 Gesetze und Regeln sind davon betroffen. Im März 2019 endet voraussichtlich die EU-Mitgliedschaft des Landes.

Bedauern bei Merkel
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel bedauerte den Antrag Grossbritanniens zutiefst und bezeichnete die Europäische Union trotzdem als bleibende Erfolgsgeschichte. «Wir verlieren einen starken und wichtigen Mitgliedstaat.» Es sei aber auch ein Tag des Aufbruchs.

«Wir bedauern, dass das Vereinigte Königreich die Europäische Union verlassen wird, aber wir sind bereit für das Verfahren, dem wir nun werden folgen müssen», erklärten die 27 Staats- und Regierungschefs am Mittwoch in Brüssel in einer gemeinsamen Stellungnahme.

Grossbritannien will Kosten gering halten
Grossbritannien wie die EU machten deutlich, dass sie hart im Sinne eigener Interessen verhandeln wollen. «Unser Ziel ist es, die Kosten für die EU-Bürger, Unternehmen und Mitgliedstaaten so gering wie möglich zu halten», sagte Tusk. May beharrte ihrerseits auf einer Forderung, die die EU-Seite ablehnt: die Trennung und die künftige Partnerschaft vor dem Ausscheiden im März 2019 gleichzeitig zu klären.

Der Zwist zeigt die Spannung, die sich in den Monaten seit der britischen Volksabstimmung aufgebaut hat. Nun tickt die Uhr, denn die Zweijahresfrist ist im EU-Vertrag vorgegeben. Die 27 bleibenden Länder fühlen sich zwar gut vorbereitet, wie Bundesaussenminister Sigmar Gabriel sagte: «Wir wissen, was wir wollen.» Trotzdem wollen sie sich bei einem Sondergipfel am 29. April noch einmal abstimmen und auf eine gemeinsame Linie einschwören.

Kein glücklicher Tag
Es gibt die Befürchtung, dass London mit Versprechungen einen Keil in ihre Reihen treiben könnte. Tusk beschwor deshalb die Einigkeit der 27: «Der Brexit hat uns stärker zusammengeschweisst als früher», sagte er. Doch befand er auch: «Es gibt keinen Grund so zu tun, als wäre dies ein glücklicher Tag.»

Beide Seiten sehen in den anstehenden Verhandlungen drei wichtige Knackpunkte: die Zukunft von 3,2 Millionen EU-Bürger in Grossbritannien und einer Million Briten in EU-Ländern. Die Schlussabrechnung für finanzielle Pflichten Grossbritanniens, die die EU mit bis zu 60 Milliarden Euro ansetzt. Und die künftige Grenze zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland, die bisher quasi einen Binnenmarkt im Kleinen mit freiem Grenzverkehr auf der gemeinsamen Insel haben. Daneben sind Tausende weitere Fragen zu klären.

Neues Abkommen gefragt
May beschrieb ihre Ziele in einem offiziellen Brief und in der Parlamentsrede. Sie strebe einen reibungslosen und geordneten EU-Austritt an und gehe davon aus, dass er binnen zwei Jahren abgeschlossen werden könne. Danach solle es eine Übergangsphase geben.

Die Drohung, notfalls ohne Abkommen aus der EU auszutreten, wiederholte May nicht. Spekulationen über eine neue Kompromissbereitschaft der Regierungschefin erfüllten sich aber auch nicht. May hatte schon im Januar angekündigt, Grossbritannien werde den Europäischen Binnenmarkt und die Zollunion verlassen. Nun setzen beide Seiten auf ein neuartiges Freihandelsabkommen. May bot der EU zudem eine Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen nach dem Brexit an.

Schotten wollen Referendum über Unabhängigkeit
Die Regierungschefin, die nach dem Brexit-Referendum ins Amt kam, steht im eigenen Land enorm unter Druck. Das schottische Parlament stimmte am Dienstagabend für ein neues Unabhängigkeitsvotum, weil die Schotten den Austritt aus dem Binnenmarkt ablehnen. Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon nannte den Brexit am Mittwoch einen «Sprung ins Ungewisse».

Auch bei der Wirtschaft wächst die Sorge vor noch nicht überschaubaren Konsequenzen des britischen EU-Austritts. Die deutsche Industrie drang deshalb am Mittwoch auf maximale Schadensbegrenzung. Die Finanzmärkte nahmen den lange absehbaren Schritt Grossbritanniens indes gelassen. Der Dax marschierte sogar, gestützt von einem etwas schwächeren Euro, weiter in Richtung seines Rekordhochs. (awp/mc/upd/ps)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert