Credit Suisse Research: USR III Nein – Erhoffter Abbau der Unsicherheit vertagt

Credit Suisse Research: USR III Nein – Erhoffter Abbau der Unsicherheit vertagt
(Bild: niyazz - Fotolia)

Von René Buholzer und Florian Klemm von Public Policy Schweiz 

  • Die Schweizer Stimmbürger lehnen die Unternehmenssteuerreform III mit 59% Nein ab. Für Unternehmen bleibt die Planungsunsicherheit bestehen.
  • Die Abschaffung der privilegierten Besteuerung von Holding-, Domizil- und gemischten Gesellschaften («Statusunternehmen») ist unbestritten. Die Arbeiten an einem neuen, entschlackten Gesetzesentwurf dürften zeitnah beginnen.
  • Retorsionsmassnahmen seitens anderer OECD-Mitglieder scheinen daher in der kurzen Frist nicht besonders wahrscheinlich. Sie können aber nicht ausgeschlossen werden, sollte sich die revidierte Vorlage verzögern.
  • Kantone mit derzeit hohen ordentlichen Unternehmenssteuern und vielen Statusunternehmen könnten unter Druck geraten, dennoch ihre Steuern zu reduzieren.
  • Trotz gestiegener Unsicherheit erwarten wir vorläufig keine Abschwächung der Wirtschaftsdynamik und behalten unsere BIP-Wachstumsprognose von 1.5% für 2017 bei.

Bevölkerung lehnt Reform deutlich ab
Die Stimmbürger haben die Unternehmenssteuerreform (USR) III am 12. Februar 2017 mit einem Nein-Anteil von 59% deutlich abgelehnt. Die Reform sollte zentrale Standortfaktoren der Schweiz auf ein neues, international akzeptiertes Fundament stellen. Nach dem Scheitern der Vorlage gilt nun vorerst der Status quo. Die Schweiz hat sich gegenüber der EU sowie der OECD aber verpflichtet, die kritisierten Steuerregimes abzuschaffen. Bundesrat und Parlament dürften die Ausarbeitung einer neuen, mehrheitsfähigen Reform nun rasch angehen. Der anvisierte Termin von Anfang 2019 für die Verabschiedung eines neuen Gesetzes wird jedoch wohl verpasst werden.

Planungssicherheit für Unternehmen leidet
Für in der Schweiz ansässige multinationale Unternehmen lässt die Planungssicherheit in Bezug auf die künftige Unternehmensbesteuerung weiter auf sich warten. Das einstweilige Fortbestehen der kritisierten Steuerprivilegien stellt für Firmen zunehmend ein Reputationsrisiko dar. Gewisse umstrittenere Elemente der gescheiterten Vorlage, etwa die zinsbereinigte Gewinnsteuer, dürften zudem nicht den Weg in die neue Gesetzesvorlage finden. Für mobile Finanzgesellschaften könnte der Standort Schweiz deshalb tendenziell an Attraktivität verlieren. Schliesslich sind auch bei einer zweiten Vorlage langwierige politische Diskussionen zu erwarten. Bei der ursprünglichen Vorlage verstrichen zwischen Eröffnung der Vernehmlassung und Verabschiedung durch das Parlament fast zwei Jahre (21 Monate). Die Verzögerung wird im Ausland mit Enttäuschung zur Kenntnis genommen werden und dem Ruf der Schweiz kaum zuträglich sein. Baldige Retorsionsmassnahmen seitens der EU, der OECD oder einzelner Staaten sind zwar denkbar, aber wegen des grundsätzlichen Bekenntnisses der Schweiz zur Abschaffung der Steuerregimes kurzfristig eher unwahrscheinlich.

Wie wird die USR III mehrheitsfähig?
Bezüglich des Inhalts einer neuen Vorlage ist die Abschaffung der Statusgesellschaften unumstritten. Damit verbunden sind auch Anpassungen des interkantonalen Finanzausgleichs: Heute werden die Gewinne der Statusgesellschaften tiefer gewichtet als die übrigen Gewinne, mit der Abschaffung des Sonderstatus müsste diese tiefere Gewichtung wegfallen. Eine solche, auf das Minimum begrenzte, Vorlage würde die Last jedoch vollständig auf die Kantone legen, da diese den Wegfall der Steuerregime und die damit verbundene geringere steuerliche Standortattraktivität nur mit Senkungen ihrer Gewinnsteuersätze kompensieren könnten. Somit sind Rufe nach einer vertikalen Kompensation durch Bundeszahlungen wie auch nach Instrumenten, die gezielt auf mobile Erträge ausgerichtet sind, zu erwarten. Sowohl eine Zahlung des Bundes an die Kantone wie auch die steuerpolitischen Instrumente werden zu Forderungen der linken Parteien nach einer Gegenfinanzierung führen. Im Vordergrund wird hier wohl die Erhöhung der Teilbesteuerung von Dividenden aus qualifizierten Beteiligungen stehen. Allerdings scheint es auf der rechten Seite des politischen Spektrums Opposition gegen dieses Vorhaben zu geben.

Patentbox am wenigsten umstritten
Bei den neuen Steuerinstrumenten könnte die Akzeptanz der Steuerabzüge für Forschung und Entwicklung erhöht werden, wenn die maximale Reduktion von den vorgeschlagenen 150% des Forschungsaufwands auf z.B. 120% reduziert würde. Kaum Chancen wird die kontrovers diskutierte und dem Volk schwierig zu vermittelnde zinsbereinigte Gewinnsteuer haben, obwohl diese aus ökonomischer Sicht sinnvoll erscheint, da sie die Bevorzugung von Schuldenfinanzierungen reduziert. Am wenigsten umstritten scheint die Patentbox zu sein. Sie dürfte somit auch Teil einer neuen Vorlage sein. Allenfalls würde eine engere Definition des Anwendungsbereichs (z.B. ohne Software) von dieser schon auf Gesetzesebene erfolgen. Auch eine autonome Einführung der Patentbox durch einzelne Kantone ist denkbar: Der Kanton Nidwalden kennt bereits seit 2011 eine «Lizenzbox» zur gesonderten Besteuerung von Lizenzerträgen. Aufgrund der internationalen Entwicklungen soll diese in Zukunft in eine Patentbox umgewandelt werden.

Weniger Raum für kantonale Steuersenkungen
Die USR III hätte den Kantonen die Möglichkeit gegeben, das für sie optimale Gesamtpaket aus ordentlichen Unternehmenssteuersätzen sowie massgeschneiderten steuerpolitischen Massnahmen zu schnüren. Da viele Unternehmen voraussichtlich nicht von den geplanten neuen Steuerinstrumenten profitiert hätten, plante die Mehrheit der Kantone eine Reduktion der Unternehmenssteuern (vgl. Abb.). Der Spielraum für kantonale Steuerreduktionen ist nach Ablehnung der USR III aber geringer, weil den Kantonen die Zusatzeinnahmen über die Erhöhung des Kantonsanteils an der direkten Bundessteuer von 17% auf 21.2% vorerst fehlen. Die Waadtländer Stimmbürger haben als einzige bereits im März 2016 der Reduktion des kantonalen Gewinnsteuersatzes von heute 21.65% auf 13.79% zugestimmt. Die Waadtländer Vorlage sieht jedoch im nun eingetretenen Fall der Ablehnung der USR III eine Überarbeitung der kantonalen Strategie vor. Kantone, in denen sich Vorlagen aktuell in der Vernehmlassung befinden, dürften ihre Positionen ebenfalls überprüfen.

Kantone mit vielen Statusunternehmen und hohen ordentlichen Steuersätzen unter Zugzwang
Mit der Ablehnung der USR III stehen die neuen Steuerinstrumente nicht zur Verfügung, welche eine zielgerichtete Entlastung besonders mobiler Unternehmen ermöglicht hätten. Eine international akzeptierte und attraktive Unternehmensbesteuerung kann vorerst lediglich durch die Reduktion der ordentlichen Steuersätze erreicht werden. Firmen, die einem Reputationsschaden vorbeugen wollen, könnten den steuerlichen Sonderstatus zeitnah verlassen wollen. Insbesondere Kantone wie Basel-Stadt, Genf und Waadt, wo viele Statusunternehmen niedergelassen sind und gleichzeitig die ordentlichen Gewinnsteuersätze relativ hoch sind, könnten deshalb unter Druck geraten (vgl. Abb.). Ohne eine deutliche Steuerreduktion besteht die Gefahr, dass mobile Gesellschaften in steuergünstigere Kantone oder ins Ausland abwandern. Gleichzeitig können solche Kantone ihre ordentlichen Sätze eher reduzieren, ohne bedeutende Mindereinnahmen zu riskieren, da der Anteil ordentlich besteuerter Unternehmen geringer ist.

Kurzfristig kaum Effekte auf die Realwirtschaft, aber längerfristiges Risiko einer Verschlechterung der Wettbewerbsposition
Die Ablehnung der USR III ist ein Risiko für die langfristigen Wachstumsaussichten in der Schweiz, könnten doch bedeutende Unternehmen und Steuerzahler wegziehen. Ausrüstungsinvestitionen würden tendenziell geringer ausfallen. Wie stark sich das Wachstumspotenzial verändern wird, ist derzeit aber noch nicht abschätzbar, hängt dies doch stark davon ab, ob und wann ein weiterer Gesetzesentwurf kommt und wie dieser ausgestaltet sein wird. Angesichts der realistischen Erwartung, dass es der Politik gelingen wird, eine neue Vorlage zu schnüren, dürfte zumindest der kurzfristige Effekt gering sein. Unternehmen scheinen nämlich nicht allzu stark auf Unsicherheit zu reagieren, solange nicht klar ist, dass die schlechtest mögliche Variante tatsächlich eintreten wird. Dies lassen zumindest die Reaktionen nach der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative oder dem Brexit-Entscheid in Grossbritannien vermuten. Negativ dürfte sich aber die Unsicherheit auf Neu-Investitionen und die Ansiedlung von Unternehmen auswirken.

Unternehmen warten wohl ab
Der anekdotische Befund, dass Unternehmen erst einmal den definitiven Ausgang eines politischen Prozesses abwarten, bevor sie konkret handeln, wird durch unsere Analyse des Effekts der generellen politischen Unsicherheit auf die Ausrüstungsinvestitionen gestützt. Dabei messen wir politische Unsicherheit mit unserem «Unsicherheitsindex», welcher die Anzahl Artikel in Schweizer Medien zählt, in denen das Wort «Unsicherheit» im wirtschafts- und geldpolitischen Kontext vorkommt. Bis 2009 gingen höhere Unsicherheitswerte (also tiefere invertierte Indexwerte) deutlich mit einer Abschwächung der Ausrüstungsinvestitionen einher (vgl. Abb.). Seit 2009 ist der Zusammenhang weder sichtbar noch statistisch signifikant. Und dies obwohl die wirtschaftspolitische Unsicherheit in den letzten fünf Jahren markant gestiegen ist und es beinahe jährlich zu Ereignissen gekommen ist, welche eine regelrechte Flut von Artikeln auslösten, die sich mit Unsicherheiten für die Schweizer Wirtschaft befassten. Angesichts dieses Befundes belassen wir unsere Wachstumsprognose für das Bruttoinlandsprodukt für dieses Jahr unverändert bei 1.5%.

Kaum Auswirkungen auf die Geldpolitik
Der Ausgang der USRIII-Abstimmung wird unseres Erachtens trotz der leichten Erhöhung der gesamtwirtschaftlichen Unsicherheit kaum Einfluss auf den Aussenwert des Frankens haben. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) dürfte deshalb an ihrer derzeitigen Geldpolitik festhalten und weiterhin am Devisenmarkt aktiv bleiben. Wir gehen jedoch davon aus, dass die Interventionen etwas weniger stark als im vergangenen Jahr ausfallen werden. Schliesslich deuten die jüngsten Indikatoren wie der Einkaufsmanager Index PMI oder die Exportvolumenstatistik auf eine Erholung des Schweizer Exportsektors auf breiterer Basis hin und die Arbeitslosenquote hat wohl ihre Spitze überschritten. Gleichzeitig sollte die Inflation im Jahresverlauf positiv bleiben. All dies sowie der etwas stärkere Dollar erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass die SNB sich dem immer noch anhaltenden Aufwertungsdruck auf den CHF weniger dezidiert entgegenstellt. Wir gehen allerdings nicht davon aus, dass die Nationalbank ihre Devisenkäufe abrupt einstellen wird, da dies ein beträchtliches Risiko eines erneuten Aufwertungsschocks beinhalten würde. Dementsprechend dürfte die SNB auch noch bis mindestens Ende Jahr an den Negativzinsen festhalten. Anleger und Unternehmen sollten sich unseres Erachtens aber bewusst sein, dass die gegenwärtige Geldpolitik keinen Schutz vor einer weiteren graduellen CHF-Aufwertung bietet. Die Ablehnung der USRIII-Vorlage hat dieses Risiko nur geringfügig gemindert. (Credit Suisse/mc/ps)

Wir danken René Buholzer und Florian Klemm von Public Policy Schweiz für ihre Beiträge zu diesem Alert.

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