Der Immobilienmarkt befindet sich auf dem Prüfstand

Der Immobilienmarkt befindet sich auf dem Prüfstand

Gerhard E. Walde, VRP Walde & Partner Immobilien. (Foto: zvg)

Zollikon – Kommentar von Gerhard E. Walde, Walde & Partner Immobilien, Zollikon: «Ich bin besorgt. Die von behördlicher Seite (Finanzdepartement, Finma und Nationalbank) geplanten und scheinbar fix beschlossenen zusätzlichen Massnahmen zur «Beruhigung» des Hypothekar- beziehungsweise Immobilienmarkts lösen bei den unmittelbar Betroffenen, den Käufern, Verkäufern und Besitzern von Eigenheimen, grosse Unsicherheit aus. Schiessen die Massnahmen letztlich über das Ziel hinaus und lassen die Behörden zum Totengräber des Schweizer Immobilienmarktes werden?

Seit einigen Monaten beginnt sich der Immobilienmarkt selbst zu regulieren. Kaufobjekte werden eingehender geprüft und bleiben dadurch durchschnittlich wieder 6 bis 12 Monate, also etwa so lange wie vor dem Immobilienboom, im Angebot. Dies wirkt sich wie gewünscht auch auf die Preise aus. Das Preiswachstum hat sich in allen Preissegmenten verlangsamt oder eingestellt. Im obersten Segment ist es sogar leicht rückläufig. Insbesondere die konsequente Einhaltung der Finanzierungsrichtlinien zeigt Wirkung.

Jetzt könnten die von der Finma beschlossenen, nochmals wesentlich weitergehenden Massnahmen, einen gefährliche Wendepunkt einleiten: Ich spreche nicht von der Erhöhung des antizyklischen Kapitalpuffers für risikogewichtete Hypotheken von ein auf zwei Prozent, die per 30. Juni wirksam wird. Genau genommen spreche ich von keiner der zahlreichen Einzelmassnahmen wie den strengeren Vergabekriterien für Hypotheken, namentlich der finanziellen Tragbarkeit, der Höhe und Art der einzubringenden Eigenmittel resp. der tieferen Belehnungsgrenze oder der rigideren Amortisations­pflicht. Jede einzelne dieser Massnahmen ist in sich nachvollziehbar.

Es ist die Gesamtheit der Massnahmen. Zusammen bilden sie einen besorgniserregenden, gefähr­lichen Cocktail, der anstatt der gewünschten sanften eine harte Landung provoziert, in dem der Immobilienmarkt durch den staatlichen Eingriff regelrecht abgewürgt, anstatt beruhigt werden wird. Denn es werden sich nicht nur Leute kein Eigenheim mehr leisten können, die sich tatsächlich bis an oder über die Grenze der gesunden Tragbarkeit verschulden, sondern auch viele, für die eine vernünftige Tragbarkeit bisher problemlos gegeben war. Dies führt zu einem markanten Anstieg des Angebots, insbesondere an Eigentumswohnungen. Das ist aber nur der Anfang der Entwicklung. In dem die wesentlich schärferen Finanzierungsvorschriften auch auf die Erneuerung von Hypotheken ausgedehnt wird, werden sich zusätzlich viele langjährige, vor allem ältere Eigenheimbesitzer ihr Haus oder ihre Wohnung nicht mehr leisten können. Das führt zu einem weiteren Anstieg des Angebots, wenn nicht sogar zu einem Überangebot. Dann steht die harte Landung kurz bevor.

Das ist aber noch nicht alles. Täglich stellen wir als Immobilienmakler fest, dass die Banken in Bezug auf die Eigenmittel bereits heute gewollt oder ungewollt teilweise wesentlich weiter gehen, als vorgeschrieben. Dies indem sie die für die Berechnung der Belehnungsgrenze massgebliche bankinterne Schätzung deutlich unter dem Marktwert resp. dem Kaufpreis ansetzen. Das ist nichts anderes als eine zusätzliche, verdeckte Erhöhung der Eigenmittel­. Ein Beispiel: Der Kaufpreis oder Marktwert einer Wohnung beträgt CHF 900’000. Die Bank hingegen schätzt die Wohnung auf nur CHF 810’000. Davon ist die Bank bereit, maximal 80% resp. CHF 648’000 zu finanzieren. Die erforderlichen Eigenmittel belaufen sich somit insgesamt auf CHF 252’000, was in diesem Fall nicht mehr 20%, sondern 28% vom Kaufpreis entspricht. Oftmals liegt diese Quote sogar noch einige Prozente höher. Allein aufgrund dieser Handhabung müssen sich zahlreiche Interessenten von den Kaufabsichten zurückziehen, die das notwendige Eigenkapital – selbst ohne Belehnung der Pensionskassengelder – an und für sich aufbringen könnten.

Vor diesem Hintergrund ist es dringend notwendig, dass die von den Behörden beschlossenen und geplanten Massnah­men nochmals überdacht und von den Banken umsichtig und mit gesundem Menschen- resp. Marktverstand umgesetzt werden. Ansonsten ist die Gefahr gross, den Immobilien­markt abrupt abzuwürgen. Derzeit schieben Politik und Banken den Schwarzen Peter hin und her. Die Zeche bezahlen letztendlich die Eigenheimbesitzer. Egal, wer als Totengräber verantwortlich ist.» (Walde & Partner Immobilien/mc)

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