Donald Trumps Kampagne steht in Flammen

Donald Trumps Kampagne steht in Flammen
US-Präsident Donald Trump.

Washington – Vier Wochen noch! Der US-Wahlkampf, seit über einem Jahr in vollem Gange, treibt aufs Finale zu. Und eine Frage steht über allen: Hat Donald Trump, der Demagoge, der Populist, der Desperado unter den Kandidaten, noch eine Chance gegen die geschmeidige und mit allen Wassern gewaschene Hillary Clinton? Am vergangenen Wochenende nach einem plötzlich in die Öffentlichkeit geratenen Skandalvideo schon abgeschrieben, tauchte er nach dem zweiten TV-Duell mit Clinton plötzlich wieder auf.

«Zu früh gefreut», jubelte das Trump-Lager mit Blick auf die Gegner. Trumps Anhänger sahen sich als sichere Sieger der mit gegenseitigen Tiefschlägen gespickten Redeschlacht. Doch mit etwas Abstand klärt sich der Blick: Trump steht in den verbleibenden 28 Tagen bis zum Urnengang vor einer kaum zu stemmenden Herkulesaufgabe. Seine Kandidatur steht in Flammen.

Die Umfragen sehen ihn klar hinten, die jüngste im Auftrag des Senders NBC und des «Wall Street Journal» um eklatante 14 Punkte. Der sehr amerikanische Effekt, gern mit dem Sieger zu stimmen, spricht klar für Clinton. Sie führt in allen wichtigen Bundesstaaten. Tendenz steigend. Noch wichtiger aber als die oft volatile Meinungsforschung: Trump muss den Kampf gegen Clinton ohne die uneingeschränkte Unterstützung seiner Partei führen.

Während für Clinton Heerscharen von Helfern ackern, herrscht bei Trump Zögern, Zweifeln und Zaudern. Menschwerdung des Wankelmuts ist der Gouverneur des wichtigen Swing States New Jersey, Chris Christie. Einst selbst mit Präsidentschaftsfantasien angetreten, gab er sich später als getreuer Trump-Mitstreiter, offenbar in der Hoffnung auf eine Belohnung nach dem Wahltag. Christie unterstützt Trump selbstverständlich noch immer. Aber dessen sexistische Äusserungen – die müsse man nun wirklich ablehnen, liess er am Montag die Nation wissen.

Wenig harmonische Telefonkonferenz
«Trotz eines Erdrutschsieges in der zweiten Debatte (…) ist es schwierig, gut zu sein, wenn Paul Ryan und andere null Unterstützung geben», schrieb ein entnervter Trump am Montag auf seiner Lieblings-Plattform Twitter mit Blick nicht nur auf den Vorsitzenden des Abgeordnetenhauses und starken Mann im Partei-Establishment. Vorausgegangen war Berichten zufolge eine wenig harmonische Telefonkonferenz führender Republikaner.

Ryan hatte angekündigt, Trumps Wahlkampf nicht länger zu unterstützen. Mit ihm gehen weitere Abgeordnete, Senatoren, Gouverneure der Republikaner bis hin zu der Forderung an Trump, die Kandidatur niederzulegen. Offiziell sind sie angeekelt von den sexistischen, frauenfeindlichen, irgendwie auch ziemlich törichten Äusserungen, die Trump 2005, nicht ahnend, dass er auf Band spricht, von sich gegeben hatte.

Es sind aber auch die selben Leute innerhalb der Grand Old Party, die noch vor Wochen Trumps Ausfälle gegen Ausländer, Behinderte und auch gegen Frauen nicht gar so schlimm fanden. Kommentatoren sind sich deshalb vergleichsweise einig: Die Absetzbewegung bei den Republikanern ist wohl weniger der Sorge um den Bestand der Frauenrechte, sondern eher der nackten Angst von Parteisoldaten auf der einen und eiskaltem Kalkül auf der anderen Seite geschuldet.

Wahljahr 2020 im Blick
In den oberen Etagen der Partei hat sich längst die Wahlkampagne 2020 formiert. Die Republikaner sehen eine gute Chance, mit einem geeigneten Kandidaten Hillary Clinton in vier Jahren wieder vom Thron zu stossen. Die Landkarte der Midterm-Wahlen 2018 sieht die Republikaner im Kongress und Senat klar im Vorteil, mit einer strategisch ausgerichteten Oppositionspolitik sind die Chancen mehr als gut, Hillary Clintons Präsidentschaft zu einer Episode statt zu einer Ära zu machen. Im Establishment der Partei kursiert die Frage: Warum sollte man sich da den Klotz Trump, mit all seinen Risiken und Ungewissheiten, überhaupt ans eigene Bein binden?

Paul Ryan, aber auch Vizepräsidentschaftskandidat Mike Pence und dem ewig taktierenden Texaner Ted Cruz werden Ambitionen nachgesagt. Doch zuerst einmal muss der Wahltag am 8. November ins Land gehen. Und da jubeln die Demokraten nicht nur wegen der derzeit guten Umfragewerte von Hillary Clinton. «Wir sind sehr entspannt», heisst es etwa aus dem Büro des New Yorker Senators Chuck Schumer. Sie sind sich vergleichsweise sicher, dass sie die vier Sitze «umdrehen» können, die sie für eine Mehrheit in der mit 100 Parlamentariern besetzten zweiten Kammer brauchen.

Optimisten bei den Demokraten sprechen schon von dem, was bisher praktisch mit einem Denkverbot belegt war: einer demokratischen Mehrheit im Repräsentantenhaus nach dem 8. November. Sollte das eintreten, könnte Clinton zumindest zwei Jahre lang schalten und walten und wichtige Hebel umlegen – etwa bei der Besetzung höchster Richterämter.

Weil diese Gefahr auch die republikanischen Kandidaten erkannt haben, gehen sie einen gefährlichen Drahtseilakt ein: Sie distanzieren sich von Trump, um von dem auch von vielen Republikaner-Wählern als unmöglich empfundenen Kandidaten nicht in den Abwärtssog gerissen zu werden.

Problem: Trump hat seine Kern-Anhängerschaft, die ihm die Ausfälle verzeiht, ja, sie sogar gutheisst. Sein Auftritt bei dem zweiten Fernsehduell, wo er den ständig tigernden Aggressor gab, war genau an diese Gruppe gerichtet. Er sei eben kein Politiker, er sage, was ihm gerade in den Sinn kommt und das schätze man. Auch die Stimmen dieser Leute brauchen die republikanischen Senatoren und Kongressabgeordneten, wollen sie ihre Sitze halten. (awp/mc/ps)

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