Finanzdienstleistungsgesetz: sgv sieht erheblichen Korrekturbedarf

sgv-Direktor Hans-Ulrich Bigler. (Foto: sgv)

Bern – Um den europäischen Marktzugang für Schweizer Finanzinstitute sicherzustellen, will der Bund mit dem geplanten Finanzdienstleistungsgesetz EU-Regeln in Schweizer Recht adaptieren. Der aktuelle Gesetzesentwurf enthält jedoch zahlreiche „Swiss Finishes“ und ist einseitig auf Grossbanken ausgerichtet. Anstatt den Marktzugang zu gewährleisten, werden Finanz-KMU verdrängt. Der Schweizerische Gewerbeverband sgv sieht erheblichen Korrekturbedarf.

Das grösste Manko der angedachten Stossrichtungen ist, dass sie nicht zwischen Grossbanken und Finanz-KMU unterscheiden und so den Markt zu Gunsten der Grossunternehmen verzerren (siehe Beispiele zur Benachteiligung unten). Mit den verursachten Regulierungskosten werden die Kleinen aus dem Markt gedrängt und die Dienstleistungen werden – auch für Kunden – teurer. Weiter führen die derzeit diskutierten Massnahmen zahlreiche „Swiss Finishes“ ein und schiessen übers Ziel hinaus.

Bis Ende März konnten sich die Anspruchsgruppen zum geplanten Finanzdienstleistungsgesetz äussern. Dieses will die Kunden von Finanzdienstleistungen gemäss EU-Anspruch schützen und damit den Schweizern Finanzdienstleistern den Zugang zum EU-Markt garantieren. Der grösste Dachverband der Schweizer Wirtschaft anerkennt, dass für jene Institute, die auf den EU-Zugang angewiesen sind, eine Regulierung wichtig ist. Ebenfalls sieht es der sgv als positiv an, dass die Eckpunkte des künftigen Gesetzes frühzeitig mit den Anspruchsgruppen diskutiert werden. Problematisch sind hingegen die Inhalte der Regulierung, die alle Finanzdienstleiter gleich behandelt und dabei keine Rücksicht auf die Diversität der Branche nimmt.

Der sgv bekennt sich zu einem offenen und verantwortungsvollen Finanzplatz; insbesondere setzt sich der sgv gegen eine Benachteiligung der Finanz-KMU gegenüber den Grossbanken ein. Anstatt
ein Finanzdienstleistungsgesetz mit zahlreichen Schweizer Sonderlösungen zu erlassen, schlägt der sgv deshalb vor, für die bestehenden EU-Regeln (MIFID II) ein einfaches Schweizer Umsetzungsgesetz zu erarbeiten. Diesem können sich dann jene Institute freiwillig unterstellen, die einen solchen Marktzugang zur EU effektiv brauchen.

Finanz-KMU, die den Schweizer Finanzplatz prägen, werden benachteiligt

Finanz-KMU sind kleine und mittlere Unternehmen wie beispielsweise unabhängige Vermögensverwalter, Finanzplaner, Treuhänder und kleinere Banken, die Finanzdienstleistungen anbieten. Versicherungsbroker, auch wenn Versicherungen keine Finanzdienstleistungen sind, gehören ebenfalls zu den Finanz-KMU. Finanz-KMU prägen den Schweizer Finanzplatz, wie folgende Beispiele illustrieren:

  • Unabhängige Vermögensverwalter betreuen rund 600 Milliarden Franken, was einem Anteil von circa 11 Prozent der in der Schweiz verwalteten Vermögen entspricht. Damit zählen sie zu einem der wichtigsten Dienstleister auf dem Finanzplatz Schweiz.
  • Der Anteil „kleinerer Banken“ wie Kantonalbanken, Regionalbanken und Raiffeisenbanken ist etwa 30 Prozent an der gesamten Bilanzsumme der Banken in der Schweiz.
  • In der Schweiz, die in Europa als Zentrum für Family Offices gilt, betreuen Treuhänder zwischen 300 und 400 solcher Einzelvermögen von bis zu 15 Milliarden US-Dollar.

Wie nachfolgende Beispiele zeigen, benachteiligen die jetzigen Stossrichtungen des Finanzdienstleistungsgesetzes  (FIDLEG) die Finanz-KMU massiv:

  • Unabhängige Vermögensverwalter, typische KMU mit weniger als 10 Angestellten, müssten künftig alle Gespräche mit den Kunden protokollarisch festhalten. Ferner müssten sie jeden Kunden über alle Produkte, welche sich auf dem Markt befinden, beraten. Das bedeutet, dass sie auf das Spezialistenwissen, das sie auszeichnet und namentlich gegenüber den Banken attraktiv macht, verzichten müssen. Stattdessen sind sie gezwungen Generalistenwissen über Produkte aufzubauen, die sie selber gar nicht vertreiben.
  • Um den Anforderungen des FIDLEG zu genügen, müsste jede Regional- und Kantonalbank ein neues Expertenteam in Sachen europäischer Regulierung (MIFID II) aufbauen. Die allermeisten Regional- oder Kantonalbanken sind vorwiegend im Inland tätig. Einen aufwändigen Zugang zum europäischen Markt brauchen sie gar nicht.
  • Heute schon werden Versicherungsvermittler (Broker) gesetzlich reguliert und sie müssen ihre Kunden auf Interessenskonflikte hinweisen. Broker legen offen, mit welchen Versicherungen sie Verträge haben und tragen sich in ein Branchenregister ein. Mit dem FIDLEG würde diese gesetzliche und brancheneigene Organisation aufgegeben und eine neue aufgebaut, was mit beträchtlichen Kosten verbunden ist.
  • Ein weiteres Beispiel eines Swiss Finish, das insbesondere die Finanz-KMU benachteiligt, ist die Beweislastumkehr. Sie macht es notwendig, erhöhte Sicherheitsvorkehrungen (d.h. Bürokratie im Umgang mit den Kunden) zu treffen. Sie zwingt die Finanz-KMU auch dazu, sich stehende Anwälte zu nehmen, was die Regulierungskosten beträchtlich erhöht. Da Finanzdienstleister die Prozesskosten sogar dann tragen sollten, wenn ihnen Recht gegeben wird, kann dazu führen, dass Finanz-KMU künftig auf institutionelle Kunden verzichten.

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