Grossbritannien regelt Einwanderung neu: die «Klügsten und Besten»

Grossbritannien regelt Einwanderung neu: die «Klügsten und Besten»

London/Berlin – Nur noch die «Klügsten und Besten» sollen kommen: Grossbritannien setzt künftig stärker auf Fachkräfte aus dem Ausland und begrenzt dafür die Zahl gering qualifizierter Einwanderer. Das neue punkteorientierte Immigrationssystem nach australischem Vorbild soll am 1. Januar 2021 starten, wie Innenministerin Priti Patel am Mittwoch in London mitteilte. Die Pläne stiessen auf scharfe Kritik von Opposition, Gewerkschaften und Unternehmensverbänden.

Nach dem Brexit ändert sich in der Übergangsphase bis Ende dieses Jahres zunächst gar nichts. Aber direkt danach sollen die deutlich strengeren Regeln gelten. «Das wird unsere Einwanderungszahlen senken», betonte Patel. «Heute ist ein historischer Moment für das ganze Land.» Im Vereinigten Königreich leben etwa 3,2 Millionen EU-Bürger, die grösste Gruppe bilden die Polen. Die genaue Zahl ist nicht bekannt, da es in Grossbritannien kein Meldesystem gibt.

EU-Ausländer und Nicht-EU-Ausländer gleichgestellt
Das neue System soll EU-Ausländer und Nicht-EU-Ausländer jetzt gleichstellen. Die höchste Priorität haben für die Regierung Arbeitskräfte mit den «besten Fähigkeiten und den grössten Talenten», darunter Wissenschaftler und Ingenieure. Nur wer 70 Punkte etwa aufgrund spezieller Qualifikationen und des in Aussicht stehenden Jahresgehalts sammelt und ausreichende englische Sprachkenntnisse vorweist, bekommt künftig ein Visum für Grossbritannien. Doch ob die neuen Regelungen reibungslos angewandt werden können, ist fraglich.

Das Problem: Bislang ist die britische Wirtschaft stark auf billige Arbeitskräfte vor allem aus Osteuropa angewiesen, etwa in der Gastronomie und Pflege, auf Baustellen und in der Landwirtschaft. Wer in London einen Handwerker sucht, wird meist unter EU-Bürgern fündig. Schon im vergangenen Jahr klagten Bauern darüber, dass viele Erntehelfer aus Sorge abwanderten und sich Jobs in anderen EU-Ländern suchten. So verfaulte etwa Spargel auf Feldern. Im Königreich ist vom «Brexodus» die Rede – ein Wortspiel aus «Brexit» und «Exodus».

Nach Ansicht der oppositionellen Labour-Partei dürfte es wegen der «feindseligen Umgebung» künftig schwer werden, Arbeitskräfte zu finden. Für die Liberaldemokraten basieren die neuen Regelungen auf Ausländerfeindlichkeit. Der Industrieverband CBI begrüsste einige Regeln, wies aber auf negative Folgen etwa für Bauunternehmen, Krankenhäuser und die Lebensmittelbranche hin. Die Gewerkschaft Unison warnte vor einem «Desaster» im Pflegebereich. Vor allem in britischen Kliniken sind schon jetzt viele Stellen nicht besetzt.

In Deutschland werden Einwanderungshürden abgesenkt
Ganz anders sieht es in Deutschland aus, wo die Hürden für die Einwanderung von Arbeitskräften jetzt abgesenkt werden. Am 1. März tritt das Fachkräfteeinwanderungsgesetz in Kraft. Viele Arbeitgeber und Experten glauben allerdings, dass damit das erklärte Ziel, den Fachkräftemangel durch qualifizierte Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Staaten zu beheben, nicht erreicht wird.

Neu ist, dass auch Arbeitsmigranten ohne akademischen Abschluss als Fachkräfte kommen dürfen. Zudem entfällt bei Ausländern, die schon einen Arbeitsvertrag in der Tasche haben, die Vorrangprüfung. Es muss also nicht mehr geschaut werden, ob sich für die Stelle nicht auch ein Deutscher oder jemand aus einem anderen EU-Staat findet.

Allerdings müssen die Arbeitsmigranten Deutschkenntnisse und eine Berufsausbildung vorweisen. Ihre Abschlüsse müssen dann in Deutschland anerkannt werden. Ausnahmen sind nur bei den dringend benötigten IT-Fachkräften möglich. Sie können alternativ nachweisen, dass sie mindestens drei Jahre Berufserfahrung in dem Bereich haben.

Was die Anwerbung für deutsche Arbeitgeber zusätzlich erschwert, ist die Tatsache, dass Deutsch weltweit nicht so verbreitet ist wie etwa Englisch. Verbände hatten hier für weniger strenge Voraussetzungen plädiert. Doch der Gesetzgeber hielt ihnen entgegen, dass es nicht nur um die sprachlichen Anforderungen im Job gehe, sondern auch um gute Startvoraussetzungen für die Integration der Arbeitsmigranten. (awp/mc/kbo)

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