May: Bereiten uns auf Brexit ohne Abkommen mit Brüssel vor

May: Bereiten uns auf Brexit ohne Abkommen mit Brüssel vor
Theresa May, britische Premierministerin. (Foto: gov.uk)

London / Brüssel – Die britische Regierung trifft Vorbereitungen für einen EU-Austritt ohne neues Abkommen mit Brüssel. Das machte Premierministerin Theresa May am Montag im britischen Parlament deutlich. Die britische Regierung hat erste Pläne für den Fall eines ungeregelten EU-Ausstiegs veröffentlicht. Sollte bis Ende März 2019 kein neues Abkommen geschlossen sein, müssten sich die Handelsbeziehungen nach den Regeln der Welthandelsorganistation (WTO) richten, heisst es in einem Positionspapier, das am Montagabend veröffentlicht wurde. Grossbritannien scheidet zu diesem Zeitpunkt aus der Staatengemeinschaft aus.

Obwohl es «fundamental» im Interesse Londons liege, dass die Austrittsverhandlungen erfolgreich seien, sei es die Verantwortung der Regierung «für alle Eventualitäten vorzusorgen», sagte May. Gleichzeitig verärgerte sie Befürworter eines kompromisslosen Brexits in ihrer Partei mit der Ankündigung, das Land werde sich auch in einer Übergangsphase nach dem Brexit dem Europäischen Gerichtshof unterwerfen müssen.

Um lange Staus besonders an den Fährhäfen zu verhindern, wolle London Zollkontrollen für Waren aus der EU im Hinterland abwickeln, heisst es in dem Papier weiter. Auf Pakete müsse in Zukunft eine Mehrwertsteuer erhoben werden. London will sich damit für ein Scheitern der festgefahrenen Brexit-Gespräche rüsten, die derzeit in Brüssel in der fünften Runde fortgesetzt werden. Kommentatoren sehen hinter dem Schritt den Versuch, Druck auf die EU aufzubauen. Die Regierung in London betonte, ein EU-Austritt ohne Abkommen sei nicht das Ergebnis, das man sich wünsche. Brexit-Minister David Davis sollte am Dienstag nach Brüssel reisen, um an den Gesprächen teilzunehmen.

Spekulationen um Kabinettsumbildung
Unterdessen wollten Spekulationen über eine anstehende Kabinettsumbildung in London nicht abreissen. Britischen Medien zufolge erwägt die angeschlagene Premierministerin May ihre Position durch eine Rochade im Kabinett zu festigen. Im Zentrum der Spekulationen steht Aussenminister Boris Johnson, der die Regierungschefin in den vergangenen Wochen mehrfach düpiert hatte. Er könnte auf einen anderen Posten im Kabinett versetzt werden, heisst es.

Verhandlungen in ernsthaften Schwierigkeiten
Die Brexit-Verhandlungen stecken in ernsten Schwierigkeiten. Zum Auftakt der fünften Runde über den britischen EU-Austritt ermahnten sich London und Brüssel am Montag gegenseitig zu Bewegung, ohne selbst Zugeständnisse anzudeuten. Die Gespräche in Brüssel begannen dann ohne Brexit-Minister David Davis und EU-Chefunterhändler Michel Barnier, die Experten in Arbeitsgruppen das Feld überliessen.

Die Unterhändler sollen die Bedingungen des für 2019 geplanten EU-Austritts und die Eckpunkte für künftige Beziehungen klären. Die Gespräche laufen seit Juni aber äusserst zäh. Die EU besteht darauf, zunächst wichtige Trennungsfragen abzuhaken – unter anderem will sie finanzielle Zusagen in Milliardenhöhe. Erst wenn sie «ausreichenden Fortschritt» bestätigt, soll die künftige Partnerschaft Thema werden.

May sieht EU in  Bringschuld
Die britische Premierministerin Theresa May sieht jedoch die EU bei den Brexit-Verhandlungen in der Bringschuld, wie sie am Montag im Parlament klar machte. Brüssel solle mehr Flexibilität zeigen. London habe eine «neue tiefe und besondere Partnerschaft zwischen Grossbritannien und der EU angeboten». Entsprechende Positionspapiere zu künftigen Handels- und Zollregelungen wurden noch am Montag veröffentlicht. Nun liege der Ball im Feld der EU.

Die EU-Kommission wies dies sofort zurück. «Der Ball liegt ausschliesslich im Feld des Vereinigten Königreichs», sagte ein Sprecher. Die EU bestehe auf der klaren Abfolge der Verhandlungen, und noch sei keine Einigung bei den Trennungsfragen erzielt. Das EU-Team stehe rund um die Uhr für Verhandlungen zur Verfügung, betonte der Sprecher.

Bis Donnerstag ist die fünfte Verhandlungsrunde angesetzt. Es ist gleichzeitig die letzte vor dem EU-Gipfel am 19. und 20. Oktober, der eine Zwischenbilanz ziehen soll. Ursprünglich war vorgesehen, bis dahin «ausreichenden Fortschritt» zu erzielen und Phase zwei der Gespräche einzuläuten. Aber vorige Woche hatte EU-Chefunterhändler Barnier im Europaparlament erklärt, so weit sei es noch nicht.

Für diese Woche steht nun ein sehr dünnes Verhandlungsprogramm auf der veröffentlichten Tagesordnung. Brexit-Minister Davis will erst zum Abschluss am Donnerstag gemeinsam mit Barnier in Brüssel auftreten.

Dabei wächst der Zeitdruck für die extrem komplexen Verhandlungen – und die Nervosität bei Wirtschaftsvertretern auf beiden Seiten des Ärmelkanals. Die Beratungsgesellschaft Ernst & Young forderte deutsche Unternehmen am Montag auf, sich für einen «harten Brexit» und hohe Zollschranken bereit zu machen. «Die verbleibende Zeit, um eine friktionslose Nachfolgeregelung nicht nur zu finden, sondern auch zu implementieren, ist ausgesprochen knapp», erklärten die Berater. Ohne Abkommen würden die Regeln der Welthandelsorganisation und damit Zollsätze von bis zu 75 Prozent in Kraft treten. (awp/mc/ps/cs)

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