Mieterverband geht mit Volksinitiative gegen hohe Mieten vor

Bern – Mit einem Verfassungsartikel will der Mieterinnen- und Mieterverband Schweiz gegen missbräuchlich zu hohe Mieten vorgehen. Am Freitag hat er dazu in Bern seine Mietpreis-Initiative vorgestellt. Die Unterschriftensammlung soll Anfang Juni beginnen.
Mit der Initiative «Ja zum Schutz vor missbräuchlichen Mieten (Mietpreis-Initiative)» soll der Grundsatz der Kostenmiete in der Verfassung verankert werden. Damit würden sich nach Angaben des Verbandes die Mieten an den tatsächlichen Kosten plus einer definierten «angemessenen» Rendite orientieren.
Ein Mietzins wäre künftig missbräuchlich, wenn er die tatsächlichen Kosten für die Mietsache zuzüglich einer angemessenen Rendite übersteigt oder wenn er auf einem übersetzten Kaufpreis beruht. So steht es im Initiativtext.
Zum Zweiten verlangt die Initiative eine automatische und regelmässige Überprüfung der Mietpreise. Falls nötig, müssen die Mieten angepasst werden. Auch Mietende sollen die Überprüfung verlangen können. Zur Festlegung der Mieten brauche es klare Regeln.
Zehn Milliarden Franken zu viel Miete
In den vergangenen zwanzig Jahren seien die Mieten explodiert – obwohl sie aufgrund gesetzlicher Vorgaben und tiefer Zinsen hätten sinken müssen, macht der Verband geltend. Gemäss Index des Bundesamts für Statistik (BFS) stiegen die Mieten um einen Viertel. Das belaste die Haushaltsbudgets und schwäche die Kaufkraft.
Laut Mieterverbandspräsident und SP-Ständerat Carlo Sommaruga haben Mietende im vergangenen Jahr über zehn Milliarden Franken an missbräuchlicher Miete bezahlt. Oder anders ausgedrückt: 360 Franken pro Monat und Haushalt zahlten Mieterinnen und Mieter durchschnittlich zu viel Miete. Betroffen seien über sechzig Prozent der Haushalte.
Wer Wohnraum anbiete, solle daran angemessen verdienen, hielt Verbandsvize Adriano Venuti auf dem Berner Bundesplatz fest. Der Anteil der an hohen Renditen interessierten Immobilienkonzerne gegenüber privaten Vermietern sei jedoch am Steigen. Und spätestens wenn ein Renditeobjekt saniert werde, explodierten die Mietpreise unverhältnismässig.
«Kein Immobilienkonzern wird freiwillig auf missbräuchliche Mieten und übersetzte Renditen verzichten», sagte Verbandsvorstandsmitglied und SP-Nationalrätin Jessica Jaccoud. Deshalb brauche es regelmässige Mietpreisüberprüfungen, die nicht auf den Schultern der Mieterinnen und Mieter lasteten.
Nicht die erste Volksinitiative
Die Initiantinnen und Initianten hoben hervor, dass Wohnen ein Grundbedürfnis sei. Würden die Mietpreise auf das gesetzlich korrekte Niveau gedrückt, könnten Genossenschaften, Private oder Gemeinden Häuser mit preisgünstigen Wohnungen bauen.
In den vergangenen Jahren habe das nationale Parlament statt dem Mieterschutz den Vermieterschutz ins Zentrum seiner Überlegungen gestellt, sagte Mieterverbandsvize und Grünen-Nationalrat Michael Töngi. Deshalb brauche es nun den Druck der Bevölkerung. Die Unterschriftensammlung soll laut dem Verband am 3. Juni beginnen.
Es ist nicht das erste Mal, dass eine Volksinitiative mehr Schutz vor unangemessenen Mietpreisen verlangt. Ein erstes Nein gab es 1955 zu einem ähnlich gelagerten Anliegen. Ebenso wenig Erfolg hatte 1977 die Initiative «für einen wirksamen Mieterschutz».
1986 hingegen wurde der Gegenvorschlag zu einer weiteren Mieterschutz-Initiative an der Urne angenommen. Das ermöglichte Massnahmen gegen Mietmissbräuche in der ganzen Schweiz. 2003 hingegen wurde die Initiative «Ja zu fairen Mieten» des Mieterinnen- und Mieterverbandes verworfen.
Kritik vom Hauseigentümerverband
Auch gegen die aktuelle Initiative regt sich bereits Widerstand. Der Hauseigentümerverband Schweiz bezeichnete die Idee in einer Mitteilung als kontraproduktiv. «Strenge Regulierungen bremsen Investitionen, senken die Qualität und verhindern Wohnraumwechsel.» Das zeigten Erfahrungen aus Genf, Basel und dem Ausland.
Zudem verkenne der Mieterinnen- und Mieterverband die realen Ursachen steigender Wohnkosten. Höhere Mieten bei Neuvermietungen seien oft auf Qualitätssteigerungen zurückzuführen: moderne Grundrisse, energetische Sanierungen und Investitionen in umweltfreundliche Technologien.
Gleichzeitig sei die anhaltend hohe Zuwanderung für die steigenden Preise verantwortlich. «Wer tiefere Mieten will, muss mehr bauen – nicht mehr verbieten und kontrollieren», schrieb der Hauseigentümerverband. (awp/mc/pg)