OBT: Forderungsverzicht durch Gesellschafter – wirksames Instrument zur Unternehmenssanierung

St. Gallen – Mit der Revision des Aktienrechts, die seit 1. Januar 2023 in Kraft ist, unterliegen Unternehmungen mit Kapitalverlust gemäss Art. 725a OR oder Überschuldung gemäss Art. 725b OR strengeren Vorschriften. In diesem Artikel erläutern wir eine mögliche Sanierungsmassnahme im Detail – den «Forderungsverzicht durch Gesellschafter». Ziel dieses Forderungsverzichts ist die Sicherung des Fortbestands des Unternehmens und die Stärkung des Eigenkapitals.
Bei Gesellschaften ohne Revisionsstelle und mit Kapitalverlust verlangt das revidierte Aktienrecht eine eingeschränkte Revision durch einen zugelassenen Revisor. Dieser wird vom Verwaltungsrat ernannt. Die Revisionspflicht entfällt nur dann, wenn der Verwaltungsrat ein Gesuch um Nachlassstundung einreicht. Der Verwaltungsrat ist verpflichtet, Massnahmen zur Beseitigung des Kapitalverlusts zu ergreifen oder bei der Generalversammlung solche zu beantragen, soweit sie in deren Zuständigkeit fallen. Klar ist: Sanierungsmassnahmen müssen stets im Einzelfall geprüft werden. Je nach Situation können dabei unterschiedliche Massnahmen geeignet bzw. erforderlich sein.
Nachfolgend beleuchten wir eine mögliche Sanierungsmassnahme im Detail – den «Forderungsverzicht durch Gesellschafter». Ziel dieses Forderungsverzichts ist es, den Fortbestand des Unternehmens zu sichern und das Eigenkapital zu stärken.
Darum ist ein Forderungsverzicht wertvoll
Bei einem Forderungsverzicht verzichtet der Gesellschafter auf seine Forderung gegenüber der Gesellschaft, wobei der entsprechende Betrag seitens der Gesellschaft in die gesetzliche Kapitalreserve gebucht und anlässlich der Generalversammlung, wie von dieser beschlossen, mit dem Verlust verrechnet oder in den gesetzlichen Kapitalreserven belassen wird. Der Forderungsverzicht kann aus folgenden Gründen eine wertvolle Sanierungsmassnahme darstellen:
- Reduktion der Verbindlichkeiten
Eine der zentralen Massnahmen der Unternehmenssanierung ist die Reduzierung der Verbindlichkeiten. Wenn ein oder mehrere Gesellschafter auf ihre Forderungen verzichten, werden die Verbindlichkeiten reduziert und damit das Eigenkapital des Unternehmens gestärkt.
- Vermeidung der Benachrichtigung des Richters
Ein Forderungsverzicht kann dazu beitragen, einen Kapitalverlust oder eine Überschuldung zu beseitigen. Dadurch entfällt im Fall einer Überschuldung die Pflicht, den Richter zu benachrichtigen. Allerdings werden durch den Forderungsverzicht keine neuen liquiden Mittel zugeführt, weshalb eine mögliche drohende Zahlungsunfähigkeit gemäss Art. 725 OR weiterhin berücksichtigt werden muss.
- Stärkung des Eigenkapitals
Ein Forderungsverzicht dient zur Eigenkapitalstärkung. Diese Massnahme verbessert die bilanzielle Position des Unternehmens und erleichtert dadurch den Zugang zu Finanzierungen und potenziellen Investoren.
Formelle Anforderungen und Dokumentation
Ein Forderungsverzicht ist grundsätzlich formfrei möglich. Das bedeutet, dass der Verzicht auf eine Forderung auch mündlich erfolgen kann. Allerdings ist es in der Praxis empfehlenswert, den Forderungsverzicht schriftlich festzuhalten. Dies schützt sowohl den Gesellschafter als auch das Unternehmen vor Missverständnissen und stellt sicher, dass der Verzicht im Fall eines späteren Rechtsstreits nachgewiesen werden kann.
Für den Forderungsverzicht sollte eine klare schriftliche Vereinbarung zwischen dem Gesellschafter und dem Unternehmen getroffen werden. Diese sollte zumindest folgende Punkte beinhalten:
- Höhe der Forderung, auf die verzichtet wird
- Zeitpunkt des Verzichts (wirtschaftlich rückwirkend auf Bilanzstichtag möglich)
- Erklärung des Verzichts
- Unterschriften der beteiligten Parteien
Buchhalterische Behandlung
Das revidierte Aktienrecht regelt die Einordnung von Forderungsverzichten, die als Einlagen und Zuschüsse von Inhabern von Beteiligungspapieren gelten, im Eigenkapital. Gemäss Art. 671 Abs. 1 Ziffer 3 OR sind solche geleisteten Einlagen und Zuschüsse von Inhabern von Beteiligungspapieren im Eigenkapital den gesetzlichen Kapitalreserven zuzuweisen.
Forderungsverzichte durch Gesellschafter, die direkt in das Eigenkapital der Gesellschaft gebucht werden, sind aufgrund der handelsrechtlichen Verbuchung (Massgeblichkeitsprinzip) immer gewinnsteuerneutral. Solche Forderungsverzichte stellen Kapitaleinlagen dar. Soweit diese nicht durch die Ausbuchung von handelsrechtlichen Verlustvorträgen vernichtet werden, gelten sie steuerrechtlich als Kapitaleinlagereserve (KER) bzw. Ausland-KER. Diese sind mit dem Formular 170 an die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) zu melden. Von der ESTV genehmigte Kapitaleinlagereserven sind separat unter dem Titel «Reserven aus Kapitaleinlagen» offen im Eigenkapital auszuweisen. Der Vorteil ist die steuerneutrale Rückzahlung der Reserven aus Kapitaleinlagen, sobald Gewinne erzielt werden und die Verluste vollständig beseitigt sind.
Emissionsabgabe
Sämtliche Einlagen in die gesetzliche Kapitalreserve, die nicht vollständig mit den handelsrechtlichen Verlusten beseitigt werden, unterliegen der Emissionsabgabe von 1%. Der Freibetrag nach Art. 6 Abs. 1 Bst. k StG kommt nicht zur Anwendung, und die Emissionsabgabe ist ab dem ersten Franken geschuldet. Mit dem Formular 4 der ESTV ist diese innert 30 Tagen nach Ablauf des Quartals, in dem der Forderungsverzicht verbucht wurde, zu melden und zu bezahlen. Wird die Frist nicht eingehalten, werden zusätzliche Verzugszinsen in Rechnung gestellt.
Verrechnung mit handelsrechtlichen Verlusten
Sämtliche bestehenden Verluste können verrechnet werden, einschliesslich der Verluste des Geschäftsjahres, in dem der Zuschuss geleistet wird. Die Verrechnung der Verluste mit der Einlage muss spätestens an der ordentlichen Generalversammlung beschlossen werden, in der die Jahresrechnung für das Geschäftsjahr genehmigt wird, in dem die Sanierungsleistung erbracht wurde. Die Ausbuchung der Verluste ist spätestens im auf die Sanierung folgenden Geschäftsjahr vorzunehmen (vgl. Schweizer Handbuch der Wirtschaftsprüfung, Band «Buchführung und Rechnungslegung», 2023, Randziffer 572).
Sämtliche Veränderungen von Eigenkapitalpositionen fallen in die Zuständigkeit der Generalversammlung. Aus diesem Grund muss der Verwaltungsrat den Antrag an die Generalversammlung stellen.

Steuerliche Behandlung
Mit Datum vom 20. Januar 2025 publizierte die ESTV das neue Kreisschreiben Nr. 32a «Sanierung von Kapitalgesellschaften und Genossenschaften».
Das Kreisschreiben Nr. 32a tritt mit seiner Publikation in Kraft und ersetzt das Kreisschreiben Nr. 32 vom 23. Dezember 2010. Die aktualisierte Version des Kreisschreibens Nr. 32a berücksichtigt neben allgemeinen redaktionellen Änderungen insbesondere Anpassungen des Kreisschreibens Nr. 5a zu den Umstrukturierungen sowie die seit der Publikation des Kreisschreibens Nr. 32 im Jahr 2020 ergangenen Praxisänderungen der ESTV.
Wir verweisen in Bezug auf die steuerliche Behandlung von Forderungsverzichten von Gesellschaftern auf den zusätzlichen Impulsartikel «Sanierung – neues Kreisschreiben Nr. 32a in Kraft». (OBT/mc/ps)
Fazit
Der Forderungsverzicht durch Gesellschafter stellt ein wirksames Instrument zur Unternehmenssanierung dar, insbesondere zur Beseitigung von Kapitalverlusten und Überschuldung. Die Revision des Aktienrechts, in Kraft seit 1. Januar 2023, hat die Anforderungen an Unternehmen in finanziellen Notlagen verschärft. Neu muss die Jahresrechnung zwingend eingeschränkt revidiert werden, und es besteht weiterhin die Pflicht zur Sanierung der Gesellschaft.
Ein Forderungsverzicht reduziert Verbindlichkeiten der Gesellschaft und kann so das Eigenkapital stärken. Sollte durch den Forderungsverzicht die Überschuldungssituation beseitigt werden, fällt auch das Erfordernis, den Richter zu benachrichtigen, dahin. Allerdings führt der Forderungsverzicht nicht zu neuen liquiden Mitteln. Daher müssen mögliche Zahlungsunfähigkeiten weiterhin beachtet werden.