Schweiz verliert laut EY-Studie für ausländische Investoren an Attraktivität

Schweiz verliert laut EY-Studie für ausländische Investoren an Attraktivität
André Bieri, Markets Leader Schweiz & Liechtenstein bei EY in der Schweiz. (Bild: EY)

Zürich – Ausländische Investoren haben ihr Engagement in der Schweiz im vergangenen Jahr deutlich reduziert: Die Anzahl der von ausländischen Unternehmen angekündigten Investitionsprojekte sind im Vergleich zum Vorjahr von 75 auf 58 gesunken. Im Jahr 2020 wurden noch 91 ausländische Investitionen in der Schweiz gezählt.

Das sind Ergebnisse einer Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY zu Investitionsprojekten ausländischer Unternehmen in Europa. Für die Studie werden Investitionsprojekte erfasst, die zur Schaffung neuer Standorte und neuer Arbeitsplätze führen; Portfolio- und M&A-Investitionen werden hingegen nicht berücksichtigt.

Europaweit wurden im vergangenen Jahr insgesamt 5‘962 Investitionsprojekte ausländischer Investoren angekündigt, ein Anstieg um ein Prozent. Das Vor-Pandemie-Niveau wurde damit aber weiterhin deutlich verfehlt. So lag die Zahl der ausländischen Investitionsprojekte um sieben Prozent unter dem Wert von 2019. «Der Fokus unserer Studie richtet sich auf Investitionsprojekte, die eine entsprechend lange Vorlaufzeit benötigen – Investoren müssen die möglichen Standortfaktoren für ein neues Fertigungs- oder Dienstleistungsunternehmen zuerst definieren, um sich dann für einen Standort zu entscheiden», sagt André Bieri, Markets Leader bei EY in der Schweiz. Deshalb sei auch in den aktuellen Zahlen noch ein gewisser Pandemie-Effekt festzustellen: «Interkontinentale Reisen sind erst seit ein paar Monaten wieder unbeschränkt möglich. Dies führt erst zur Bildung einer Pipeline für neue Investitionsprojekte in neue Standorte in Europa was sich in der Studie noch nicht niederschlägt»

Spitzenreiter im Europa-Ranking bleibt Frankreich, wo die Entwicklung schon seit einigen Jahren sehr dynamisch verläuft. So stieg die Zahl der Investitionsprojekte in Frankreich im vergangenen Jahr um drei Prozent auf 1‘259, nachdem sie im Vorjahr bereits um 24 Prozent zugelegt hatte. Grossbritannien belegt den zweiten Platz im Ranking, die Zahl der Projekte schrumpfte allerdings um sechs Prozent auf 929. Die Schweiz liegt mit 58 Investitionen in dieser Rangierung auf Platz 17 – direkt hinter Schweden (68 Investitionen) und vor Ungarn (50).

«Der Rückgang dieser Art von Investitionen ist aus Sicht der Schweiz mit beschränkten Ressourcen im Bereich qualifizierte Mitarbeitende und Raum kein Anlass zur Sorge», sagt Bieri. «Der Fokus der Studie liegt auf ressourcenintensiven Investitionen zur Schaffung neuer Standorte und Arbeitsplätze, vor allem für Fertigungs- oder Dienstleistungsunternehmen» Die Schweiz ist und bleibt weiterhin ein hervorragender Standort für strategische Schlüsselfunktionen mit hoher Wertschöpfung, welcher hochqualifizierte Arbeitnehmer verlangt.

Unter den grösseren europäischen Standorten entwickelten sich im vergangenen Jahr die Türkei, Portugal und Polen mit Zuwachsraten von mehr als 20 Prozent besonders dynamisch. «Dieses sehr gute Abschneiden in unserem Ranking zeigt, dass sich diese Länder ideal positioniert haben als Investitionsstandorte für ressourcenintensive neue Fertigungs- oder Dienstleistungsunternehmen sowie als Nearshoring-Standort für europäische Unternehmen», erklärt Bieri.

Sinkende ausländische Investitionen in der Schweiz
Betrachtet man die im Jahr 2022 gezählten 58 ausländischen Investitionen in der Schweiz genauer, zeigt sich: Die USA sind zum zweiten Jahr in Folge der wichtigste Investor mit 21 Investitionsprojekten. Auf diese folgen die Nachbarländer Frankreich (7 Investitionen) und Deutschland (6), sowie Grossbritannien und Österreich (jeweils 5). Aus Japan wurden drei Projekte gezählt, aus China und Brasilien jeweils zwei. Jeweils ein Investitionsprojekt schaffte den Weg in die Schweiz aus den Niederlanden, Indien, Italien, Luxembourg, Spanien, Belgien und Malaysia.

Vor allem Investitionen aus Deutschland sind in den letzten drei Jahren deutlich weniger geworden: Wurden in diesem Jahr sechs Investitionen erfasst, waren es im Vorjahr noch 14 und im Jahr 2020 ganze 27 Projekte. Auch Investitionen aus Grossbritannien sind von im Vorjahr neun auf fünf zurückgegangen. Zugenommen hat die Anzahl der Investitionsprojekte aus Frankreich (von 4 im 2021 auf 7 im 2022) und Österreich (von 1 im 2021 auf 5 im 2022).

Bei den Arbeitsplätzen, die durch diese Investitionen geschaffen worden sind, rangieren die USA zusammen mit China auf Platz 1: Jeweils 150 neue Stellen haben diese Investitionen in der Schweiz hervorgebracht. Die Investitionen aus Japan sorgten für 40 neue Stellen. Im Vergleich zum Vorjahr zeigt sich auch im Hinblick auf neue Stellen ein deutlicher Rückgang: Im letzten Jahr waren es 345, im Jahr 2021 noch 727 Jobs.

Investoren aus der Schweiz unter den Top 5 in Europa
Stabil zeigen sich die Schweizer Investoren mit ihrem Engagement im Ausland. Im Ranking der wichtigsten Investoren in Europa liegt die Schweiz zusammen mit den Niederlanden auf Platz 5 und damit noch vor China, Italien und Japan. Angeführt wird die Liste von den USA, gefolgt von Deutschland, Grossbritannien und Frankreich.

Für das letzte Jahr wurden 248 Schweizer Investitionen gezählt, das sind zehn mehr als im Jahr 2021 (238). Im Jahr 2020 wurden 256 Investitionen aus der Schweiz gezählt. Im Jahr 2022 haben sich Investoren aus der Schweiz in insgesamt 28 Ländern betätigt. Zu den attraktivsten Standorten zählen Frankreich (66 Investitionen aus der Schweiz), Deutschland (37), Portugal (20), Grossbritannien (18), Österreich (17), Italien (14) und Spanien (13).

Die letztjährigen Investitionen hatten hinsichtlich der geschaffenen Arbeitsplätze einen ausserordentlichen Anstieg von 68% gegenüber dem Vorjahr zur Folge: 13’564 neue Stellen wurden durch Schweizer Investitionen geschaffen (2021: 8057; 2021: 6897). Vor allem in Frankreich (3193 Stellen), Serbien (2330), Italien (1792) und Österreich (1231) sind viele neue Jobs gezählt worden.

Investoren sehen Deutschland vor Frankreich und Grossbritannien – Schweiz auf Platz 8
Für die EY-Studie wurde eine Befragung von 508 Entscheidungsträgern bei international tätigen Unternehmen durchgeführt, die im Februar und März 2023 stattfand. Bei dieser wurde nach den derzeit attraktivsten Investitionsstandorten für ausländische Investoren gefragt. Der Anteil der Befragten, die Deutschland als einen von drei Top-Standorten in Europa bezeichnen, ist im Vergleich zur Vorjahresbefragung von 42 auf 62 Prozent gestiegen. Frankreich (47 Prozent) und Grossbritannien (43 Prozent) liegen deutlich dahinter. Die Schweiz liegt bei diesem Attraktivitäts-Ranking auf Platz 8 – zusammen mit Luxembourg und einem Wert von 11 Prozent. (EY/mc/ps)

Methodik
Für die Studie werden FDI-Projekte erfasst, die zur Schaffung neuer Standorte und neuer Arbeitsplätze geführt haben. Da die Bereiche Portfolio-Investitionen und M&A nicht berücksichtigt werden, zeigen die erfassten Daten, in welchem Umfang ausländische Unternehmen tatsächlich in Fertigungs- und Dienstleistungsunternehmen auf dem europäischen Kontinent investieren.
Die Zahlen beinhalten aber auch Investitionen in Sachanlagen, z. B. technische Anlagen und Betriebs- und Geschäftsausstattung. Diese Daten lassen wertvolle Rückschlüsse darauf zu, wie FDI-Projekte vorgenommen werden, in welche Aktivitäten investiert wird, wo diese Projekte lokalisiert sind und wer sie ausführt.
Investitionsprojekte der folgenden Kategorien werden nicht in der Datenbank erfasst: M&A und Joint Ventures, Portfolio-Investitionen und Lizenzverträge.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert