Studie: Ein zu grosser Finanzplatz birgt auch Gefahren

Studie: Ein zu grosser Finanzplatz birgt auch Gefahren
Bankenzentrum am Zürcher Paradeplatz.

Bankenzentrum am Zürcher Paradeplatz.

Bern – Auch die Schweiz selbst nimmt Schaden an ihrem intransparenten Finanzplatz. Das sagte Markus Meinzer vom Tax Justice Network (TJN) im Gespräch mit der Nachrichtenagentur sda. So sei die Schweiz selbst Opfer von Steuerflucht. Es sei für einen Schweizer Bürger ein Leichtes, Gelder auf deutschen Konten vor der Steuerbehörde zu verstecken. Weitreichender dürften gar die Folgen für die Wirtschaft sein. «Es gibt immer mehr Hinweise, dass ein grosser Finanzplatz auf die Gesamtwirtschaft wachstumshemmend wirken könnte», sagte Meinzer. Davor habe unter anderem der Internationale Währungsfonds gewarnt.

Er nannte als Beispiel Preissteigerung infolge eines grossen Zuflusses von ausländischem Kapital. Dies habe unter anderem Auswirkungen auf Immoblilienpreise. Nicht zu unterschätzen seien auch die Gefahren für die Demokratie durch eine dominierende Industrie. Wird eine Industrie zu stark, bestehe die Gefahr, dass deren Partikularinteressen der Demokratie schaden. «Wir sprechen in einem solchen Fall von einem gekaperten Staat.»

Starker Franken dank Banken
Auswirkungen für die Volkswirtschaft waren in jüngster Zeit bereits zu spüren, wie Meinzer unter Verweis auf den starken Franken erklärte. Weil während der Finanzkrise ab 2008 viel ausländisches Geld in die Schweiz strömte, erstarkte der Franken. Dieser wiederum bremste die Exportwirtschaft so stark ab, dass die Nationalbank sich 2011 gezwungen sah, eine Wechselkursuntergrenze von 1.20 Franken festzulegen.

Deshalb sei «derzeit der Zeitpunkt ideal, den automatischen Imformationsaustausch mit der EU einzuführen, denn dies könnte helfen, die Wechselkursprobleme abzuschwächen», sagte Meinzer.

Steuerflucht: Die Nadel im Heuhaufen
TJN will mit ihrem Schattenfinanzindex aufzeigen, wo Gelder versteckt werden, um Steuern zu vermeiden. Wie viel Steuergelder anderen Staaten entgehen, weil ihre Steuerpflichtigen ihre Gelder in der Schweiz verstecken, ist unklar.»Der Schaden ist schwierig zu beziffern.» Doch je grösser der Finanzplatz, desto grösser sei dessen Verantwortung für mehr Transparenz, weil mit zunehmender Grösse eines Finanzplatzes das Risiko steige, «dass dort schmutziges Geld versteckt ist».

«Es ist wie der sprichwörtliche Heuhaufen: bei einem grossen Heuhaufen braucht man einen besseren Metalldetektor, um die Nadel zu finden.» Ein Schritt in Richtung Transparenz wäre, wenn die Schweiz die tatsächlichen Eigentümer von Unternehmen in öffentlichen Registern zugänglich machen würde, sagte der TJN-Experte.

Steuervermeidungsparadies
Die Schweiz zog gemäss TJN zwischen 2003 und 2009 über 250 ausländische Unternehmen an. Für diese sei die Grösse und die Geheimhaltungspraxis des Finanzplatzes attraktiv. Auch lockten ein stabiles Umfeld, tiefe Steuern und Steuerschlupflöcher. Mit einem Schweizer Sitz könnten ausländische Konzerne Steuern vermeiden. «So etwa bezahlen der Rohstoffkonzern Glencore und der Bierkonzern SABMiller in Entwicklungsländern kaum nennenswerte Ertragssteuern, obwohl sie mit der Förderung von Rohstoffen, der Produktion und dem Verkauf von Waren dort grosse Gewinne erwirtschaften», sagte Meinzer.

«SABMiller erreicht das, indem eine seiner Töchter mit Sitz in Zug den konzerneigenen Brauereien in Afrika überhöhte Rechnungen über teils sogar fiktive Dienstleistungen und Patentgebühren stellt . So schafft SABMiller insgesamt jährlich 100 Millionen Franken aus Afrika in Steueroasen. Davon gehen rund 60 Millionen Franken in den Kanton Zug.»

Domizilgesellschaften
Aus diesem Grund müsste die Schweiz bei Unternehmen, das sogenannte Country-Country-Reporting einführen. «Dies bedeutet. dass alle in der Schweiz niedergelassenen Konzerne darlegen müssen, wie viel Umsatz und Erträge sie in jedem Land erzielen, wie viel Steuern sie dort bezahlen und wie viele Angestellte sie dort haben.» Bei einer solchen Rechnungslegungsart könne man schnell erkennen, «wo auf Kosten welcher Staaten ein Konzern durch Tricksereien seine Steuern optimiert», sagte er.

Generell müsste die Schweiz aus Sicht des TJN seine Steuergesetze für Unternehmen reformieren auf der Basis des Country-by-Country-Reporting, forderte er. Dadurch könnten alle Gewinne eines Konzern im jenem Land besteuert werden, wo die Wertschöpfung anfalle. Zugleich würden Domizilgesellschaften für Unternehmen rasch unattraktiv, weil dort keine oder kaum Wertschöpfung erarbeitet werde. «Ein erster schneller Schritt in die richtige Richtung wäre bereits, den Domizilgesellschaften die Steuerprivilegien zu entziehen.» (awp/mc/ps)

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